Das »heilige Ufer« Ribeira Sacra hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem der aufregendsten Rotwein-Hotspots der iberischen Halbinsel entwickelt.
Frische, saftige und spannungsgeladene Weine aus der autochthonen Mencía-Traube entstehen auf den kargen Granit- und Schieferterrassen an den Ufern der Flüsse Minho, Sil und Bibei im Zentrum der Region Galizien. Fast unvorstellbar, dass die Gegend mit ihren atemberaubenden Terrassenlagen und den uralten Reben lange Zeit für belanglose Massenweine stand.
Der große Einbruch der Region Ribera Sacra kam spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Zu hart, zu beschwerlich war die Arbeit in den teils fast unzugänglichen Steilhängen für die vielen Kleinstwinzer geworden. Hochwertiger Weinbau in den kargen Terrassenlagen der Ribera Sacra lohnte sich schlichtweg nicht – zumal es keine Abnehmer dafür gab. Schon immer stand die Region im Schatten deutlich renommierterer Anbaugebiete wie Rioja und Ribera del Duero. Investitionen fehlten, Geld fehlte, alles fehlte. Die Weine, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Region entstanden, wurden in erster Linie in großen Kellereien gemacht – einfache Qualitäten, die nicht ansatzweise das Potenzial der Ribeira Sacra widerspiegelten.
Die Weine, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der Region entstanden, wurden in erster Linie in großen Kellereien gemacht.
In Wirklichkeit ist das Potenzial gewaltig – und das auf gleich mehreren Ebenen. Viele galizische Regionen galten lange als zu feucht und kalt für wirklich ernst zu nehmenden Weinbau. Auch deshalb – und trotz des stetigen Klimawandels – wird an der Küste schon immer mehr Weiß- als Rotwein gemacht. In der Appellation Ribeira Sacra, rund 150 Kilometer vom Atlantik entfernt, sieht es anders aus: Dem maritimen galizischen Klima stellen sich erste kontinentale Einflüsse entgegen. Im Sommer ist es heiß und trocken, gleichzeitig sorgt der Einfluss des Atlantiks für kühle Nächte und ausreichend Niederschläge – ideale Bedingungen für saftig-frische Rotweine. Mittlerweile zeigt sich auch, dass in diesem Klima geniale Weißweine entstehen können. Die Nachbarregion Valdeorras im Osten macht es seit Jahren mit atemberaubend mineralischen Weinen aus der autochthonen Godello-Traube vor.
Neben dem galizischen Klima spielt die Topografie in der Region Ribeira Sacra eine große Rolle. Unglaublich steil und schroff sind die Hänge an den drei Flüssen Minho, Bibei und Sil. Besonders die Schluchten des Sil, die mit ihren engen Schleifen etwas an das Dourotal erinnern, sind beeindruckend – kleine Terrassen wurden vor langer Zeit in den Granit- und Schieferstein geschlagen. Teilweise erreicht man sie nur per Boot. Auf den Terrassen stehen oft uralte wurzelechte Reben aus autochthonen Sorten – am häufigsten Mencía, die mit ihrer krautwürzigen Art etwas an feinen Cabernet Franc von der Loire erinnert, teilweise sogar an kraftvollen französischen Pinot Noir. Daneben findet man rote Sorten wie Garnacha Tintorera, Brancellao, Merenzao, Sousón oder Caíño. Bei den weißen sind es Godello, Albarino, Loureiro oder Treixadura. Oft stehen die insgesamt rund 1.200 Hektar Reben in der Appellation Ribeira Sacra einfach im gemischten Satz, wie so häufig in Galizien.
Die Renaissance der Weinregion Ribeira Sacra wurde vor rund 20 Jahren eingeläutet, als einige junge Winzertalente die uralten Terrassenlagen für sich entdeckten. Manche dieser Talente gehören heute zur Elite der spanischen Winzerszene. Da ist beispielsweise Pedro Rodriguez, der mithilfe von Raul Pérez, einem der Mencía-Großmeister schlechthin, die Bodega Guimaro aufbaute – schnell entwickelte sich diese zu einem Leuchtturm der neuen dynamischen Weinszene in der Region Ribeira Sacra. Auch Dominio do Bibei zählt zu den spannendsten Projekten in der Appellation – die Top-Cuvée „Lacima“ zeigt, wohin die Reise gehen kann. Nicht wenige Insider sehen aufgrund solch genialer Weine die Zukunft des spanischen Spitzenweinbaus in Galizien. Es sind kleine, feine Weinprojekte, die in der Appellation Ribeira Sacra für Furore sorgen – Weinbau im großen Stil ist in den kargen Terrassenlagen mit den uralten Reben im Grunde ohnehin nicht möglich. Kleine Erträge, kleine Mengen, große Weine – Ribeira Sacra ist eine dynamische Region im Aufwind und ihre Topweine sind noch immer einer der ganz großen Geheimtipps der iberischen Halbinsel.