Lobenberg: Cornas ist immer 100 Prozent Syrah, by law, keine weißen Trauben erlaubt wie in Côte Rotie oder Hermitage. Biodynamische Weinbergsarbeit, Spontanvergärung. Der Wein stammt von den ersten Reben, die Alain Voge in 400 Metern Höhe gepflanzt hat. Die Reben sind also rund 30 Jahre alt und stehen auf purem Granit am Waldrand. Damals war das mehr als mutig, denn es galt als unmöglich in dieser Höhe große Syrah zu ernten, weil das Klima dafür in früheren Zeiten einfach zu kühl war. Heute ist es in einigen Jahrgängen ein großes Glück hier oben unterwegs zu sein. Es gibt diesen raren Stoff nur in Ausnahmejahren, bisher nur 2016 und 2019. Es ist der »neuste« Wein im Portfolio von Voge, Alain selbst hat ihn noch mit kreiert. In 2016 war dieser Stoff so extraordinär, so vertikal und berauschend, dass sie ihn unbedingt einzeln abfüllen wollten. Es gab diesen Wein bisher nur 2016, 2019 und jetzt wieder 2021. Er ist ein bisschen die Antithese zum Les Vieilles Fontaines, der immer der Powerstoff ist und den es in 2021 entsprechend auch nicht gibt, weil es kein Powerjahrgang war. Für den Chapelle Saint Pierre ist es der quasi perfekte Jahrgang, weil er genau das verkörpert: Eleganz, Zartheit, Frische. Diese Hochlage bringt eine Kühle und Finesse, die man für das wuchtige Cornas als untypisch erachten kann, aber es war genau das, was Alain Voge in Cornas gesucht hat: die Eleganz, nicht die Kraft. Der Chapelle Saint Pierre ist also sowas wie der der weingewordene Inbegriff der Vision von Alain Voge. Schade, dass der große Meister heute nicht mehr selbst schmecken kann, wie richtig er damit lag hier Reben zu pflanzen in diesem heutigen Klima. Aber immerhin den 2016er hat er ja noch erlebt. Wer auf echtes Cool Climate steht: there you have it! Es war eine sehr späte Lese, das heißt voll ausgereifte, samtig-weiche Tannine. Die Domaine hat dennoch recht wenig extrahiert, um den zarten Charakter des Jahres nicht zu overpowern. Schon das Parfüm ist allerfeinst. Minze, Stein und superschlanke, dunkle Frucht mit viel Cassis. Die Nasenhaare vibrieren vor Spannung. Der Mund kracht, und er kracht richtig, aus seiner mineralischen Strahlkraft. Irre Salzigkeit, Säure, Krautwürze, Lavagestein! Begleitet von einer selten dagewesenen Tanninqualität, was dieses Jahr so exzeptionell macht. Denn es ist schlank und kühl, rassig und pikant, aber total reif. Ein großer Finessestoff für Burgundertrinker aus dem für diesen Wein perfekten Jahrgang. 96-98/100
Der Jahrgang 2021 stellt an der Rhône zweifellos einen Einschnitt in der Reihe der heißen, trockenen, mediterranen Jahrgänge dar, wie wir sie spätestens seit 2015 durchweg erlebt haben. 2021 erinnert viele Winzer im Rhônetal gar an die »guten alten Zeiten« vor 20, 30 Jahren – späte Lese, hohe Säurewerte und eine Phenolik wie es sie zuletzt in den 90ern gab. Ein Jahrgang der großen Emotionen, ein ständiges auf und ab der Gefühle: Die extreme Frostepisode vom 7. bis 9. April mit Temperaturen von teilweise fast -10°C betraf fast alle französischen Weinbaugebiete. Teilweise sorgte der Frost für einen kompletten Ernteausfall. Drei Wochen lang regte sich gar nichts in den Weinbergen des Rhônetals. Wie durch ein Wunder trieben viele Reben doch noch aus, aber nicht ohne Folgen: Die eiskalten Nächte brachten die Natur aus dem Gleichgewicht, der Wiederaustrieb verlief geradezu anarchisch, die Arbeit im Weinberg war extrem anspruchsvoll und verlangte den Winzerinnen und Winzern alles ab. Die erfreulichen Regenfälle während des gesamten Vegetationszyklus, die gemäßigten Temperaturen im Sommer und der goldene Herbst sorgten für ein großes Durchatmen. Am Ende wird 2021 nicht nur als Jahrgang der plötzlichen Wiedergeburt der Klassik, der Feinheit und Eleganz in Erinnerung bleiben, sondern auch wegen des immensen Aufwands – nur, wer 2021 alles gegeben hat, wurde am Ende mit ultrafeinen Weinen belohnt, wie wir sie seit Jahren nicht mehr im Glas hatten. An der südlichen Rhône ist 2021 ein Jahr der puren Trinkfreude. Alles ist sofort da, offen und so unglaublich fein. Die Alkoholgrade liegen rund 1,5 Prozent unter denen der vergangenen Jahrgänge. Sowohl die Weißen als auch die Roten sind hervorragend balanciert und bestechen mit guten Säurewerten und hoher Frische. Die Weine sind hocharomatisch, die Frucht ist schmeichelhaft und fast schon spielerisch-abgehoben. Eine Grenache voll auf der Pinot-Spur – wann gab es das zuletzt?! Die nördliche Rhône bringt 2021 einen Stil, den dort viele für nicht mehr möglich hielten: Extrem fein und verspielt, fast schon schwebend und mit einer genialen Frische ausgestattet. Ein Jahr für große Weißweine mit strahlender Aromatik und hervorragender Lagerfähigkeit, ein Jahr für herrlich klassische, stilvolle, delikate Rotweine mit betörend ätherischen Noten von Pfeffer und Veilchen und ultrafeiner, aber aufregender Tanninstruktur. All in all ist 2021 an der Rhône ein Jahr für Finessetrinker, für Liebhaber der Feinheit, der Frische und der Eleganz. Lange hat man sich nach solchen klassischen Jahren gesehnt. Aber klassisch mit einem genialen Twist, denn am Ende vereint 2021 mit seiner schlanken, hochfeinen Art und der genialen Duftigkeit und Aromatik das Beste von damals und heute. »Zurück in die Zukunft!« – das beschreibt diesen aufregenden Rhône-Jahrgang wohl letztlich am besten.