Unabhängig vom Ausbau ist Wein aus dem Priorat aber unverkennbar in seiner kraftvoll-mineralischen Art.
Extrem steile Schieferhänge, Höhenlagen bis zu 1000 Meter, kontinentales Klima mit mediterranem Einfluss und ein rotes Rebenmeer kennzeichnen diese katalanische Region. Es befindet sich im Nordosten Spaniens, von Westen aus gesehen hinter dem Montsant Gebirge, etwa 50km vom Mittelmeer entfernt. Die Rede ist vom Priorat. Das etwa 2000 ha große Gebiet in der Region Katalonien. So weit zu den Eckdaten.
Irgendwie klingt es schon traumhaft. Glitzernde, dunkle, steinige Böden. Außerdem tiefgründig und extrem mager. Darauf wachsen Reben, die würzige und extraktreiche Weine hervorbringen und gleichzeitig so unfassbar elegant sind. Höchstpunke bei Parker und anderen Verkostern sind vorprogrammiert. Allerdings bedeutet dieses Terroir eine große Anstrengung für die Reben. Der karge rote und blaue Schiefer-Boden, llicorella genannt, bringt sehr niedrige Erträge hervor. Nicht alle Rebsorten können es mit diesen harten Bedingungen aufnehmen. Wenige Nährstoffe, Hitze, Trockenheit. Solche Kraftpakete des Priorats sind zum Beispiel Garnacha und Cariñena (die in der Rioja meist Mazuelo genannt wird). Funfact für Nerds: Tempranillo heißt im Priorat Ull de Lebre.
Die Region ist generell überwiegend mit roten Reben bestockt. Die gesamte Region? Nein! Ein solch hochinteressantes Gebiet hat nämlich auch viel zu bieten. Aus Garnacha Blanca, Macabeu (Synonym in der Rioja: Viura), Carignan Blanca und Pedro Ximénez (Sherry!) machen Weingüter wie Terroir al Limit oder Nin-Ortiz Weine, die vor Aroma und Vielfalt trotzen. Man kann sagen, jeder Wein dort hat seine eigene Persönlichkeit, welche sich oft ausdrucksstark, auch fordernd und eigenwillig, aber zudem einzigartig und elegant zeigt. Diesen Spagat zwischen Opulenz und Apartheit zeigt uns Alvaro Palacios zum Beispiel mit seinem Les Aubaguetes. Hier zeigt sich die Vermählung zwischen Cool Climate Lagen und würziger Vollfruchtigkeit. Wenn man dann immer noch nicht genug hat, dann stelle man sich seinem L’Ermita. Ein 100 Punkte Garant für viele Kritiker und ein Wein, der einem großen Bordeaux Grand Cru in nichts nachsteht.
Kein Wunder also, dass das Priorat und die Rioja die einzigen zwei Herkunftsbezeichnungen in Spanien sind, welche auf der Qualitätspyramide ganz oben stehen. Die Bezeichnung für diese Spitze der Pyramide ist: Denomination de Origen Calificada. Kurz DOCa oder auch DOQ. Diese Stellung hat die Region seit 2001. Seit der Besiedelung der Region durch Kartäusermönche spielt der Weinbau im Priorat eine zentrale Rolle. Schon damals wussten die Leute die würzigen und doch oft alkoholstarken Weine zu schätzen. Auf jeden Fall war das ehemalige Priorats-Gebäude der Namensgeber. Zurück zum Qualitätssystem. Um die spezifischen Boden-, Klima- und Wettereigenschaften, sprich das Terroir, auch innerhalb des Gebiets noch mehr hervorzuheben, gibt es seit 2009 die Bezeichnung Vins de Vila. Das Ganze ist angelehnt an das französische System mit seinen Village Weinen. Die roten und weißen Reben des Priorats wachsen in 12 verschiedenen Dörfern, deren Identität noch mehr hervorgehoben werden soll. Naja, einfacher zu verstehen macht es das Ganze anfangs wohl nicht, aber der Weg, die Klassifikation der herausragenden Qualität der Weine gerecht werden zu lassen, muss eben irgendwo beginnen.
Dennoch sollte man sich einige Namen der besten Gemeinden auf dem Radar haben, wenn man sich in der Region als Wein-Trüffelschwein umschaut. Da wäre zum Beispiel die Region um Gratallops. Dort findet man den eisenhaltigen, mit Glimmerpartikeln durchzogenen Schiefer-Boden, llicorella, in besonders purer Form. Dieses einzigartige Terroir hat Clos Mogador als einer der Pioniere entdeckt und es geschafft, flüssige Mineralik, Würze und Pikanz in Flaschen zu packen. Auch die Lage Manyetes des Weinguts ist wieder einmal ein gutes Beispiel dafür, dass Weinbau im Priorat kein Zuckerschlecken ist, sondern eine Herausforderung und Extreme. Glühend heiße Hitze macht es den Cariñena Reben in manchen Jahren dort schwer. 2017 war so ein trockenes und sehr warmes Jahr. Im folgenden Jahr 2018 waren die Bedingungen etwas kühler und auch nasser dort. Das Resultat war ein Wein voll Mineralik, Steinigkeit und Schiefertönen. So und so, die Weine sind immer Unikate und spiegeln ihre Herkunft kompromisslos wider. Positiv an dem trockenen Klima ist zudem die Tatsache, dass Bioweinbau kein allzu großes Problem darstellt. Spanien ist deshalb auch der größte Bioweinproduzent Europas. Mit Clos Mogador, Terroir al Limit und Nin-Ortiz arbeiten die Superstars der Region ohnehin alle biodynamisch und maximal naturnah aus voller Überzeugung.
Generell gibt es in der ganzen Region Priorat noch immer fast unbegrenzte Möglichkeiten, denn der Aufstieg in die Welt des Fine Wines gelang trotz der bemerkenswerten internationalen Reputation erst in den 1990er Jahren. Noch immer hat die Region so viel ungehobenes Potenzial und ist eine Spielwiese für experimentierfreudige Winzer. Wer einmal die superspannenden Weine von Nin-Ortiz oder Terroir al Limit im Glas hatte, der lernt selbst mit altbekannten Rebsorten wie Garnacha, Cabernet Sauvignon oder Cariñena nochmal völlig neue Aromenwelten kennen. Von Tonamphore und Beton, über große Fuder bis hin zu klassischen Barriques ist im Priorat alles weit verbreitet. Dabei ist der Ausbau in Holz in Spanien eigentlich eine Art Kulturgut. Neben der traditionellen Ausbaumethode im Holz sind die Winzer im Priorat aber wie gesagt recht experimentierfreudig mit unterschiedlichen Gebindearten und -größen. Unabhängig vom Ausbau ist Wein aus dem Priorat aber unverkennbar in seiner kraftvoll-mineralischen Art.
Schlussendlich heißt es im Priorat: Entdecken und Probieren! Die Vielfalt der Region ist grenzenlos und jeder Genießer kann hier etwas für sich entdecken. Vom 100 Parker-Punkte Wein bis zum unkonventionellen Natural Freakwein, das Priorat bietet einfach alles. Und keine Angst vor den katalanischen Bezeichnungen. Da die Weine oft recht viele Umdrehungen haben, geht das spätestens nach dem dritten Glas viel leichter über die Zunge. In diesem Sinne: Salud.