Lobenberg: Erstaunlich viel rote Frucht – Sanddorn und Schlehe in der Nase, gar nicht mal schwarz. Helle Lakritze, aber in hoher Intensität. Was für ein Schub von Lakritze mit Schlehe, Lakritze und Sanddorn darunter, dazu Eukalyptus und Minze. Hochintensiv, auch Rosenblätter, sehr blumig und fein. Gar nicht diese Powernase wie sonst, eher an den Cornas erinnernd in seiner unendlichen Feinheit. Was ist denn das für ein Mund? Soll so Hermitage in 2021 sein? Wo ist denn die ganze druckvolle, kraftvolle Power, der unendliche Schub eines Hermitage? Feine Lakritze, feine schwarze Kirsche und Brombeere, aber nicht intensiv, sondern nur fein. Lakritze und Cassis, Blumen und Sanddorn, dazu Kumquat und Orangenzesten. Alles bleibt verspielt und doch ist es so intensiv und lang. Ein Hermitage, dem man die Muskeln genommen und dafür eine feine Sehnigkeit hineinoperiert hat. Der Wein hat nämlich durchaus Energie, Dynamik und Vibration, er hat nur keine klassische Muskelkraft. Es ist so gar nicht powerful, es ist nur fein, aber das mit so viel Schub und Intensität. Seidige, samtige Tannine, aber davon reichlich – nur sind sie so schick und gut verpackt. Ein Hermitage als Everybody’s Darling Zechwein. Ich bin sehr verblüfft und hoffe, in den nächsten Tagen noch mehr Hermitage probieren zu können, um zu sehen, ob dieser 2021er Jahrgang selbst die Power von Hermitage in Finesse umwandeln kann. Im Côte Rôtie ist es gelungen, und zwar grandios. Im Hermitage kann ich einfach nur sagen, dass ich so einen Wein gar nicht gewohnt bin. Trotzdem erkenne ich an, dass es unendlich Freude macht, diesen Wein zu trinken. Noch nach drei Minuten liegt er mit seiner lakritzigen Schwarzfruchtigkeit und konzentrierten Finesse auf der Zunge. Wahnsinn! Und so anders… 97-100/100 *** Der Hermitage von Tardieu besteht natürlich zu 100 Prozent Petite Syrah. Oder Serine, wie die uralte, kleinbeerige Form der Syrah hier genannt wird. Die Reben sind 60 Jahre alt. In 2021 mit nur 13 Volumenprozent Alkohol. Die Trauben wachsen in verschiedenen Einzellagen im Hermitage-Berg: Méal, Pierrelles, Diognières und La Croix. Zu 100 Prozent entrappt. Die Spontangärung geschieht im Barrique, der Ausbau für 12 Monate in Barriques, teils neues Holz, teils Zweitbelegungen. Danach wird der Wein weitere 12 Monate ins große Doppelstück von Stockinger gelegt. Keine Schönung und Filtration vor der Füllung in die authentischen Burgunderflaschen mit Naturkork.
Der Jahrgang 2021 stellt an der Rhône zweifellos einen Einschnitt in der Reihe der heißen, trockenen, mediterranen Jahrgänge dar, wie wir sie spätestens seit 2015 durchweg erlebt haben. 2021 erinnert viele Winzer im Rhônetal gar an die »guten alten Zeiten« vor 20, 30 Jahren – späte Lese, hohe Säurewerte und eine Phenolik wie es sie zuletzt in den 90ern gab. Ein Jahrgang der großen Emotionen, ein ständiges auf und ab der Gefühle: Die extreme Frostepisode vom 7. bis 9. April mit Temperaturen von teilweise fast -10°C betraf fast alle französischen Weinbaugebiete. Teilweise sorgte der Frost für einen kompletten Ernteausfall. Drei Wochen lang regte sich gar nichts in den Weinbergen des Rhônetals. Wie durch ein Wunder trieben viele Reben doch noch aus, aber nicht ohne Folgen: Die eiskalten Nächte brachten die Natur aus dem Gleichgewicht, der Wiederaustrieb verlief geradezu anarchisch, die Arbeit im Weinberg war extrem anspruchsvoll und verlangte den Winzerinnen und Winzern alles ab. Die erfreulichen Regenfälle während des gesamten Vegetationszyklus, die gemäßigten Temperaturen im Sommer und der goldene Herbst sorgten für ein großes Durchatmen. Am Ende wird 2021 nicht nur als Jahrgang der plötzlichen Wiedergeburt der Klassik, der Feinheit und Eleganz in Erinnerung bleiben, sondern auch wegen des immensen Aufwands – nur, wer 2021 alles gegeben hat, wurde am Ende mit ultrafeinen Weinen belohnt, wie wir sie seit Jahren nicht mehr im Glas hatten. An der südlichen Rhône ist 2021 ein Jahr der puren Trinkfreude. Alles ist sofort da, offen und so unglaublich fein. Die Alkoholgrade liegen rund 1,5 Prozent unter denen der vergangenen Jahrgänge. Sowohl die Weißen als auch die Roten sind hervorragend balanciert und bestechen mit guten Säurewerten und hoher Frische. Die Weine sind hocharomatisch, die Frucht ist schmeichelhaft und fast schon spielerisch-abgehoben. Eine Grenache voll auf der Pinot-Spur – wann gab es das zuletzt?! Die nördliche Rhône bringt 2021 einen Stil, den dort viele für nicht mehr möglich hielten: Extrem fein und verspielt, fast schon schwebend und mit einer genialen Frische ausgestattet. Ein Jahr für große Weißweine mit strahlender Aromatik und hervorragender Lagerfähigkeit, ein Jahr für herrlich klassische, stilvolle, delikate Rotweine mit betörend ätherischen Noten von Pfeffer und Veilchen und ultrafeiner, aber aufregender Tanninstruktur. All in all ist 2021 an der Rhône ein Jahr für Finessetrinker, für Liebhaber der Feinheit, der Frische und der Eleganz. Lange hat man sich nach solchen klassischen Jahren gesehnt. Aber klassisch mit einem genialen Twist, denn am Ende vereint 2021 mit seiner schlanken, hochfeinen Art und der genialen Duftigkeit und Aromatik das Beste von damals und heute. »Zurück in die Zukunft!« – das beschreibt diesen aufregenden Rhône-Jahrgang wohl letztlich am besten.