Lobenberg: Die Nase des 2021er ist unglaublich tief und würzig. Wie schön, dass die Grenache dominiert und wie schön, dass der Wein kein Holz zeigt, sondern nur reiche, hochkonzentrierte und doch nicht fette Frucht. Ohne das ganze Holz ist das einfach nur ein hochintensives Konzentrat aus einer fast schwarzen Himbeere. Satte Lakritze dazu und Kräuter der Provence, Garrigue-Würze trotz kompletter Entrappung. Man mag im Glas versinken… Die Nase zeigt eine samtige, aber fast brachiale Intensität aus roter und schwarzer Frucht. Der Mund hat wieder die Dominanz von Grenache. Eingekochte, konzentrierte dunkle Himbeere, eingekochte Erdbeere dazu, Kirsche und Kalkstein, leichte Salzspur. Der Wein hat Frische, aber er hat eben auch massive Opulenz. Man merkt, dass wir hier im Süden sind, im Roussillon. Der Weinberg liegt nur auf 150 Metern Höhe. Die Frische kommt hier mehr aus der extrem hohen Fruchtreife als aus der hohen Säure. Syrah bringt das Tannin, Grenache die Frucht in diesen außergewöhnlich dichten, konzentrierten, üppigen Wein, der dank des geschickten Weglassens des Holzes voll auf der Frucht läuft. Fetter, üppiger Hedonismus, puristisch in der Frucht. Hochintensiv stehend für Minuten. Grandioser Stoff, aber verdammt viel Wein, ein Maul voll Wein. Vielleicht ein bisschen viel für den ungeübten Trinker. Ein echter Kracher mit butterweichem, samtigem Tannin und einer immens reichen Fruchtfülle und Farbe. 98-100/100 *** Die Bezeichnung V.I.T. bedeutet »Visitare Interiore Terrae« – ursprünglich ein Spruch der Freimaurer. Es geht um Vitriole, einen bunten Stein, den die Alchemisten in früheren Zeiten für den Stein der Weisen gehalten haben. Ein bisschen Esoterik, aber am Ende will es sagen, dass wir hier ganz im Ursprünglichen sind. Die Cuvée besteht aus 60 Prozent Grenache und 40 Prozent Syrah, die Reben sind 40 bis 50 Jahre alt und geben extrem kleine Erträge. Die Syrah steht auf Gneis, die Grenache komplett auf Kalkstein. Im Keller werden die Trauben zu 100 Prozent entrappt. Die Grenache wird im Stahl vergoren und ausgebaut, die Syrah in Beton und zu einem kleinen Teil im Barrique. Der 2021er ist bereits komplett biodynamisch zertifiziert.
Der Jahrgang 2021 stellt an der Rhône zweifellos einen Einschnitt in der Reihe der heißen, trockenen, mediterranen Jahrgänge dar, wie wir sie spätestens seit 2015 durchweg erlebt haben. 2021 erinnert viele Winzer im Rhônetal gar an die »guten alten Zeiten« vor 20, 30 Jahren – späte Lese, hohe Säurewerte und eine Phenolik wie es sie zuletzt in den 90ern gab. Ein Jahrgang der großen Emotionen, ein ständiges auf und ab der Gefühle: Die extreme Frostepisode vom 7. bis 9. April mit Temperaturen von teilweise fast -10°C betraf fast alle französischen Weinbaugebiete. Teilweise sorgte der Frost für einen kompletten Ernteausfall. Drei Wochen lang regte sich gar nichts in den Weinbergen des Rhônetals. Wie durch ein Wunder trieben viele Reben doch noch aus, aber nicht ohne Folgen: Die eiskalten Nächte brachten die Natur aus dem Gleichgewicht, der Wiederaustrieb verlief geradezu anarchisch, die Arbeit im Weinberg war extrem anspruchsvoll und verlangte den Winzerinnen und Winzern alles ab. Die erfreulichen Regenfälle während des gesamten Vegetationszyklus, die gemäßigten Temperaturen im Sommer und der goldene Herbst sorgten für ein großes Durchatmen. Am Ende wird 2021 nicht nur als Jahrgang der plötzlichen Wiedergeburt der Klassik, der Feinheit und Eleganz in Erinnerung bleiben, sondern auch wegen des immensen Aufwands – nur, wer 2021 alles gegeben hat, wurde am Ende mit ultrafeinen Weinen belohnt, wie wir sie seit Jahren nicht mehr im Glas hatten. An der südlichen Rhône ist 2021 ein Jahr der puren Trinkfreude. Alles ist sofort da, offen und so unglaublich fein. Die Alkoholgrade liegen rund 1,5 Prozent unter denen der vergangenen Jahrgänge. Sowohl die Weißen als auch die Roten sind hervorragend balanciert und bestechen mit guten Säurewerten und hoher Frische. Die Weine sind hocharomatisch, die Frucht ist schmeichelhaft und fast schon spielerisch-abgehoben. Eine Grenache voll auf der Pinot-Spur – wann gab es das zuletzt?! Die nördliche Rhône bringt 2021 einen Stil, den dort viele für nicht mehr möglich hielten: Extrem fein und verspielt, fast schon schwebend und mit einer genialen Frische ausgestattet. Ein Jahr für große Weißweine mit strahlender Aromatik und hervorragender Lagerfähigkeit, ein Jahr für herrlich klassische, stilvolle, delikate Rotweine mit betörend ätherischen Noten von Pfeffer und Veilchen und ultrafeiner, aber aufregender Tanninstruktur. All in all ist 2021 an der Rhône ein Jahr für Finessetrinker, für Liebhaber der Feinheit, der Frische und der Eleganz. Lange hat man sich nach solchen klassischen Jahren gesehnt. Aber klassisch mit einem genialen Twist, denn am Ende vereint 2021 mit seiner schlanken, hochfeinen Art und der genialen Duftigkeit und Aromatik das Beste von damals und heute. »Zurück in die Zukunft!« – das beschreibt diesen aufregenden Rhône-Jahrgang wohl letztlich am besten.