Lobenberg: Giscours ist ein 90 Hektar großes Weingut in Margaux. Eine spektakuläre Lage direkt am südlichen Anfang der Appellation. Typische Garonne Kiesböden mit tiefer Drainage, auch Lehm. In 2019 gibt es aufgrund der hohen Reife einen sehr hohen Cabernet-Anteil von 65 Prozent. Der Rest ist Merlot. Im Keller spontane Gärung, der Ausbau geschieht zu 50 Prozent in neuen Barriques, zu 50 Prozent im gebrauchten Holz. Der Direktor ist wie bei Château Du Tertre Alexander Von Beek, der Besitzer ist der holländische Investor Eric Albada Jelgersma. Seit der Übernahme des Weinguts wurde fast unanständig viel Geld investiert. Die Weinberge stehen in Dichtpflanzung. Auch dadurch werden die Erträge stark reduziert. Pro Stock sind das dann nur etwa ein halbes Kilo Trauben. Giscours steht seit einiger Zeit sicherlich zusammen mit oder oft auch vor Malescot St. Exupery nur noch ganz knapp hinter Rauzan-Ségla, manchmal sogar auf gleichem Level. Nur noch Margaux und Palmer liegen allein ganz oben. Klimatisch warme Jahrgänge wie 2015, 2016, 2018 und 2019 liegen diesem kühlen Terroir unglaublich. Und so ist Giscours in warmen sonnigen Jahren einer der Megastars der Appellation. Die Nase des 2019er ist dicht und aromatisch. Sie beginnt mir Pumpernickel und satter Schwarzkirsche. Aber auch schon in der Nase würzige Schlehe, Eukalyptus und Minze. Orangenzesten, ein bisschen Blut und darunter etwas Cassis und Brombeere. Sanddorn. Hohe Intensität und gleichzeitig unglaublich stylisch. Super strukturiert, geradeauslaufend, definiert. Da ist nichts Zerfaserndes, das ist alles immer definiert und schön geradeaus. Das ist Margaux, wie Margaux nicht besser sein kann. Ich bin dann völlig geflasht von diesem Mund. Denn er greif nicht nur die Nase wieder auf, sondern bringt eine zusätzliche rotfruchtige Komponente. Ganz viel Schlehe, Sauerkirsche, süße rote Kirsche. Was für ein würziger Mund… Fast so, als seien die Trauben nicht vollständig entrappt worden. Etwas burgundisch, etwas Dujac-artiges im Mund. Ganz tolle Salzspur daneben, provenzalische Kräuter, Estragon, Thymian. Das Ganze in einer karamellig-salzigen Spur endend. Etwas Sanddorn, wieder etwas Schlehe, Sauerkirsche, Himbeere und rote Kirsche im Finale. Der ganze Mund tänzelnd von diesem Wechselbad der Gefühle, von dieser roten Frische, die sogar etwas mit Grapefruit und Zitrone unterlegt ist, bis hin zu dieser reifen Frucht. Das Ganze mit einem leicht bitteren Touch der präsenten, aber nicht spröden Tannine. Sehr poliert, sehr feinkörnig, aber auch sehr viel Charakter zeigend. Das ist ein großer Margaux, der sicherlich 10 Jahre Zeit braucht. Das ist sowohl stilistisch als auch qualitativ ohne Frage auf gleichem Level mit Rauzan-Ségla. Mit Margaux und Palmer kann man ihn nicht vergleichen, weil auch die Stilistiken so ganz anders sind. Das hier ist ganz groß, ganz klassisch, ganz lang und intensiv. Das dritte Gewächs schickt sich an, die Qualität der zweiten Gewächse dauerhaft zu okkupieren. Mit 2019 greift Giscours den großartigen Erfolg aus 2016 wieder auf, das für mich noch vor 2018 bisher das größte Jahr war. 2019 kann das definitiv halten, ist vielleicht im unteren Punktbereich noch einen Punkt sicherer. Auf jeden Fall ein riesiger Wein! 98-100/100