Lobenberg: Der 2023er wurde Mitte bis Ende September gelesen. Er besteht zu 58 Prozent aus Cabernet Sauvignon und zu 42 Prozent aus Merlot. Der Alkoholgehalt liegt bei 13,7 Volumenprozent. Der Ertrag lag 2023 bei lediglich 28 Hektolitern pro Hektar. 20 Prozent unter dem Durchschnitt. Der Ausbau des 2023 ist etwas kürzer geplant als es noch beim 2022er der Fall war, weil man hier die Frucht und den Charme deutlich mehr in den Vordergrund rücken möchte. 2022 war ein Wein, der für Jahrzehnte ausgelegt ist. Obwohl Merlot in der Minderheit ist, ist der erste Angang in der Nase Merlot mit satter reicher, sehr reifer Pflaume, schwarzer Kirsche, süßer Maulbeere und einem Hauch Cassis. Langsame kommt mehr Cabernet durch, aber eine wunderbar süße Cabernet, eine reichhaltige, opulente. Ein bisschen kalifornischer Stil schiebt durch. Süß, reich und dicht mit schwarzer und süßer roter Frucht. Aber insgesamt sehr opulent, ohne fett zu sein. Es ist kaum Holz zu spüren. Was für ein fruchtiges, intensives, erotisches Ereignis in der Nase. Genialer Schub! Im Mund hat dann die Merlot nur noch wenig Chancen gegen die satte, reiche, kalifornische Cabernet, die mit so viel Vibration, Spannung und Dynamik in den Mund schießt. Sehr süße, dichte Waldhimbeere, dazu Erdbeere, Pflaume, Brombeere, Cassis und süße rote Johannisbeere. Dann kommen süße rote Kirschen und ein bisschen Sauerkirsche. Die Fruchtigkeit ist immens, der Mund wird komplett gefüllt. Alles bleibt haften von dieser erotisch-opulenten süßen Furcht, die so vibrierend daherkommt. Wunderbare frische zeigend, aber die Dominanz der dichten Frucht übertrumpft alles. Ein sooo reicher Wein und trotzdem hat er Frische und Finesse! Eine zarte Wuchtbrumme, wenn man diese Kombination so wählen darf. Aber voller Erotik... Der Nachhall steht für zwei Minuten. Eine Art mineralische Kalkstein-Salznote läuft über die Zunge. Lakritze kommt im Nachhall, auch intensive Veilchen-Blumigkeit und eine leichte Teernote. Das ist in diesem Jahr mein erster 2023er und wenn das das Jahr ist, dann bin ich hin und weg. Das ist berauschend schön, ohne die Langlebigkeit von 2022 zu haben, ohne ein Wein für die Ewigkeit zu sein. Trotzdem mit so hoher Intensität und einem Lecker-Gen alles auskleidend. Ein Lächeln schleicht sich ins Gesicht. Der Wein überwältigt in seiner erotischen Opulenz und fruchtigen Intensität. Topstoff für frühen Genuss. Stilistisch zwischen der Köstlichkeit von Domaine de Chevalier und Fieuzal und der Mineralität und Struktur von La Mission einzuordnen. Fünf Jahre wird man schon warten müssen. Aber wenn man 2022, 2020 und 2019 noch einmal in Ruhe in den Keller zurücklegt, kann man circa um 2028 bis 2030 diesen berauschenden Seguin mit Wonne genießen. Und während ich all dies spreche, sind alle Eindrücke im Mund noch präsent. Die lakritzige Fruchtbombe rollt immer wieder hoch. Ein sehr schicker, berauschender Wein! *** Château Seguin liegt in Pessac-Léognan, also inmitten starker ozeanischer Klimaeinflüsse. Die typische Komposition der Böden ist hier ein Sand-Kies-Gemisch. Die Böden sind identisch mit denen der Nachbarn Haut-Brion und La Mission Haut-Brion, das ist auch in historischen Büchern nachzulesen. Man findet hier minimale Einsprengsel von Lehm und Sand im Kies. Das Weingut umfasst 30 Hektar, die Reben stehen in Dichtpflanzung mit 7.000 Stöcken pro Hektar. Das ist sicherlich eines der Erfolgsgeheimnisse. Die Vergärung geschieht spontan, drei bis fünf Tage kalte Vormazeration, dann die Vergärung überwiegend im INOX-Stahl für 25 Tage. Die Malo dann im Holz. Der 12-monatige Ausbau erfolgt zu 75 Prozent in neuen Barriques, zu 25 Prozent in gebrauchten. Der Besitzer, Denis Darriet erzeugt den Erstwein nur aus den älteren Reben, die inzwischen über 30 Jahre sind. Trauben von sandigeren Böden gehen in den Zweitwein, jene von den Topböden, mit Kies und etwas Lehm, gehen in den Erstwein Seguin. Seit 2018 besitzt Château Seguin die höchste staatliche Zertifizierungsstufe im Bereich Umwelt. Der technische Direktor ist Xavier Moragues, der beratende Önologe Stéphane Derenoncourt.
Bordeaux 2023 aus Expertensicht über ein reifes und früh trinkbares Jahr mit elegantem, schmeichelndem und seidigem Tannin, hohem Genussfaktor und saftigem Trinkfluss: Stephane Derenoncourt, Önologe, Consultant am rechten und linken Ufer, Winzer, eine lebende Legende in Bordeaux: „Überall waren die Tannine reif und von hoher Qualität. Die Trauben zeigten die volle technologische und phenolische Reife. Die Weine dieses Jahrgangs sind insgesamt harmonisch und dynamisch.“ *** Thomas Duclos, führender Berater und Önologe des rechten Ufers: „Bei dem Jahrgang 2023 haben wir ständig Neues entdeckt. Es würde mich nicht überraschen, wenn sich in ein paar Jahren einige 2023er den 2022er Weinen als überlegen erweisen. Der Jahrgang 2023 ist sehr schmeichelhaft: Wir haben eine angenehme Weichheit im Abgang, ohne Schwere, elegante Texturen, überraschend seidig...“ *** Axel Marchal, führender Önologie-Professor der Universität Bordeaux: „Trotz der extremen Wetterbedingungen sind in dem Jahrgang 2023 Weine mit einem guten Gleichgewicht und schönen Säurenoten entstanden. Die Weine sind sehr angenehm, zwar nicht von immenser Konzentration, aber köstlich, rund und fruchtig.“*** Michel Rolland, Önologe und Weingutsberater und ein Bordeaux Urgestein: “The aromatic potential was good, with excellent aromatic intensity and ripe fruit flavours. 2023 is a vintage without excess and opulence. Enjoyable, delicious and easy-to-drink!!