Lobenberg: Die Rebsortenzusammensetzung ist hier 55% Cabernet Sauvignon und 45% Merlot. Der Ertrag liegt bei 40 Hektoliter pro Hektar, bei Dichtpflanzung sind das nur 500 Gramm je Weinstock. Nur 50% der Gesamterzeugung sind in den ersten Wein gegangen. Die Ernte erfolgte dieses Jahr noch später als letztes Jahr, denn es wurde bist zur letzten Oktoberwoche geerntet. Es konnte nach dem Septemberregen unheimlich lange zugewartet werden. Die Region hier, südlich der Stadt, ist etwas kühler als Haut Brion, die deutlich früher ernten. Die Trauben wurden nach der Ernte komplett entrappt. Dann wurde im Holz bei bis zu 28 Grad Celsius zwei Wochen lang fermentiert. Danach kam die Malo im Barrique, Ausbau dann 15 Monate im neuen Holz. Hier wird alles biologisch bzw. sogar zum Teil zertifiziert biodynamisch bearbeitet. Dieses kleine Weingut am Rande der Stadt Bordeaux, in der Nähe von La Mission Haut-Brion gelegen, ist historisch anerkannt und verbrieft schon eines der ganz großen Terroirs der Appellation. Mindestens seit 2009 ist Seguin auf dem Level der ganz großen Weine. Niemand spricht es aus, denn die Weine sind so viel unbekannter und preiswerter. Aber häufig ist Château Seguin dramatisch besser als die Weine der Nachbarn. Ich halte es nicht für ein Sakrileg, wenn man in manchen Jahren Château Seguin mit Château Pape-Clément mit Carmes Haut Brion oder mit La Mission in eine Gemeinschaftsprobe stellt. Der Jahrgang 2016 besitzt eine große Spannung. Ich habe schon einige 2016er probiert, Pape Clément, Carmes Haut Brion, viele große Weine und die Appellation Pessac Léognan (Pape Clément ist einer der nahen Nachbarn) ist in 2016, ähnlich wie in 2015, extrem begünstigt. Also war ich schon sehr gespannt. Und schon die Nase des Seguin erfüllt die Erwartungen voll. Er ist genauso voller Charme wie Pape Clément. Und der 2015er Seguin ist mir noch im Gedächtnis, einer der Überflieger des Jahrgangs. Und das ist der 2016er in der Nase auch. Wir haben eine unglaubliche Wolke von Charme. Darunter tolle Veilchen, helle Lakritze, Milchschokolade. Und dann diese immensen Massen von süßer Kirsche. Ganz feine süße Maulbeere, Eukalyptus, Minze. Aber alles sehr fein verwoben, extrem schwebend. Nur das riechen reicht. Ein bisschen kalter Rauch vom Ausbau. Etwas Schlehe sowie Cassis in ganz zarter Form. Nichts ist massiv, alles schwebt aus dem Glas in die Nase. Im Mund muss man erst mal innehalten. Das sind unglaubliche Tanninmengen, aber so unglaublich poliert und geschliffen. Das war bei Pape-Clément genauso. Das ist wirklich verblüffend. Ich bin ja mal gespannt, wenn La Mission kommt, ob das da noch drüber hinausgehen kann. Die Tannine sind kaum vorstellbar poliert und trotzdem massiv. Keine Ecken, Kanten und Rustikalität und trotzdem immenser Druck von schwarzer und roter Frucht. Aber alles ist ganz fein, ganz schwebend. Kirsche dominiert klar. Fast burgundisch in seiner Art. Aber für einen Burgunder letztlich dann doch zu druckvoll. Und irgendwie zu schwarz. Ganz stark kommt dann die Lakritze durch. Massiv den Mund dominierend. Die Milchschokolade wandelt sich langsam zu dunkler Schokolade, ohne jemals bitter zu werden. Dann kommen Schlehe, Wachholder, ganz stark Holunder, aber auch Johannisbrot. Das Ganze mit einer Lakritz-Cassis-Spur unterlegt. Und dann kommt die schwarze Kirsche mit der verbündeten Sauerkirsche und hüllt alles ein. Prägt es in einer salzigen, langen, ganz klar definierten Spur über die Zunge in einen mehrminütigen Nachhall. Das ist ein unglaubliche Feinheit und Präzision. Eine Delikatesse. Ich bin fast versucht ob dieser Präzision 2016 über 2015 zu stellen. Aber vielleicht stimmt es am Ende nicht, denn 2015, den ich danach probierte, ist so unglaublich erotisch und freundlich. 2016 ist etwas stylischer. Was sicherlich kein Nachteil ist. 2016 wird sicher Jahrzehnte überdauern. Ich sehe überhaupt kein Problem ihm 50 Jahre Lagerung zu geben. Und trotzdem ist der Wein jung schon so delikat und raffiniert. Das ist einer der großen Weine des Jahres und in Pessac Léognan ist er, bevor ich La Mission und Haut Brion probiert habe, auf gleicher Höhe mit dem grandiosen Pape-Clément. Noch ein bisschen vor Carmes Haut Brion und dem 2016 genialen Domaine de Chevalier. 98-100/100