Lobenberg: Der Schlossberg stammt von sehr alten Burgunder-Klonen und auch einer burgundischen Selection Massale aus Pommard. Auch dieser Wein wächst komplett auf Vulkangestein. Das Gestein heißt Tephrit und enthält deutlich mehr Eisen. Ich weiß nicht, ob es an der Selection Massale liegt, aber der Schlossberg ist trotz der Eisenunterlage von allen drei Großen Gewächsen oft das harmonischste, kompletteste GG. Die Harmonie ist bestechend. Er liegt aromatisch und stilistisch zwischen Eichberg und Kirchberg, das ist in fast jedem Jahr so. Im steilen, windgeschützten Kernstück dieser historisch bedeutsamen Steillage staut sich die Wärme und schafft ein einzigartiges Kleinklima, das die Weine besonders prägt. Der Schlossberg wirkt erhaben und tief-mineralisch in seiner Art. Noch verschlossener auch als Eichberg und Kirchberg. Kühle Würze, schwarzer Pfeffer, Wacholder, Tiefe und eine so unglaubliche Frische. Diese blumige Verspieltheit, ätherische Kräuterwürze, Wacholderbeere. Der Schlossberg vereint den dunkleren Vulkanausdruck des Eichberg GG und den helleren an Kalk erinnernden Anmutung des Kirchberg, zeigt deutliche Einflüsse von beidem. Blaue Waldbeeren, rote und schwarze Kirsche. Deilkat, durchaus fordernd, zupackend, ohne aber scharf zu sein. Sehr klar und transparent. Was den Wein so groß macht, ist bei aller Leichtigkeit diese Spannung, eine Konzentration ohne Üppigkeit, eine Nachhaltigkeit ohne Schwere. Der sanfte, filigrane Druck, der dennoch so viel Intensität und Konzentration mitbringt. Eine absolut geniale Säure, rasiermesserscharf und brilliant. 2021 hat nochmal mehr Eleganz, mehr Leichtigkeit, wirkt nochmal schicker als schon 2020, aber gleichzeitig eben auch balanciert. Ein Wein so komplett wie ein Clos des Ducs von Angerville, einfach in sich völlig schlüssig. Nimmt den Genießer sofort mit und lässt nur wenige Fragen offen in seiner entwaffnenden Balance und Klarheit. Einfach nur traumhaft schön. 97-100/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.