Lobenberg: Diego Magana ist der Schüler und Ziehsohn von Raul Perez, jenem Unikat und Haudegen, der inzwischen berühmt geworden ist in Bierzo und auch in der Ribeira Sacra, wo er mit einem anderen ehemaligen Schüler Guimaro auch ein Weingut betreibt. Bierzo in extremer Form: 600 Höhenmeter in Villafranca del Bierzo. Diego Magana kann seinen Lehrmeister nicht leugnen, er übertrifft ihn gar in seinen extremen Ausprägungen. Der Mann geht seinen Weg, ganz ohne Frage. Dieser Weinberg besteht aus rotem Lehm mit extrem hohem Eisenanteil. Mencia und Alicante Bouschet, die ja bekanntlich sehr farb- und fruchtintensiv ist, Souson und Dona Blanca im gemischten Satz. Wurzelechte Buschreben, über 100 Jahre alt, auch wenn sie gerade nach der Phylloxera gepflanzt wurden. Der Weinberg hat nur 0,49 Hektar, denn bei diesem Wein handelt es sich um einen Single Plot aus der Lage Rapolao, die 3,5 Hektar groß ist. Die Exposition ist überwiegend westlich und ein ganz kleiner Hauch südlich. Der Weinberg ist aber morgens und mittags beschattet und bekommt nur die mildere Abendsonne ab. Extreme Steillage. Dieser Weinberg hat lange brachgelegen, weil die Menschen vermieden haben, in dieser extremen Lage zu arbeiten. Auch, weil der Wein durch seine beschattete Lage manchmal nicht reif wurde. Da hilft natürlich der Klimawandel. Der Curullon-Berg steht direkt vor diesem kleinen Weinberg und hält eben das Sonnenlicht speziell am Vormittag ab. Die Trauben werden also immer ziemlich spät und unterschiedlich reif, sodass man in kühlen Jahren mehrfach durch den Weinberg gehen muss. Es wird biologisch gearbeitet. Alles Handarbeit in Steillagen. Handlese, Entrappung und Zugabe der reifen Rappen zur Gärung. Alles vergoren im offenen 500 Liter Tonneau. Auch der Ausbau findet im Tonneau statt, allerdings nur gebrauchtes Holz. Schon an der Farbe sieht man, verglichen mit dem Zweitwein, den höheren Anteil von Alicante Bouschet. Der Wein hat ein intensives Sauerkirschrot mit intensiven schwarzen Reflexen. Die Nase ist Eisen und Blut pur. Würzig, dunkle Erde, Estragon, Koriander, Pimentpfeffer, schwarzer Pfeffer, richtig Schärfe kommt aus dem Glas. Schon erstaunlich, wie sich ein Boden komplett ausdrücken kann im Geruch. Von den Rappen eine schöne Würze, eine leichte Vegetabilität kommt dazu. Etwas Wirsing, etwas Kohlrabi, Rosenkohl. Dann satte Orangenzesten. Was für ein schräges Elixier. Aber durchaus genussvoll trinkbar, durchaus viel Freude bereitend. Dekantieren bitte! Also nicht nur schräg, wie manch ein Wein aus Georgien. Nicht nur eine Erfahrung, sondern auch ein mit Freude trinkbarer Wein. Aber dieser hohe Eisenanteil, dieses Blutige und Karge, mit den Gewürzen und der starken Rappigkeit – selbst im Burgund finde ich das so nicht. Wahrscheinlich müsste ich den Wein erst im Jura verorten oder aus Arbois, das mag es eher treffen. Der Gaumen ist für Minuten belegt von diesem blutigen Gemetzel, von dieser Eisen-Anmutung mit Rappen. Das ist eine echt atemberaubend witzige Freakshow. Die Augen ziehen sich zusammen, die Zunge rollt sich. Diese wahnsinnige Frische und Würze… Trotzdem ist er ein schlanker, ein eleganter Wein. Die Tannine sind super geschliffen. Auch wenn Stein und Salz durchknallen, tun sie das nicht mit Fett, sondern leicht spröde. Ich bin völlig geflasht. Diesen Wein werde ich definitiv nach der Verkostung heute Abend mit nach Hause nehmen und zusammen mit dem Top-Rioja des gleichen Erzeugers genüsslich zu meinem Dinner genießen und weiter verkosten. Aber was kann ich kochen, um beiden Weinen gerecht zu werden? Ein Coq au Vin wäre vielleicht passend, oder vielleicht geht ein Wildgeflügel. Das wird ein großer Abend, weil es einfach ein großer Wein ist. 98-99+/100