Lobenberg: 2020 hat als dritter trocken-heißer Jahrgang in Folge den Trauben eine unerwartet brillante, knackige Aromatik entlockt, die viel eher an schicke, ausgewogene und kühlere Jahre wie 2012 oder 2008 erinnert als an ein Hitzejahr. Die Weine sind voller Vibration und spannungsreicher Saftigkeit, dabei sind sie oft noch präziser und feiner als im beeindruckenden Vorjahr 2019. Markus Molitor hat das Kristalline und die schlankere Puristik des Jahres perfekt abgebildet und berauschende Rieslinge gekeltert, denen es bei erfrischend niedrigen Alkoholgraden kein bisschen an mineralischem Zug und moselanischer Aufregung fehlt. Dazu kommt Molitors etwas burgundisch-cremiger Stil mit perfekt abgestimmtem Holzeinsatz als perfect match, um 2020 zu einem weiteren genialen Jahrgang zu machen. Für Finessetrinker steht das etwas weniger druckvolle, finessenreichere, früher zugängliche, aber grundsätzlich ähnlich geartete 2020 vielleicht sogar vor dem Blockbuster 2019 bei den trockenen weißen Kapseln. Neben Molitors Paradelagen in Zeltingen brilliert vor allem der Hang zwischen dem Erdener Treppchen und dem dieses Jahr extraterrestrischen Ürziger Würzgarten. Der Erdener Prälat ist schon für sich genommen eine Legende und ein mythisch überhöhter Ort. Hier haben wir 120 bis 130 Jahre alte wurzelechte Einzelpfahlstöcke, nur wenige tausend Quadratmeter groß. Jeder Winzer schätzt sich glücklich in dieser winzigen Lage etwas sein Eigen zu nennen. Die Extremversion als Amphitheater des benachbarten Erdener Treppchens. Also die Eleganz Erdens mit diesem dunklen Schiefer in Kombination mit diesem Brennglas von Exposition mit diesen uralten wurzelechten Reben. Das ist schon ziemlich einmalig in dieser Form an der Mosel. Eine der rarsten und teuersten Lagen der Mosel und Deutschlands überhaupt. Die Top-Auslese *** von Molitor unterhalb des Versteigerungsweins Doctor. Geniale Intensität in der Nase. Bratapfel mit Limette, hochintensiv. Reife mürbe Boskoop Äpfel, viel Schub, dazu süßliche, gelbliche Blüten. Wahninnig dicht in der Nase. Nicht ganz so verspielt wie die *** Auslesen aus dem Erdener Treppchen und der Zeltinger Sonnenuhr, sondern einfach nur reicher und üppiger. Obwohl der Wein mit 12 Volumenprozent bestimmt nicht als fett zu bezeichnen ist. Der Restzucker dürfte aber sicherlich bei nahe zehn Gramm liegen. Die Nase reicht, weil der Wein so eine hochkomplexe und reiche Intensität hat. Total clean, keinerlei Botrytis, trotzdem viel Schub. Wie man so oft sagt: das Bessere ist der Feind des Guten. Das Prälat ist grandios, aber die Zeltinger Sonnenuhr war einfach komplexer und aufregender. Auch wenn ich zugebe, dass hier mehr Schub, Intensität und Reichhaltigkeit da ist. Auch Feinheit ist vorhanden und ein Quäntchen mehr Restzucker. Ich persönlich ziehe die Zeltinger *** Auslese vor, weil sie für mich einfach filigraner, aufregender und verspielter war. Auch wenn ich zugebe, dass das Erdener Prälat vielleicht nach 30 Jahren der größere Wein sein mag, denn Größe hat er ohne Zweifel. An deutschen Rieslingen kommt an Molitors Dreisternen kaum was vorbei. Das ist auf jeden Fall die oberste vorstellbare Stufe, kurz vor dem Himmel. 100/100