Lobenberg: Eine Monopollage von Bürklin-Wolf. Buntsandstein, Verwitterung, sandiger Lehm und ein bisschen Kalkmergel. Eine der wärmeren Lagen von Bürklin-Wolf. Ein bisschen weiter in der Ebene gelegen, etwas mehr Sonneneinstrahlung pro Tag. Südosthang, also weniger Abendhitze. Alte Reben, biodynamisch bewirtschaftet, wie alles hier. Seit Kurzem werden alle Weine recht warm vergoren, es gibt keine Kühlung mehr, das nimmt den Weinen nochmal etwas Frucht in der Jugend und gibt mehr Struktur. Neben den klassischen alten Stückfässern ist hier auch ein kleiner Edelstahltank drin, der immer viel Grip gibt laut Kellermeister Nicola Libelli. Es ist der einzige GC, der nicht zu 100 Prozent in Holz ausgebaut wird. Der Gaisböhl ist der Wein, der sich heute zur Probe enorm stark präsentiert. Er hat eine sehr feine, reduzierte Frucht, Orangenschale, weißer Pfeffer, Augustapfel, süß-reife Zitronen. Zudem ist der Gaisböhl ohnehin der Wein bei dem Nicola Libelli nochmal die größten Fortschritte gemacht hat. Jedes Jahr bin ich mehr begeistert von diesem Wein. Er hat klar mehr Power und Konzentration als die PC-Weine, kommt mit richtig viel pfälzischem Schub auf die Zunge. Saftig, charmant, Nektarine und Orangenschale, etwas Grapefruitpikanz im Nachhall. Keine Bitternis, keine Botrytis, total klar auf der Frucht laufend. Der Gaisböhl war in früheren Jahren manchmal etwas behäbig, etwas mollig, aber spätestens seit 2019 hat er seine Balance gefunden. Satter Grip im Mund, die Tannine ziehen an den Backen, lang und intensiv, aber die schicke Frucht steht dagegen. Enormer Säurezug, aber alles total reif. Sehr kreidig im Finale. So straff und kristallin ist der Gaisböhl wirklich selten geraten, das ist berauschender Stoff. Lang und spannungsgeladen, Gaisböhl wird wirklich jedes Jahr besser. 96-98/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.