Spätburgunder Jechtinger Enselberg Erste Lage 2022

Franz Keller: Spätburgunder Jechtinger Enselberg Erste Lage 2022

VDP

Zum Winzer

95
100
2
Spätburgunder 100%
5
rot, trocken
12,5% Vol.
Trinkreife: 2024–2049
Verpackt in: 6er
9
pikant & würzig
seidig & aromatisch
3
Lobenberg: 95/100
6
Deutschland, Baden
7
Allergene: Sulfite, Abfüllerinformation
lobenberg

Heiner Lobenberg über:
Spätburgunder Jechtinger Enselberg Erste Lage 2022

95
/100

Lobenberg: Der Enselberg ist eine gut durchlüftete Lage mit spektakulärem Blick in die Rheinebene. Der Untergrund ist geprägt von hellen und dunklen, steinigen Vulkanböden. Eine feine Lössschicht bildet den Oberboden. Hier zu stehen zu 100 Prozent knapp zwanzig Jahre alte, burgundische Pinot Noir-Klone, dies ergibt einen kühlen, sehr feinen Spätburgunder mit einer expressiven, fast explosiven Frucht. Der Enselberg war in den Vorjahren immer der Einstieg in die Welt der GGs von Friedrich Keller, immer der zugänglichste Lagenwein. Nun hat sich Friedrich konsequenterweise dazu entscheiden, diese Lage als erstes Gewächs abzustufen. Ein gewagter, aber wie ich finde durchaus richtiger und wichtiger Schritt. Damit setzt er ein Zeichen, was den Wein in keiner Weise abwertet. Brillante, strahlende, sehr delikate Frucht. Verspielte rote Beerenfrucht, Veilchen und Himbeere. Cranberry und Maulbeere mit leichter Zwetschgen-Nuance. Helle Mineralität, Gesteinsmehl, das wirkt total straight und pur. Der Mund ist überaus saftig, tänzelnd und verspielt, auf feinen würzigen Tanninen laufend, dunkelrote Frucht, vibrierend und tief. Schöne Länge und hohe Fruchtintensität, geniales Spiel aus der sehr pikanten Säure und der feinen Fruchtsüße. Immer feingliedrig und von hoher Eleganz geprägt. Das ist kein Muskelpaket, das ist ein Athlet. Der Wein ist enorm lecker und dennoch durchdringend in seiner Konzentration. Und nicht nur in diesem Jahr ein großer Wein, das ist einfach mittlerweile so eine großartige Bank in diesem Preisbereich.

Jahrgangsbericht

All in all der wärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen! An Vorurteilen gegenüber solchen Witterungsverhältnissen mangelt es uns als weinbauliche Nord-Nation ja nicht. Von den Winzern hatten wir aber schon einiges Erfreuliches gehört. Mit ein klein wenig gesunder Skepsis, aber gewaltiger Vorfreude starteten wir direkt nach der ProWein in unsere vierwöchige Verkostungsreise durch Deutschland. Schon wieder ein Rekordsommer also. Da geht das Kopfkino los. Wird ein Tim Fröhlich vor uns sitzen, der mit kaltschweißiger Stirn erstmals zugeben muss, dass die Star Wars-Ära endgültig vorbei ist? Keine surrenden Laserschwerter in den Fässern?! Knackt der immer trockener werdender Oliver Haag mit seiner Juffer-Sonnenuhr den historischen Brauneberger Alkoholrekord? Und wann wird Konrad Salwey wohl geerntet haben – Ende Juli? Wir waren ja auf alles gefasst. Doch dann glitzern die ersten Weine im Glas: fein, leichtfüßig, harmonisch, zugänglich und …elegant! 12% Alkohol! Wow!! Das glaubt einem ja keiner, der es nicht selbst auf der Zunge hatte. Der Jahrgang zeigt – bei den von uns verkosteten Weingütern, anders als etwa 2003 und 2018 – im Jungstadium kaum Anzeichen eines extremen Hitzejahres. Verblüffend. Mit der fortschreitenden Mediterranisierung der klimatischen Verhältnisse geht die Schere zwischen progressivem Weinbau und den geeignetsten Standorten und allem anderen immer weiter auseinander. Wir sehen das von Frankreich über Italien, Spanien und eben auch in Deutschland. Jeder hat mit sich ungeahnt rasch verändernden Bedingungen zu kämpfen. Doch wer im An- und Ausbau nicht vor 10 Jahren stehengeblieben ist, der beherrscht – fraglos mit teils immensem Arbeitseinsatz und Commitment – selbst solche dramatischen Trockenphasen und massive UV-Intensität. Fakt ist aber auch, dass die deutschen Top-Winzer in kaum einem Jahrgang zuletzt so viel abgestuft haben, so penibel waren in ihrer Traubenselektion und so hart mit der Auswahl der Gebinde bei der Cuvetierung. Lange wurde nicht mehr so viel Wein im Fass wegverkauft, gerade auch aus den jüngeren Rebanlagen und ultratrockenen Standorten. So selektiv wie die Winzer sollten auch wir Weintrinker mit dem Jahrgang sein. Wer sich auf Top-Lagen, Top-Weinbau und Top-Betriebe fokussiert, wird ein Füllhorn an atemberaubend guten, wunderbar eleganten Weinen finden. 2022 ist kein Jahr zum wahllosen Draufloskaufen. Denn von Bordeaux über die Rhône bis nach Deutschland sind sich Winzer in einem einig: einfach war der Jahrgang nicht. Trotz Jahrhundertsommer wurden mitnichten aus jedem Weinberg einheitlich große Qualitäten geerntet. Denn in 2022 ist durch die paradoxe Transparenz der Weine ein faszinierend klares geschmackliches Abbild der Terroirs zu erkennen – und damit auch der feinsten klimatischen Unterschiede. Rebalter, lokale Regenmengen, Wasserhaltefähigkeit, Bewirtschaftung, Laubarbeit, Erntezeitpunkt. Diese Details zählen in einem so extremen Jahr wie 2022 noch mehr als sonst. Denn selbst die kleinsten Fehlentscheidungen oder Defizite der Standorte werden von den Weinen kanalisiert. Der Jahrgang mag auf den ersten Blick nicht so durch die Bank makellos strahlen wie es vielleicht ein 2019 tat oder so mitreißend rassig wie 2021 aus dem Glas kommen. Wir sind eher bei eleganter Frucht ohne Üppigkeit, bei sehr balanciertem, reifem Säurespiel und Zugänglichkeit wie sie auch die schicken Jahre 2020, 2017 oder 2012 hatten. In der Spitze versprechen manche 2022er auf Augenhöhe mit den genannten zu sein – und zeigen Potenzial womöglich sogar darüber hinauszuwachsen. Einige Weine sind berauschend gut. Was für ein unendlich feiner, kühler, kraftvoller Morstein bei Wittmann, Christmanns Hammer-Idig, ein superintensives Ungeheuer bei Bürklin, ungeahnt tänzerisch-leichtfüßige, brillante Kabinette von Saar und Mosel, eine superbe Kollektion bei Luckerts, eine Juffer-Sonnenuhr bei Haag, die keinen Alkoholrekord bricht, sondern mit feingliedrigem Zug glänzt und ganz große Klasse auch bei Loewen. Es gibt so viel Grandioses zu entdecken in diesem Jahr und ich denke auch Weltklasse war drin. Weil der Jahrgang sich regional so unterschiedlich präsentieren kann, habe ich mich entschlossen kleine Abrisse der Regionen zu skizzieren. Genauere Details finden Sie in den neuen Verkostungsnotizen. Tauchen wir also ein ins heterogene, faszinierende, verführerische und teils so überraschend feine 2022, das viele Anklänge von 1999 (trockener Sommer, Regen im September), der Köstlichkeit von 2009 und dem ebenfalls verblüffend delikaten 2020 hat.

Mein Winzer

Franz Keller

Franz Keller – ein legendärer Name, der gleichermaßen die deutsche Weinszene sowie die Spitzengastronomie geprägt hat wie vielleicht sonst kein anderer. Heute wird das Weingut gemeinsam von Fritz Keller und Sohn Friedrich geführt und zählt zur Elite der deutschen Burgundererzeuger.

Spätburgunder Jechtinger Enselberg Erste Lage 2022