Lobenberg: Weit ab von der Gironde, auf dem „Bages-Plateau“, liegt Château Grand Puy Lacoste. François-Xavier Borie lebt mit seiner Familie auf dem Gut und beaufsichtigt persönlich die Pflege der fast 55 Hektar Rebfläche und die Kellerarbeit. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es trocken, dann gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings keinen einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Zumal Mitte August circa 80 Millimeter Regen fielen. Ende August nochmal 15 Millimeter. Danach war es den ganzen September über trocken. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Die Weinberge von Château Grand-Puy-Lacoste haben eine sehr gute Drainage. Unter einer 2 bis 5 Meter dicken Kieslinse befinden sich Lehmböden. Also bei Trockenheit, wie sie seit 2015 in den mediterranen Jahren ja immer vorherrscht, eigentlich ein perfektes Terroir. Gut bei zu viel Regen, aber genauso gut geeignet bei Trockenheit. Der 2020er besteht aus 76 Prozent Cabernet Sauvignon und 24 Prozent Merlot. Gelesen wurde zwischen dem 14. und dem 26. September. Der Wein wurde spontan im Edelstahl vergoren und anschließend im Barrique ausgebaut, 75 Prozent Neuholz. Das Besondere bei Grand-Puy-Lacoste ist die extreme Dichtpflanzung von 10.000 Stöcken pro Hektar. Das heißt, dass der Ertrag pro Pflanze bei deutlich unter einem Kilo liegt. Es wurden nur 31 Hektoliter pro Hektar geerntet. Der pH-Wert liegt 2020 bei 3,72, die Säure ist recht mild. Wir haben quasi die identischen Werte wie 2019, allerdings kommt 2020 mit extrem hohen Tannin-Massen, die aber komplett poliert und reif sind. Es scheint als sei 2020 geringer in der Säure, was aber nicht der Fall ist. Aber 2020 ist einfach klassisch und gleichzeitig extrem reif und hedonistisch, in seinem kühlen Mundgefühl. Die Nase wird dominiert von viel roter Frucht. Intensive Schattenmorellen mit etwas Himbeere. Grandioses Leckerli in der Nase, schön duftig, hocharomatisch. Cabernet in einer Form, wie sie perfekt ist. Nämlich reife Cabernet. Und trotzdem mit den Biss und den Grip der Sorte behaltend. Also nicht komplett kalifornisch zerfließend, sondern immer noch eindeutig als Bordeaux, ja sogar als Pauillac, erkennbar. Der Mund kommt mit einer wahnsinnigen kühlen, frischen Frucht rüber. Rote Frucht, wieder Himbeere, Erdbeere und Schattenmorelle. Grandiose Frische im Mund und trotzdem eine hohe Reife. Lecker und gleichzeitig aufregend. Hier dem 2019 schon relativ nahekommend. Verglichen mit dem klassischen 2016er etwas mehr Aufregung, etwas mehr Spannung ausstrahlend. Großes, klassisches Jahr für Grand-Puy-Lacoste. Ein ziemlich perfekter Pauillac von der rotfruchtigen Seite. Weich, reif und trotzdem kühl im Trunk. Spannend bis zum letzten Nachhall in feinem Honig, mit Salz und pinker Grapefruit. Ein Wein für die Freude. Sehr schick! 97-98+/100