Lobenberg: 2021 – mein erster Gigondas direkt nach Vacqueyras. Wow, was ist das für eine hochkonzentrierte, blumige rote Frucht! Veilchen ohne Ende, so intensiv! Aber nicht schwer, nicht üppig, sondern filigran schwebend. Dahinter schwarze Kirsche und ganz langsam konzentrierte dunkle, fast eingekochte und schwärzliche Himbeere. Duftig, intensiv und schiebend, aber unendlich fein. Das Holz ist überhaupt nicht spürbar, nur die ultraschicke Frucht. Im Mund toller Grip. Wow, die Augen ziehen sich zusammen! Was für eine hocharomatische Intensität! Es hört überhaupt nicht mehr auf, es seht für Minuten, die Zunge rollt sich. Aber nicht vor scharfen Tanninen – obwohl der Wein durchaus eine gewisse Chilischärfe aufweist unter der konzentrierten Himbeere und Schwarzkirsche. Aber das Tannin ist butterweich. Nur nicht fett, sondern seidig. Hochintensiv, aber nichts Raues, nichts Bäuerliches. Einfach nur unendliche Feinheit und das Ganze in hoher Konzentration. Hochkonzentrierte Finesse – wenn man sowas schaffen kann. In 2021 ist das an der Südrhône so. Der Wein steht für Minuten. Was für ein unendlicher, an Kreide und Kalkstein erinnernder Schub kommt da von unten! Himbeere, Veilchen und Rosenblätter drücken immer wieder hoch, der ganze Gaumen wird belegt. Alle Papillen sind belegt. Man wird diese Intensität gar nicht mehr los. Ich werde nach dieser Verkostungsnotiz erstmal ein ganzes Glas Wasser trinken müssen, um mich von dieser reichen, blumigen Finesse-Intensität zu befreien. Was ist das für ein Ereignis! Und 2021 ist ganz anders – ich bin gespannt, wenn wir in den nächsten Tagen Saint Cosme und La Bouïssière probieren. Wenn die besten Gigondas 2021 in diese Richtung gehen, ist es das beste Jahr, das ich je probiert habe. Ich kann es kaum glauben, weil es in dieser hohen Konzentration so unendlich fein ist. Gar nichts tut weh, alles ist schick und ewig lang. Alles ist eine Ode an die Freude. Château Rayas aus Gigondas und das Ganze ein wenig gepaart mit Pinot Noir und Loire. Endlich in 2021 diese wahnsinnige Feinheit und das tänzerische Feuerwerk, das die vergangenen Jahre einfach mit ihrer Kraft überdeckt haben. 2021 ist DAS Jahr für mich. 99-100/100 *** Der Gigondas von Tardieu kommt von fünf verschiedenen Plots. In den letzten Jahren wurde die Auswahl der Plots etwas verändert, man hat sich mehr auf höhere Lagen konzentriert. Die Plots liegen zum Teil auf mittlerer Höhe, der Rest in den obersten Bereichen der Appellation, wo La Bouïssière seinen Sitz hat. 90 Prozent Grenache, fünf Prozent Syrah und fünf Prozent Mourvèdre. Die Grenache und die Mourvèdre sind 60 bis 100 Jahre alt, die Syrah über 40 Jahre. Der Wein hat 14,5 Volumenprozent Alkohol. Drei Viertel der Trauben werden nicht entrappt. Das Ganze wird im Beton spontan vergoren. Danach erfolgen Malo und der zehnmonatige Ausbau in Barriques mit Zweit- und Drittbelegung. Anschließend wird der Wein für weitere 12 Monate in Doppelstück von Stockinger gelegt. Die Weine werden nicht geschönt und nicht filtriert, bevor sie in die Burgunderflaschen gefüllt werden. Seit dem Jahrgang 2020 mit der teuersten Korkvariante von DIAM ausgestattet, die neben Naturkork 100 Prozent natürliche Materialien wie Rizinusöl und Bienenwachs enthält.
Der Jahrgang 2021 stellt an der Rhône zweifellos einen Einschnitt in der Reihe der heißen, trockenen, mediterranen Jahrgänge dar, wie wir sie spätestens seit 2015 durchweg erlebt haben. 2021 erinnert viele Winzer im Rhônetal gar an die »guten alten Zeiten« vor 20, 30 Jahren – späte Lese, hohe Säurewerte und eine Phenolik wie es sie zuletzt in den 90ern gab. Ein Jahrgang der großen Emotionen, ein ständiges auf und ab der Gefühle: Die extreme Frostepisode vom 7. bis 9. April mit Temperaturen von teilweise fast -10°C betraf fast alle französischen Weinbaugebiete. Teilweise sorgte der Frost für einen kompletten Ernteausfall. Drei Wochen lang regte sich gar nichts in den Weinbergen des Rhônetals. Wie durch ein Wunder trieben viele Reben doch noch aus, aber nicht ohne Folgen: Die eiskalten Nächte brachten die Natur aus dem Gleichgewicht, der Wiederaustrieb verlief geradezu anarchisch, die Arbeit im Weinberg war extrem anspruchsvoll und verlangte den Winzerinnen und Winzern alles ab. Die erfreulichen Regenfälle während des gesamten Vegetationszyklus, die gemäßigten Temperaturen im Sommer und der goldene Herbst sorgten für ein großes Durchatmen. Am Ende wird 2021 nicht nur als Jahrgang der plötzlichen Wiedergeburt der Klassik, der Feinheit und Eleganz in Erinnerung bleiben, sondern auch wegen des immensen Aufwands – nur, wer 2021 alles gegeben hat, wurde am Ende mit ultrafeinen Weinen belohnt, wie wir sie seit Jahren nicht mehr im Glas hatten. An der südlichen Rhône ist 2021 ein Jahr der puren Trinkfreude. Alles ist sofort da, offen und so unglaublich fein. Die Alkoholgrade liegen rund 1,5 Prozent unter denen der vergangenen Jahrgänge. Sowohl die Weißen als auch die Roten sind hervorragend balanciert und bestechen mit guten Säurewerten und hoher Frische. Die Weine sind hocharomatisch, die Frucht ist schmeichelhaft und fast schon spielerisch-abgehoben. Eine Grenache voll auf der Pinot-Spur – wann gab es das zuletzt?! Die nördliche Rhône bringt 2021 einen Stil, den dort viele für nicht mehr möglich hielten: Extrem fein und verspielt, fast schon schwebend und mit einer genialen Frische ausgestattet. Ein Jahr für große Weißweine mit strahlender Aromatik und hervorragender Lagerfähigkeit, ein Jahr für herrlich klassische, stilvolle, delikate Rotweine mit betörend ätherischen Noten von Pfeffer und Veilchen und ultrafeiner, aber aufregender Tanninstruktur. All in all ist 2021 an der Rhône ein Jahr für Finessetrinker, für Liebhaber der Feinheit, der Frische und der Eleganz. Lange hat man sich nach solchen klassischen Jahren gesehnt. Aber klassisch mit einem genialen Twist, denn am Ende vereint 2021 mit seiner schlanken, hochfeinen Art und der genialen Duftigkeit und Aromatik das Beste von damals und heute. »Zurück in die Zukunft!« – das beschreibt diesen aufregenden Rhône-Jahrgang wohl letztlich am besten.