Lobenberg: Ich habe zuvor den kleinen Bruder probiert, den Coudoulet de Beaucastel. Der Châteauneuf selbst zeichnet sich durch eine noch höhere Intensität in der Nase aus. Etwas weniger monogam, etwas komplexer. Die Pikanz steht vorne – die Nase springt von der Schlehe zu Sauerkirsche und roter Johannisbeere, dann zu dunkler Zwetschge und Schwarzkirsche. Schon in der Nase Sanddorn und etwas Estragon, aber sehr fein, deutlich feiner noch als der Coudoulet. Duftig – nur Riechen reicht schon! Eine ultraschicke Nase in hoher aromatischer Intensität. Der Mund zeigt etwas Chilischärfe und salzigen Grip unter der hochintensiven Schlehe-Sauerkirsch-Kombi. Darunter viel schwarze Kirsche. Ultrafeine Tannine, aber geniale Frische, der ganze Mund wird eingenommen! Der Wein ist lang und drückend, aber überhaupt nicht fett, sondern das Gegenteil davon. Ein schlanker, samtiger Hochgenuss mit viel Volumen und trotzdem schlankem Körperbau. Ungeheurer Schliff im Mund mit großer Länge. So ein elegantes, verspieltes Teil! Was für eine schicke Rolle rückwärts nach den üppigen Jahren 2015 bis 2020. Hier sind wir wieder in totaler filigraner Eleganz. So verspielt! Die Mourvèdre schwingt sich zu ungeheurer Feinheit auf – Finesse pur. Schlanker als die letzten Jahre, aber aromatisch eher noch aufregender, noch spannungsgeladener. Das ist reinstes Burgund, irgendwo zwischen Gevrey-Chambertin und Morey-Saint-Denis gelegen, mit einer fast vibrierenden, dramatischen Dynamik. Unendlich schick, eine große Freude! Nein, 2021 ist nicht größer als die Traumjahre davor, 2021 ist nur feiner und spielerischer und damit letztlich eleganter, burgundischer, Pinot-hafter. Wenn man sich mitnehmen lassen kann von dieser hocharomatischen, seidigen Eleganz, von dieser Pikanz, dann ist man hier genau richtig. Ich finde es ist ein großer, großer Châteauneuf-du-Pape. Blind hätte ich ihn gar nicht an die Rhône verortet. Ein Traum von einem Wein, ganz anders aber fast noch spannender als 2020! 100/100 *** Beaucastel hat mehrere Besonderheiten. Zuallererst ist es ein waschechter Biodynamiker. Aber das gibt es natürlich bei Vieille Julienne auch. Generell ist das im Châteauneuf allerdings noch eine richtige Ausnahme. Die nächste Besonderheit ist die Lage der Domaine. Sie liegt extrem im Wind, Mistral ohne Ende. Es gibt hier fast nie Probleme mit Fäulnis, deswegen ist die Biodynamie auch so einfach durchzuführen. Dazu kommt die große Schwerpunktsetzung auf die Rebsorte Mourvèdre. Wenn wo anders teilweise reiner Grenache läuft, ist Beaucastel schon noch auf einer Vielfalt aufgebaut. Zum Mourvèdre kommen Grenache, Syrah, Counoise, Cinsault, Terre Noir, Muscardin und Vaccarese. Alle Rebsorten werden hier separat vinifiziert, die Trauben werden zu 100 Prozent entrappt. Spontane Gärung in großen Fudern. Danach wird ganz sanft gepresst, der verbliebene Trester bleibt sogar feucht, wenn er in den Weinberg gefahren wird. Es wird also immer fast nur der erweitere Vorlaufsaft verwendet. Dieser Saft geht dann in ein weiteres Fuder, dort findet die Malo statt. In den Fudern bleibt der Wein für bis zu zwei Jahre. Die ganze Charge wird vor der Gärung ein bisschen gekühlt und circa fünf Tage vormazeriert. Früher wurde vor der Gärung mit heißem Dampf ein bisschen sterilisiert, was aber durch die extrem penible, saubere Arbeit, mit extremer Sortierung, nicht mehr nötig ist – im Gegenteil. Beaucastel ist ein einziger, zusammenhängender Weinberg, mit insgesamt 80 Hektar. Das Terroir ist überwiegend weißer Lehm und Kalkstein. Ein ähnliches Terroir wie in den besten Lagen des Barolo-Gebiets. Cannubi zum Beispiel. Ein einziger zusammenhängender Weinberg, mit homogenem Untergrund, ist also eine weitere Besonderheit von Beaucastel. Mourvèdre-Mistral-Terroir.
Der Jahrgang 2021 stellt an der Rhône zweifellos einen Einschnitt in der Reihe der heißen, trockenen, mediterranen Jahrgänge dar, wie wir sie spätestens seit 2015 durchweg erlebt haben. 2021 erinnert viele Winzer im Rhônetal gar an die »guten alten Zeiten« vor 20, 30 Jahren – späte Lese, hohe Säurewerte und eine Phenolik wie es sie zuletzt in den 90ern gab. Ein Jahrgang der großen Emotionen, ein ständiges auf und ab der Gefühle: Die extreme Frostepisode vom 7. bis 9. April mit Temperaturen von teilweise fast -10°C betraf fast alle französischen Weinbaugebiete. Teilweise sorgte der Frost für einen kompletten Ernteausfall. Drei Wochen lang regte sich gar nichts in den Weinbergen des Rhônetals. Wie durch ein Wunder trieben viele Reben doch noch aus, aber nicht ohne Folgen: Die eiskalten Nächte brachten die Natur aus dem Gleichgewicht, der Wiederaustrieb verlief geradezu anarchisch, die Arbeit im Weinberg war extrem anspruchsvoll und verlangte den Winzerinnen und Winzern alles ab. Die erfreulichen Regenfälle während des gesamten Vegetationszyklus, die gemäßigten Temperaturen im Sommer und der goldene Herbst sorgten für ein großes Durchatmen. Am Ende wird 2021 nicht nur als Jahrgang der plötzlichen Wiedergeburt der Klassik, der Feinheit und Eleganz in Erinnerung bleiben, sondern auch wegen des immensen Aufwands – nur, wer 2021 alles gegeben hat, wurde am Ende mit ultrafeinen Weinen belohnt, wie wir sie seit Jahren nicht mehr im Glas hatten. An der südlichen Rhône ist 2021 ein Jahr der puren Trinkfreude. Alles ist sofort da, offen und so unglaublich fein. Die Alkoholgrade liegen rund 1,5 Prozent unter denen der vergangenen Jahrgänge. Sowohl die Weißen als auch die Roten sind hervorragend balanciert und bestechen mit guten Säurewerten und hoher Frische. Die Weine sind hocharomatisch, die Frucht ist schmeichelhaft und fast schon spielerisch-abgehoben. Eine Grenache voll auf der Pinot-Spur – wann gab es das zuletzt?! Die nördliche Rhône bringt 2021 einen Stil, den dort viele für nicht mehr möglich hielten: Extrem fein und verspielt, fast schon schwebend und mit einer genialen Frische ausgestattet. Ein Jahr für große Weißweine mit strahlender Aromatik und hervorragender Lagerfähigkeit, ein Jahr für herrlich klassische, stilvolle, delikate Rotweine mit betörend ätherischen Noten von Pfeffer und Veilchen und ultrafeiner, aber aufregender Tanninstruktur. All in all ist 2021 an der Rhône ein Jahr für Finessetrinker, für Liebhaber der Feinheit, der Frische und der Eleganz. Lange hat man sich nach solchen klassischen Jahren gesehnt. Aber klassisch mit einem genialen Twist, denn am Ende vereint 2021 mit seiner schlanken, hochfeinen Art und der genialen Duftigkeit und Aromatik das Beste von damals und heute. »Zurück in die Zukunft!« – das beschreibt diesen aufregenden Rhône-Jahrgang wohl letztlich am besten.