Lobenberg: Ein Weingut am Rande der Appellation zu Saint Emilion, mit weniger als 15 Hektar Anbaufläche, dessen Kern eine nur 0,85 Hektar große Zelle ist, bestockt mit bis zu 150 Jahre alten, wurzelechten Reben, Prephyloxera, Doppel-Guyot. Direkter Nachbar ist Eric Jeanneteau von Tertre de la Mouleyre aus Saint Emilion. Merlot, Malbec, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Über einer Eisenauflage auf reinem Kalkstein gelegen, biologische Bearbeitung, Gras- und Kräuter-Bewuchs. Die Lehmauflage über dem reinen Kalkstein ist etwa 30 cm dick. Der Ertrag ist auf Grund des hohen Alters der Reben extrem gering, ganz natürlich unter 25 Hektoliter pro Hektar. Unter 500 Gramm wenige kleinste, stammnahe Träubchen per Pflanze. Alles wird in Handarbeit erledigt und auf einem Tisch händisch sortiert und händisch entrappt. Ein Aufwand, welchen sich ein großes Weingut gar nicht leisten könnte. Die Lese entspricht allen biologisch arbeitenden Winzern, und dank des geringen Kupfereinsatzes und der frühen Reife erfolgt die Lese wie bei Clos Puy Arnaud in der Regel schon im September. Der alte Weinberg ist mit 6.500 Stöcken pro Hektar bepflanzt. Das Weingut ist inzwischen auch biozertifiziert. Der Weinberg steht in der Gemeinde Saint-Philippe-d’Huile. Die Bio-Zertifikation gilt seit 2012. Der Önologe ist Claude Gros. Besitzer sind Pascal und Sophie Lucien-Douteau. Die Rebsorten-Zusammensetzung ist aufgrund des gemischten Satzes der 150 Jahre alten Reben nicht haargenau festzulegen, auf jeden Fall Cabernet Franc vor Merlot. Die Weine werden im Zement, aber auch im offenen 30-Hektoliter-Inox-Stahltank für 20 Tage vergoren, nur sanftes, händisches Runterdrücken der Kappe. 15% der Cabernet Franc unentrappt, danach zusammen im 500-Liter-Stockinger-Tonneau und 600 Liter Bordelaiser Holz ausgebaut. Sie bleiben 1 1⁄2 Jahre ohne Bâtonnage in diesen Fässern. Unberührt bis zur Abfüllung. Der Holzeinsatz ist zu 20 % in neuen und 60 % in gebrauchten Tonneaus sowie zum kleineren Teil in 300-Liter-Fässern, 20% im Tank. Seit 2018 gibt es ein paar kleine neue Plots aus St. Genes Castillon dazu, 60 Jahre alte Cabernet Franc und Merlot, insgesamt gibt es somit nun in 2019 sogar knapp über 6000 Flaschen Clos Louie, es bleibt aber immer noch ein rares Elixier. Es gibt nun in etwa 35% Cabernet Franc, 35% Merlot, 15% Cabernet Sauvignon und 15% Malbec. Die Nase des 2019 kommt mir schon etwas bekannt vor, seltsamer Weise haben die besten Weine eines Jahrgangs immer eine Übereinsimmung typischer Jahrgangsdüfte. In 2019 ist das Blutorange und Sanddorn. Dahinter Pumpernickel. Würze und tiefe erdige Kraft. Schwarze dichte Frucht mit Cassis, Holunder, Lakritze, Schwarzkirsche, Maulbeere, getrocknete Blaubeerschalen obsiegt über Schlehe, Sauerkirsche, Minze und Eukalyptus. Power und Kraft ohne Fett aber mit unglaublicher Spannung und Dichte, vibrierend, eher samtige denn seidige Tannine, grandiose Frische. Überhaupt keine Cabernet-Paprika, eher kalifornische Ausprägung mit der atlantischen Frische und einem jahrgangstypischen Schwarzoliven- und Angostura-Bitterton und einer leichten Tabasco-Schärfe dazu. Diese hier genannten Eigenschaften ziehen sich durch den Clos Louie, in mal mehr mal weniger starker Ausprägung aber auch schon so probiert im best ever Smith Haut Lafitte, im Seguin, im Fonroque. Mir wird immer klarer was für ein abenteuerlich gutes Jahr wir mit 2019 haben. Leser, Freunde, Genießer: Ich probiere hier den besten Wein Castillons, ein Kleinod der extraterrestrischen Handarbeit aus uralten, wurzelechten Reben. Ich probiere jetzt gerade nicht Ausone, Evangile, Tertre Roteboeuf oder Cos d’Estournel, auch nicht Ridge Monte Bello oder Shafer Hillside Select. Aber ich bin hier genau in einer ganz hohen Liga. Wenn ich das in meinem Club erzähle…..tssss….Im Mund drehen sich die Verhältnisse um: Schlehe, Blutorange und getrocknete Sauerkirsch-Schalen verblasen die Schwarzkirsche, Cassis, Brombeere mit so gar nicht erwarteter Intensität von Frische und rasiermesserscharfen roter Frucht-Präzision. Die Chili-Schärfe kommt durch, Angostura aus der Malbec bleibt stehen, Merlot-Süßholz kämpft mit roter Cabernet Sauvignon-Kirsche und Johannisbeere und der Cabernet Franc-Himbeere. Was macht den Unterschied zu 2018? 2018 war über allem harmonischer und schicker, 2019 ist etwas spannungsgeladener und auch aufregender, aber auch anstrengender, herausfordernder. Als Burgunderfreak, der ich die entrappte Finesse eines Jean Grivot über die unentrappte Aufregung und gewollte Kratzbürstigkeit eines D’Eugenie oder Prieuré Roch setze, möchte ich den extrem charmanten 2018 vorziehen, anderen wird der weniger liebe, aufregendere 2019er zufliegen. Ein soooo grandioser Wein im immer noch sehr bezahlbaren Bereich. Castillon vom anderen Sten in beiden Fällen. 100/100