Lobenberg: Der Ire Frank Phélan vereinte Anfang des 19. Jahrhunderts die beiden bis dahin unabhängigen Güter „Clos de Garramey“ und „Château Ségur“ zu einem Anwesen, dem malerisch gelegenen Château Phélan Ségur. Das Anwesen umfasst 65 ha. Die Reben sind im Durchschnitt 45-50 Jahre alt. Phélan Ségur hat in den letzten 10 Jahren unheimlich viel in die Weinberge investiert. Michel Rolland ist hier Consultant, was dazu führt, dass im Weingut mehr auf die Reife gesetzt wird. Dies Reife erreicht man allerdings nicht ohne eine dichtere Pflanzung um den Einzelstockertrag zu minimieren, und durch mehr biologische Weinbergsarbeit um gesündere Stöcke mit früherer Reife zu erhalten. Auch wird selbstverständlich per Hand gelesen. Die Beeren werden komplett entrappt und nochmals mit einer optischen Laser-Sortiermaschine nachsortiert. Nur die wirklich reifen Beeren kommen letztlich in die Kelter. Der Ertrag pro Pflanze sinkt hier absichtlich von Jahr zu Jahr. Phélan Ségur hat schon vor einigen Jahren als Regisseurin die aus der Champagner-Branche bekannte Veronique Dausse geholt. Sie ist eine wirklich qualitätsversessene und konsequent arbeirende Direktorin. Weinberge, die nicht der Perfektion entsprechen, gehen in Zweit- und Drittweine. Phélan Ségur ist seit Jahren der engste Verfolger von Calon Ségur, zusammen mit Le Boscq und Meyney, aber meistens noch vor diesen beiden. Die Nase dieses schwarzvioletten Phélan Ségur 2019 kommt so archetypisch für dieses Château und auch für Saint Estephe rüber, wie man es sich kaum vorstellen kann. Eigentlich greift er die Nase von Château Cos d´Estournel auf, obwohl es nicht der nächste Nachbar ist. Ganz satte, schwarze Beeren. Reife Brombeeren und Maulbeeren. Man merkt die Laser-Sortiermaschine – hier ist überhaupt nichts Grünes vorhanden. So eine unglaubliche Wucht. Auf Pumpernickel geschmierte Maulbeer- und Brombeermasse mit Cassis. Hohe Intensität. Dazu eine leichte Minze- und Eukalyptusnote. Auch satte, aber süße Lakritze. Das klingt wuchtig, aber gleichzeitig ist die Nase auch fein und beschwingt. Schon jetzt etwas Salz ausstrahlend. Orangenabrieb an der Seite. Ein bisschen Koriander und Garrigue-Würze, Teer. Im Mund kommt als erster Schwung satte schwarze Waldbeere. Aber fast gleichzeitig – im Mundeintritt sogar überholend – eine geniale Frische. Hat man nach der Entrappung und Sortierung etwa reifen Rappen wieder zugegeben? Schmeckt so genial danach. Eine wunderbare Fruchtsäure, unterlegt von Salz und Gestein, die sich immer weiter in den Vordergrund schieben. Viel Zitrusfrische und Orangenabrieb. Das Ganze auf Brombeere, Schlehe und Sauerkirsche liegend. Salz, aber das Ganze auch erstaunlich fein und verspielt. Die Zunge bleibt für Minuten belegt. Der Wein hat Druck, aber er ist überhaupt nicht fett. Das ist eine Finesse, die ich von der Nase nicht vermutet hätte. Und trotzdem hat er eine gaumen- und zungenbelegende Intensität, die ihresgleichen sucht. Wie kann etwas so kraftvoll schwarz, intensiv, typisch Saint-Estèphe sein und gleichzeitig so fein, so elegant und verspielt? Der Wein braucht auf jeden Fall lange Zeit und wird nach 10 Jahren anfangen ein extrem eleganter und finessenreicher Saint-Estèphe zu werden. Ein riesiger Oszillograph von dieser wirklich immensen Frische mit einer leichten Chilischärfe darunter, mit Zitronen- und Orangenabrieb, und dieser intensiven, mineralisch unterlegten Frucht. Ein eleganter Riese und der beste Phélan Ségur, den ich bisher probiert habe. Im Nachhall kommen noch einmal Maulbeere, Schlehe und recht deutlich salzige Lakritze. Ich hatte Meyney und Le Boscq noch offen stehen und somit das Glück, die drei nebeneinander zu probieren. Da sind wir dreimal ziemlich weit vorne in diesem Jahr, ein riesiger Jahrgang für Saint-Estèphe. Aber Phélan Ségur ist doch einen Punkt vor diesen beiden anderen. Toller Stoff, faszinierend! 97-98/100