Tiberio: Cerasuolo d'Abruzzo 2022

Lobenberg: Dieser Cerasuolo kommt jedes Jahr aus derselben Montepulciano-Einzellage, also ist das ein waschechter Lagenwein. Der Weinberg wurde 2000 auf tonhaltigen Böden gepflanzt, die anderen Weinberge von Tiberio haben eher kalkhaltige Böden. Cerasuolo heißt »Kirschrot«, und häufig haben die klassischen Roséweine der Abruzzen auch tatsächlich eine eher tiefe, vibrierende, rote Farbe. Winzerin Cristiana Tiberio empfiehlt, diesen Rosé jung zu trinken, da der genial erfrischende Gerbstoff absolut zum Geschmackserlebnis gehört. Das passt auch zu ihrem Stil, den man ruhig bewundern darf – so eigen und schön sind doch ihre Weine. Trotzdem kann ich diejenigen verstehen, die diesen Cerasuolo mit Absicht für ein paar Jahre im Keller vergessen. Nur der frei ablaufende Saft der Trauben wird verwendet, es wird nicht manuell gepresst. Der Wein leuchtet mit zartem Rubinrot im Glas, er könnte schon allein vom Aussehen her auch ein Pinot Noir sein. Und genau das möchte Cristiana auch erreichen, es soll kein leichter Rosé sein, sondern eben Cerasuolo. Schon beim ersten Reinriechen wird klar, dass wir hier extrem weit weg von kitschigem Bonbon-Rosé sind: Rhabarber, Veilchen, frischer Granatapfel und rote Johannisbeeren, aber auch Feuerstein und Kräutersud. Am Gaumen wird es nochmal spannender mit ätherischer Frische, feinem Gerbstoff, und damit Energie und Spannung. Die präzise, fein salzige Mineralität ist so vibrierend und erfrischend. Zur roten Frucht kommt Orangenschale und Blutorangensaft. Dieser innere Zug ist einfach unfassbar, der Wein definiert sich fast ausschließlich über das Mundgefühl und seinen feinen, fast kalkigen Grip. Diese sehr eigene Komposition erinnert mich tatsächlich an die legendären Rosados von Viña Tondonia oder auch an die Cerasuolo von Valentini. Wow! Im Abgang wird er saftig und gleitet dann mit einer herrlich füllig-viskosen Frischekomponente aus. Ein abgefahrener Rosé zum Kauen. 94+/100