Lobenberg: Terroir von blauem Schiefer und Quarzit. Deutlich mehr mineralischer Einfluss als im Frühlingsplätzchen. Die Trauben werden als Ganztraube kurz angequetscht, dann ca. 6 Stunden Maischestandzeit, dann sehr sanft gepresst, dann in verschiedenen alten Stückfässern spontan vergoren. Der Wein verbleibt auf der Vollhefe bis bis kurz vor der Füllung Ende Mai. Der Halenberg ist wie meist der dunklere, geheimnisvollere Wein, in 2021 kommt es allerdings noch deutlicher zum Tragen. Generell ist 2021 ein sehr terroirgetreuer Jahrgang. So elegant, kühl und fein war der Halenberg zwar letztes Jahr auch schon, aber in 2021 wird man fast hypnotisiert von dieser tabakigen, straffen Art vom kühlen Gestein. Halenberg hat selten so viel Dramatik ausgestrahlt wie 2021, deutlich fruchtreduziert, karger, wild, aber in sich stimmig und konzentriert. Der Wein wirkt ruhig und wild zugleich, klingt gegensätzlich, aber erschließt sich am Gaumen noch mehr. Er hat gefühlt mehr Tiefe, die sich aber nicht so direkt erschließt wie beim Frühlingsplätzchen. Das ist ein großer, fast dramatischer Riesling in der Nase, der einem zu verstehen gibt, dass da noch ganz viel im Untergrund lauert. Er wirkt in 2021 am Gaumen noch feiner als im hochfeinen Vorjahr, in dem er auch schon zu den besten GGs gezählt hat. Ein Wein voller Geheimnisse und beeindruckendem Format. Seidiger in der Textur als 2020, dennoch mit vibrierender Säurefrische und herbsaftiger Würze. Cassis, zitronig, salzig, griffig, nasser Stein, Geröllhalde, Minze. Er braucht sicher Zeit sich zu öffnen, diese Festigkeit abzulegen. Wunderbar straff und kühl, die Saftigkeit ist genial. Er wirkt aktuell fast zugänglicher als im Vorjahr zu dieser Zeit, was nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass das ein Riesling von gigantischem Format ist, bei gleichzeitiger Feingliedrigkeit. 97-100/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.