Lobenberg: 2021 war ein kühles Jahr, die Ernte dementsprechend relativ spät für Johns in der zweiten Septemberwoche. Etwa drei Wochen Maischegärung im Holzgärständer, danach für fast zwei Jahre im 500 Liter Tonneau ausgebaut, komplett auf der Vollhefe. Dann im Sommer 2023 unflitriert und nur ganz leicht geschwefelt gefüllt. Im Tonneau hat man ein reduktiveres Milieu, was den reduzierten Einsatz von Schwefel ermöglicht. Was für ein wunderbar feingliederiger Spätburgunder! Das Holz im Hintergrund, die Frucht spielt hier eindeutig die erste Geige. Die Nase etwas dunkel, kirschig, Schattenmorelle, Hagebutte, sogar Anklänge von Cassis, Brombeere, warmer Sandstein, ein Hauch von Unterholz, alles mit burgundischem Anspruch und Affinität. Das wird vor allem im Mund deutlich, hier wird es dann doch wieder rotfruchtiger, verspielter. Himbeere, Schlehe, schöne Rappenwürze darunter. Tragendes, vibrierendes, feinziseliertes Säurespiel. Wirklich schwebend fein. Leicht kreidig unterlegte, sehr, sehr feine Tannine, die definitiv Lagerfähigkeit versprechen, aber den Wein dennoch nicht unnahbar erscheinen lassen. So zart und fein, wirklich ein Wunderwerk. Das Holz nur ganz dezent im Hintergrund, verleiht dem ganzen nur ein feines Gerüst, aber der Wein definiert sich in keiner Weise über das Holz, sondern nur über die pure elegante Frucht. Großer, unheimlich eleganter Pfälzer Pinot, zum dahinschmelzen. 95+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.