Lobenberg: Der Wein wird hauptsächlich aus den Trauben von 75 Jahre alten Carignan Reben erzeugt, manche sind sogar bis zu 100 Jahre alt. Drei Hektar alte Buschweine auf Granitböden mit Verwitterungsgestein. 1,2 Kilo Ertrag pro Stock. Die Reben wachsen in den Coastal Range Mountains mit den uralten Granitformationen, also nicht in den jüngeren Anden. Kleinere Bauern bewirtschaften die Reben, natürlich per Hand und mit dem Pferd, biologisch. Die Weine werden in kleinen, offenen Fässern spontan vergoren. Die Schalenhüte werden ab und zu mit der Hand runtergedrückt. Derek und Pilar experimentieren mehr und mehr mit Ganztrauben Fermentation, also mitsamt den Stielen. Das führt zu nicht nur zu einer zarteren Farbe, sondern auch zu spannenden, leicht kräutrigen, herbal-würzigen Noten. Die Presse ist eine alte Korbpresse. Der Wein wird für zwei Jahre in gebrauchten Fässern ausgebaut. Er besteht zwar überwiegend aus Carignan, aber es ist ein gemischter Satz im Weinberg. Wie alles hier komplett entrappt, später werden der Gärung reife, braune Stielgerüste zugegeben. Wie immer keine Schwefelzugabe, erst nach der Malo wird ganz leicht geschwefelt. Dieser Wein ist sicherlich der haltbarste von Garage Wines. 20 bis 30 Jahre dürften kein Problem sein. Die Nase ist sehr blumig, sehr elegant und subtil. Nach längerer Luftdauer wird der Wein tiefer, die Nase reichhaltiger, komplexer und das geht dann auch sehr in die Frucht. Der Wein ist im Mund überraschend frisch. Die Rappen kommen durch, das ist eindeutig spürbar. Was für eine immense Würze. Ich würde mich in einer Blindverkostung sofort in den Hochlagen des Priorats wiederfinden. Carignan aus 1000 Meter Höhe, ein Priorat von einem der dortigen Biodynamikern. Terroir al Limit oder Nin Ortiz – das würde bei mir glatt so durchgehen. Das ist schon famos und ein irrer Stoff. Unglaublich lang und würzig hinten raus. Garrigue-Würze, feine helle Lakritze. Rote Kirsche, Himbeere, aber nichts Süßes. Keine Zugeständnisse, nichts marmeladiges. Einfach nur geradeaus schiebend und gleichzeitig unglaublich fein. Die Tannine sind seidig. Nichts tut weh, nichts ist unreif, aber alles ist würzig und hat eine leichte pfeffrige Schärfe, ein wenig Chili. Ein Stand Alone, ein Unikat wie es eigentlich nur aus dem Priorat oder der Ribera Sacra kommen kann. Aber nein, dieser Carignan kommt aus Chile und das in einer Art und Weise, wie ich das für Chile nicht für möglich gehalten hätte. Wie schön, dass meine Urteile aus den letzten 30 Jahren wirklich über den Haufen geworfen werden. Gibt es wirklich das urwüchsige Chile, den Terroir-Bezug, den Naturwein-Bezug? Nein, das ist kein glatter 100-Punkte-Wein, dafür fehlt ihm vielleicht ein ganz klein wenig Charme und Saftigkeit, aber das ist ein schwer beeindruckendes Unikat. Den Wein wird man trotzdem immer austrinken, aber es ist ein klassischer Essensbegleiter mit überragend genialer Frische. Ein seidiges Powerteil mit Struktur und Würze. Nicht der höchstbewertete, aber der schönste und trinkigste Wein Chiles, den ich bisher getrunken habe. Ein atemberaubender, hedonistischer Zechwein mit Unikats-Charakter, leider gibt es nur knapp über 10.000 Flaschen. 97-98+/100