Lobenberg: Es gibt eine spezielle Parzelle auf Chateau Coutet, die Cuvée Demoiselle heißt, das sind zwei kleinen Plots aus den höchsten Lagen, nur 0,85 Hektar reiner Kalksteinfelsen ganz oben auf dem Plateau direkt neben Beausejour Duffau. Nur mit dem Pferd gepflügt. 28 Hektoliter pro Hektar. Es sind die ältesten Reben des Hauses, sogenannte „octogenarian“ wines, schon 1453 im Jurade Buch Saint Emilions erwähnt, im Durchschnitt 87 Jahre alt, ein Teil über 80 Jahre, ein anderer Teil über 100 Jahre alt, 50% Bouchet (uralte Cabernet Franc) und 50% Merlot (sogen. Red-tailed Merlot), aber nur die spezielle, uralte Form der Merlot mit winzigen Beeren und rotem Saft auch ohne Schalenkontakt. 2019 werden lediglich 3200 Flaschen erzeugt. 14 Grad Alkohol. Diese Supercuvée wird exakt gleich auch in eine Spezialflasche mit verschweißtem Glas gefüllt. Dann kostet er allerdings 300. Das ist der gleiche Wein. Ein Wein der für Jahrhunderte weggelegt werden soll. Lassen sie uns bei der normalen Flasche bleiben. Diese 50/50 Cuvée aus den ältesten Reben vom besten totalen Bio-Terroir in Saint-Emilion ist schon sehr speziell. Der Wein wird komplett im Holz vergoren und bei der Mazeration extrem lange auf den Schalen belassen. Es wird alles ohne pumpen bewegt, und nur mit den Füßen getreten und gequetscht. Der Wein verbleibt dann bis zum folgenden April im großen Holzfuder und wird erst dann in Barriques gefüllt. Demoiselle wurde 2017 erstmals umgestellt auf eine Entrappung per Hand. In Italien bei Altare nennt man das uno per uno. Hier wird wirklich über zwei Tage mit einem Team von 80 Leuten (Freunde des Hauses, Gastronomen, Händler) jede einzelne Traube von Hand entbeert. Es gibt kein einziges grünes Element und auch keinerlei Überreife oder Fäulnis. Das ist die Quintessenz aller optischen Sortiermaschinen. Perfekter geht es nicht. Jede einzelne Beere wird gesichtet und über sie entschieden. Das ist neben dem Rebalter, der Rebsorten und der speziellen Parzelle ein weiterer Grund, weshalb Demoiselle nochmals so viel weicher und in seiner abgehobenen Art extremer ist. Es gab 2019 keine Schäden durch den Frost. Da der Reifezustand zur Ernte so perfekt und der Gesundheitszustand so sensationell war, konnte dann vom 27. September bis zum 2. Oktober Plot für Plot einzeln gelesen und vergärt werden. Immer im optimalen Zustand. Zu erwähnen ist auch, dass seit 2017 das neue beratende Önologie-Team mit Valerie Lavigne zuständig ist für den Weinberg und Keller. Sie ist die frühere Assistentin des leider 2019 verstorbenen Denis Dubourdieu, sicherlich einer der berühmtesten Weinmacher Bordeauxs überhaupt. Er beriet die kultigsten Weingüter. Und Valerie macht nach seinem Tod das Ganze jetzt mit einem neuen Partner, und sie ist jetzt hier eben auch Beraterin auf Coutet. Demoiselle 2019 hat 30% neues Holz gesehen und 70% gebrauchtes Barrique. Und wenn der normale Coutet in Nase und Mund schon old-fashioned war, dann ist der Demoiselle das trotz der kleinen Barriques noch in viel stärkerem Ausmaß. Was wir hier aus dem Glas bekommen ist aus anderen Jahrhunderten. Und wenn der normale Coutet eine Komposition ist, die noch in gewisser Weise an Burgund, Chateauneuf und an Loire erinnert, so sind wir hier außerhalb eines gewöhnlichen Assoziations-Rahmens. Würzige Zwetschge, Sauerkirsche und ein kleiner Hauch Jod und Blut, viel Eisen, Mineralität, brutal würzige Himbeere und Schlehe, Erdbeere in dunkelreifer, konzentrierter Form, Rote Bete. Ganz anders als der zarte Coutet ist die Demoiselle nicht nur schwarzrot und undurchsichtig, sondern ungemein konzentriert, aber das ganz ohne Fett oder Holz, sondern nur dichte Frucht, rote Grütze in dunkelbeeriger Form. Wo ist die zugehörige Vanillesauce? Der Mund ist fast dramatisch in der Fruchtkonzentration, eine Orgie in Schlehe, Sauerkirsche, Himbeere, Blut, Eisen, seigne gebratenes halbrohes Fleisch. Große frische Pflaumen als Konzentrat, alles zieht sich zusammen. Und jetzt kommts: Nichts ist fett. Kein hartes Tannin, nur dichter, voluminöser Samt und Seide im Gerbstoff, der ja sowieso gegen die staubtrocken-unsüß-konzentrierte Frucht keine Chance hat. Kein Holz, keine Vanille. Aber eine schwarzteerige lakritzige Holzkohle-Unterlage unter dieser hykerkonzentrierten Frucht. Ich bin ja durchaus ein Jungweintrinker, ein Primärfrucht-Junky, aber das ist mir viel zu viel, die Flasche muss man zu zweit teilen, alle Geschmacksknospen sind belegt. Sauerkirsche, Himbeer-Erdbeer-Konzentrat, Kalkstein, Eisen, Blut, Rote Bete haften klebend auf Zunge und Gaumen. Ein Wein für Vampire. Brutal puristisch. Werde ich die nächsten Stunden ohne jetzt einen doppelten Espresso zu trinken überhaupt was anderes schmecken als diese frische, hyperkonzentrierte, überhaupt nicht süße Fruchtbombe, die überhaupt garkeinen Kompromiss versucht? Der normale Coutet war schon im Grunde kein Bordeaux. Dieser Wein ist selbst für mich soooo anders. Der ist nicht brutal, der ist nicht überextrahiert, der ist keineswegs überholzt, der ist kein Tanninmonster. Ich glaube der muss erstmal 10-15 Jahre weg in den kalten Keller. Warnung vor diesem Elixyr! Nur etwas für „Anders-Trinker“. Das ist einfach ein Viel-Wein. 100+/100