Heiner Lobenberg

Mehr als die Summe der einzelnen Teile

Durch den Inhalt jeder Flasche Bourgogne blicken wir zurück auf Jahrhunderte der Zeitgeschichte und Entwicklung der Genusskultur. Wer mal in der Region war, hat wohl gemerkt, dass es hier eigentlich nicht viel gibt, außer reiche Geschichte, Wein und gutes Essen. Aber das reicht ja eigentlich auch – mir jedenfalls.

Wie so oft, wenn wir über Wein in Europa sprechen liegt der Ursprung bei den Kelten und Römern, um sich dann in den Gärten der Kirchen und Klöster zu manifestieren. Die Magie des Ursprünglichen ist wohl an keinem anderen Ort bis heute so greifbar, so gebündelt präserviert wie hier. Mehr als zweitausend Jahre Weinbaugeschichte haben die Region nachhaltig geprägt und zu dem gemacht was sie heute ist: Das Sammelbecken für Spitzenerzeuger der handwerklichen Kleinstarbeit. Ich lehne mich soweit aus dem Fenster zu behaupten, dass nirgendwo auf der Welt so viele herausragende Winzer auf engstem Raum leben und arbeiten wie zwischen Dijon und Mâcon. Dementsprechend gibt es auch nirgendwo sonst eine vergleichbare Fülle an herausragenden Weinen. Doch die Bourgogne reizt, polarisiert auch, aber fasziniert Liebhaber wie Kritiker am Ende gleichermaßen. Sie ist das ewige Vorbild für tänzerisch-verlockende Rotweine, sowie mundfüllende und gleichzeitig rassige Weißweine. Selbst die Ära der Premature Oxidation, kurz Premox, also der vorzeitigen beziehungsweise atypischen Alterung der Chardonnays seit Mitte der 90er bis teilweise noch heute, konnte den Nimbus nicht nachhaltig erschüttern. Die internationale Nachfrage war durchweg gerade in dieser Zeitspanne rasant gewachsen.

Auch in Sachen Kreativität und Individualismus gibt es sicher spannendere Regionen als die Bourgogne. Denn seit geraumer Zeit arbeiten die Vignerons hier beinahe ausschließlich in Schwarz und Weiß – mit Pinot Noir und Chardonnay. Vom Selbstverständnis der Region ausgehend macht die Fokussierung aber durchaus Sinn. So liegt der Ausdruck auf dem Terroir, dem Ort, dem Ursprung. Wie könnte man Terroirs besser distinguieren, als wenn die meisten anderen Parameter, sprich Rebsorte und Ausbau gleich oder sehr ähnlich sind. Hier braucht es nur die zwei Sorten, die am meisten Kontrast erbringen und sich über die Jahrzehnte als die Pointiertesten herausgeschält haben. In der Bourgogne geht es um Nuancen – das ist Faszination und Abschreckung zugleich.

Es liegt unbestreitbar etwas Mystisches und Unergründliches über diesem eigentlich eher unspektakulär anmutenden Landstrich. Doch aus welchem Stoff sind die Legenden gestrickt, die diese Region umwehen? Oberflächlich ist die Magie nicht zu beschreiben und tiefgründig steckt der Teufel im Detail. Betrachten wir das Burgund anhand von 5 Blickwinkeln bis das Gesamtbild erkennbar wird.

1. Terroir und Biodynamie | 2. Die Weinstile | 3. Das Appellations-System | 4. Underdogs versus alte Ordnung | 5. Die Liebe zum Burgund – trotz Preisentwicklung und Kritik

Die Weinstile im Burgund

Die Weinstile im Burgund

Während sich ein guter Teil der führenden Riege des Bordelais und auch der Rhône dem Wandel der Zeit und der Trinkgewohnheiten hin zu früherer Zugänglichkeit und größerer Weichheit zunehmend ergeben haben, geht man im Burgund indes teilweise den umgekehrten Weg, wie es scheint. Die Lese hat sich bei vielen Betrieben seit mehr als zwei Jahrzehnten stetig verschoben...

Von Elias Schlichting

am

Unsere Empfehlungen zum Thema Burgund

93
/100

David Moret

Burgund, Cote d'Or

f

Chardonnay, trocken

z

voll & rund
mineralisch

a

Lobenberg: 93/100

93–94
/100

Sylvain Pataille

Burgund, Cote d'Or

f

Aligote, trocken

z

mineralisch
fruchtbetont

a

Lobenberg: 93–94/100

Decanter: 94/100

96
/100

Domaines Chermette

Burgund, Beaujolais

f

Gamay, trocken

z

fruchtbetont
pikant & würzig
saftig

a

Lobenberg: 96/100

Suckling: 94/100