Lobenberg: Markus Molitor hat einen Teil dieser Chardonnay-Reben schon 1997 im Wehlener Klosterberg gepflanzt, dann in den letzten 10 Jahren verstärkt nachgepflanzt. Seit 2018 gibt es den Chardonnay erstmalig und auch gleich als Einstern, also High Level. Es liegt auf der Hand, dass Chardonnay-Pflanzungen durch die Klimaerwärmung gerade in Deutschland immer besser geeignet sind. Eine neue Erfahrung ist es allerdings, dass man ihn – wie hier – auf Schiefer und weit nördlich, eben an der Mosel, kultiviert. Aber schon der Pinot Blanc von Markus Molitor ist sicherlich einer der besten Pinot Blancs Deutschlands. Warum soll ihm das mit dem Chardonnay – zumal er ihn schon viele, viele Jahre vinifiziert – nicht auch gelingen? Gerade ihm, dem Reben-Flüsterer?! Die Nase ist im ersten Angang extrem weißfruchtig. Nur ein leichter Hauch gelbe Frucht darunter. Dazu ein feiner grüner Touch mit Zitronenmelisse und kaltem Grüntee. Tolle Blumenwiese in der Frühlingsblüte. Sehr viel weißer Pfirsich und eine sehr schöne cremige, weiße Melone. Weiße Williams Birne, reif, aber mit viel Spannung. Feine Salznote an der Seite. Weiße Mineralik. Schiefer, aber eigentlich an Kalkstein erinnernd. Eine feine Spur Zitronengras darunter und weiße Johannisbeere. Dann erst kommt mit Luft auch immer mehr gelbe Frucht. Mirabelle, Reneklode, Nektarine und saftige Quitte. Der Mund läuft stark auf der Quitte mit ihrer feinen angenehmen Säuerlichkeit und den feinsandigen Tanninen. Toller Zug im Mund, das fällt als erstes auf. Famose Frische. Obwohl er zum Teil im neuen Holz gelegen hat, ist das Holz kaum präsent. Leichte Vanillenote, aber minimal. Der Wein tendiert geschmacklich auch durchaus etwas zum Weißburgunder, weil er diese weiße Cremigkeit hat, die an Kreide erinnert. Dazu Salz zum süßen weißen Pfirsich und der Quitte. Wieder das Zitronengras aus der Nase. Leicht kandierte Limettenspur an der Seite. Und immer mehr gelbe saftige Frucht. Alles im kreidigen Salzbett landend. Erst nach und nach gesellen sich auch üppige, fast fette Fruchtnoten dazu. Eine fast grünlich anmutende, sehr frische, knackige Aprikose hält mit Gestein zusammen die Frische. Dann kommt satter Orangenabrieb, ein Hauch gezuckerte Mandarine und eine recht deutliche Salzspur im Finale. Tolle Frische, die ich so gar nicht vermutet hätte. Ein intensiver und sehr eigener Chardonnay, der mit dieser Mosel-Stilistik vielleicht ein ganz klein wenig an Südtirol, an Lageders Löwengang Chardonnay, erinnert. Sehr schicker, straighter, fokussierter und fester Chardonnay mit sicherlich guter Lebenserwartung. So eine Art von Cool-Climate-Chardonnay passt hervorragend nach Deutschland. So eine kühle Stilistik wie aus hohen Berglagen. Grünsalzige Aprikosenkerne im Finale. Chapeau Markus! Du hast den Beweis erbracht, in dieser Moselregion, mit deinem Kenntnisstand, aus alten Reben und Steillagen, fast alles zaubern zu können. 94-95/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.