Aus der autochthonen Godello-Traube entstehen auf den kargen Granit- und Schieferterrassen des »goldenen Tals« Valdeorras einige der besten Weißweine Spaniens.
Der östlichste Außenposten Galiziens
30 Kilometer südlich der Weinregion Bierzo biegt der Minho-Nebenfluss »Sil« nach Westen ab und überquert die Grenze zwischen Galizien und Kastilien. Die wilden Weinbergterrassen, die links und rechts des Flusses in die Höhe schießen, sind bereits Teil der Appellation Valdeorras mit ihren rund 1.300 Hektar Reben. Sie ist der östlichste Außenposten des galizischen Weinbaus. Im Westen grenzen die Ausläufer der Region an die Mencía-Hochburg Ribeira Sacra. Valdeorras hat sich hingegen zu einem Hotspot für hochkarätige spanische Weißweine entwickelt. Die autochthone Sorte Godello reizt auf den kargen Böden der Region Ihr enormes Potenzial aus – wenn man sie denn hegt und pflegt, wie es die besten Winzer seit Anfang der 2000er machen.
Das fast vergessene Tal
Zuvor war Valdeorras eine graue Maus in der iberischen Weinlandschaft. Die uralten Terrassenlagen, auf denen heute teilweise noch wurzelechte Buschreben stehen, sind nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu in Vergessenheit geraten. Der extreme Arbeitsaufwand in den Weinbergen und die Mini-Erträge waren der Grund, weshalb nach 1945 viele die uralten Terrassenlagen aufgegeben wurden und schließlich verwilderten. Erst 70 Jahre später wurde das enorme Potenzial der kargen Böden und der uralten Reben wiederentdeckt.
Warme Sommer, kalte Winter
Der Einfluss des kontinentalen Klimas ist in diesem westlichen Teil Galiziens bereits deutlich spürbar, das atlantische Klima dringt zu den steilen Terrassen in Valdeorras nur zaghaft vor. Entsprechend warm fallen die Sommer aus und umso frostiger die Winter. Dennoch ist es in Valdeorras deutlich milder als in Zentralspanien. Über das Jahr verteilt fällt mehr Regen als in Deutschlands Weinregionen, die Niederschläge konzentrieren sich jedoch weitestgehend auf die Winter- und Frühlingsmonate. Große Wasserreserven werden somit zur Freude der Weinreben jedes Jahr aufs Neue aufgefüllt.
Autochthone Sorten auf uralten Steinterrassen
Die Trauben an den teils uralten Rebstöcken liefern im Herbst die Grundlage für einige der spannendsten Weißweine Spaniens. Godello ist der Shootingstar in den Weingärten, daneben findet man bei den weißen Sorten auch Doña Blanca oder Palomino. Mencía dominiert vor Merenzao, Brencellao und zahlreichen anderen autochthonen Sorten das rote Portfolio. Oft stehen die Reben auf den uralten Steinterrassen im gemischten Satz und werden einfach zusammen gelesen. Bei Telmo Rodriguez, der sich 2002 mit einem eigenen Projekt in Valdeorras niederließ, entstehen so die fabelhafte Einzellagen-Cuvées »As Caborcas« und »Falcoeira«. Der frische Gaba do Xil ist darüber hinaus ein wunderbarer Einstieg in die Welt der frischen Weißweine aus Valdeorras.
Der Albariño-Konkurrent
Generell ist die Rebsorte so universell einsetzbar wie fast keine andere weiße Sorte in Spanien. Vom saftig-frischen Alltagswein über den strukturierten Essensbegleiter bis zum im Holzfass gereiften Kracher ist mit Godello alles möglich – das unterscheidet die Sorte letztlich auch vom Albariño, der auf Holzkontakt oft etwas allergisch reagiert. In welche ungeahnten Höhen es beim Godello gehen kann, zeigt Raphael Palacios, Bruder von Priorat-Star Alvaro Palacios, seit Mitte der 2000er-Jahre in Valdeorras. Sein Topwein »Sorte O Soro« stammt von über 100 Jahre alten wurzelechten Reben – ein Wein, der so viel Terroir zeigt und gleichzeitig so verführerisch cremig, fein und schlichtweg lecker ist. Immer mit genug Spannung, Tiefe und Frische. Die salzig-frischen Albariños von den westlichen Ausläufern Galiziens finden mit den hedonistischen Godellos aus Valdeorras einen würdigen Gegner im Kampf um die spanische Weißweinkrone!