Nach Jahren der Findung, des Ausprobierens, des Tüftelns, haben die Winzer auf der Baleareninsel ihren eigenen Stil gefunden. Aus den autochthonen Rebsorten Callet, Manto Negro, Gorgollassa, Fogoneo, Prensal Blanc und Giró Ros werden auf Mallorca Weine gemacht, die genau den Nerv der Zeit treffen: wild, verspielt, elegant, gleichzeitig hocharomatisch und saftig.
Obwohl der Weinbau auf Mallorca eine lange Geschichte hat, wäre er zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts fast in Vergessenheit geraten. Die Reblaus zerstörte wie überall in Europa nahezu alle Rebflächen. Auf Mallorca wandten sich die Landwirte anschließend von der mühsamen Pflege von Rebstöcken ab, stattdessen pflanzte man in die toten Weinberge vor allem Mandel- und Olivenbäume. Einige wenige führten das Weinbau-Erbe der Insel fort, nun aber zu großen Teilen mit internationalen Rebsorten wie Cabernet Sauvignon oder dem spanischen Allrounder Tempranillo, ausgebaut in kleinen Eichenfässern, so wie man es auf dem europäischen Festland auch tat. Womöglich wären die Weine Mallorcas in die Belanglosigkeit abgerutscht, hätte man nicht das unbändige Potenzial der autochthonen Sorten der Insel erkannt.
Obwohl der Weinbau auf Mallorca eine lange Geschichte hat, wäre er zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts fast in Vergessenheit geraten.
1991 richtete man mit Binissalem die erste geschützte Ursprungsbezeichnung (Denominación de Origen, kurz DO) der Insel ein. Rund 600 Hektar liegen heute in diesem Gebiet im westlichen Teil von Mallorca, aufgeteilt auf fünf Gemeinden. Hauptrebsorte ist hier die Manto Negro, zugelassen sind bei den Roten aber auch Tempranillo, Monastrell, Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah oder die einheimischen Callet und Gorgollassa. 1999 folgte mit Plà i Llevant eine DO im Südosten von Mallorca. Insgesamt stehen dort rund 470 Hektar unter Reben. Callet ist hier nicht nur die wichtigste Rebsorte, sondern auch der Initialzünder für den Aufstieg der gesamten mallorquinischen Weinbauszene. Gepflanzt auf den typischen Kalk- und Tonböden der Insel kann sie ihr wildes Potenzial entfalten: ähnlich ultrafein und zartfruchtig schwebend wie Pinot Noir oder eher noch Nerello Mascalese vom Ätna.
Innerhalb der Region Plà i Llevant liegt die Gemeinde Felantix. Der Ort ist heute ein bisschen das, was Forst für die Mittelhardt, Serralunga für das Piemont oder Vosne-Romanée für das Burgund ist – das qualitative Epizentrum einer ganzen Region. 1994 starteten die beiden Freunde Pere Ignasi Obrador und Miquel Angel Cerda in Felantix das Projekt »Ànima Negra«, das über die Jahre zu einem der ambitioniertesten Betriebe der iberischen Halbinsel heranreifen sollte. Pere und Miquel stammen beide aus Felantix, nach dem Abschluss der Schule trennten sich ihre Wege fürs Erste. Während Pere in Felantix blieb und sich um die Milchkühe und die dazugehörige Molkerei seiner Familie kümmerte, zog Miquel aus, um in Madrid ein Studium zum Luftfahrtingenieur zu beginnen. Nach einigen Jahren kehrte er nach Mallorca zurück. 1994 kam es zu Veränderungen in Peres Molkerei, und nun entschlossen sich beide, einen lang gehegten Traum zu verwirklichen und ihre ersten Trauben in aussortierten Milchtanks zu vinifizieren. Ziel sollte sein, das Potenzial der einheimischen Reben Mallorcas, vor allem der Sorte Callet, auszureizen. Bereits der 1997er Jahrgang wurde von der internationalen Presse entdeckt und gefeiert. Innerhalb der ersten vier Jahre hatten Miquel und Pere bewiesen, dass man aus Callet große Weine vinifizieren kann. Seitdem haben die beiden mächtig investiert, um aus einer Molkerei ein Weingut der Extraklasse zu machen. Schon der Zweitwein AN/2 aus Callet, Manto Negro und ein wenig Syrah ist heute mit seinem internationalen Stil eines der Aushängeschilder des modernen mallorquinischen Weinbaus.
Puristischer, geradliniger, aber auch wilder und verspielter geht es nur knapp vier Kilometer von Ànima Negra entfernt zu. 2006 gründeten Francesc Grimalt und Sergio Caballero das Weingut 4kilos. Die beiden Partner sind zwei gänzlich unterschiedliche Typen: Francesc Grimalt ist Winzer und ehemaliger Partner und Techniker bei Ànima Negra, Sergio Caballero hingegen ist Musiker und unter anderem Co-Direktor des Sonar Festival für elektronische Musik und Multimedia-Kunst. Ende September 2006 wurde in der Garage eines Winzerkollegen mit wenigen Mitteln der erste Wein hergestellt. Die Gärung und Mazeration des Weines wurde in Milchkühlgeräten vollzogen, der Wein wurde für 14 Monate ausgebaut und kam im Mai 2008 auf den Markt. Die Entwicklung nahm ihren Lauf, zwischenzeitlich wurde eine ehemalige Schäferei in ein kleines Weingut umgewandelt. Jahr für Jahr werden die Weine von Francesc und Sergio präziser und spannender. Callet ist DER Trumpf in der Hinterhand der Weinregion Mallorca.
Die qualitative Spitze der mallorquinischen Weinszene hat gerade erst damit begonnen, ihr Potenzial auszuschöpfen.
Die qualitative Spitze der mallorquinischen Weinszene hat gerade erst damit begonnen, ihr Potenzial auszuschöpfen. Die noch jungen Projekte Ànima Negra und 4kilos werden sich in ein paar Jahren sicherlich fest in der Liga der besten Betriebe des iberischen Weinbaus etabliert haben. Schon jetzt sind die Ergebnisse atemberaubend. Gleichzeitig treten immer neue Gesichter auf die Weinbau-Bühne Mallorcas, dazu gehört auch Barbara Mesquida mit ihrem 2012 ins Leben gerufenen Projekt »Mesquida Mora«, das sich nur eine knappe halbe Autostunde von Felantix entfernt befindet. Es ist erst die Startphase eines packenden 100-Meter-Laufs: Langsam aufrichten, den Horizont fokussieren, Vollgas geben – all das werden wir in den kommenden Jahren auf Mallorca erleben und erschmecken können. Die Vorfreude ist riesig!