Lobenberg: 90% Merlot, 9% Cabernet Sauvignon, 1% Cabernet Franc. Die Cabernet Sauvignon ist ungefähr 60 Jahre alt, die Merlot zum Teil jünger und zum Teil viel älter. Hier auf Sand und Lehm gedeiht Cabernet Sauvignon hervorragend, die Cabernet Franc eher nicht. Schwarz-Rubinrot, sehr dicht. Die Nase hat eine unglaubliche Fülle von süßer roter Kirsche, aber auch ein großer Blumenstrauß dazu, ein Hauch Veilchen nur, mehr ein Wiesenstrauß, mehr auch süße Pakistani Night, süße Cassis und Maulbeere, aber alles ätherisch fein, nichts Fettes, dann diese verspielte Schwarzkirsche, welche sich langsam durchsetzt, aber ultrafein bleibt. Trotzdem ist das Ganze irre dicht, nur eben nicht fett und breit, sondern extrem fein. Der Mund wird im ersten Anflug von der Cabernet Sauvignon beherrscht. Wir haben feinste rote Johannisbeere, Schlehe, Sauerkirsche, ganz viel Salz und steinige Mineralität. Der Mund zieht sich zusammen, die Augen werden schmal. Das Ding hat unglaublich viel Grip und Zug. Wir sind nur gut 100m weg von Eglise Clinet und Château de la Vieille Eglise, und trotzdem haben wir einen völlig anderen Wein. Wir sind weg von dieser absolut zärtlichen Schwarzkirschen-Verspieltheit, sondern bei einem Wein mit richtig viel Kraft, mit klar gezeigter Tanninstruktur, die aber seidenweich ist. Das ganze ist eher so, wie man es in vielen Jahren bei Château Figeac erlebt hat mit der Cabernet-Orientierung, nur das Figeac in 2015 eben ein total verspieltes Finesseteil ist und Clinet deutlich mehr Power zeigt. Dieser Clinet ist dennoch erotisch, feminin und hat zugleich Cabernet-Zug, Druck, immense Länge, er weilt für Minuten. Mit was vergleiche ich ihn? Vielleicht sogar ein bisschen mit Vieux Château Certan in seiner rotfruchtigen Ausrichtung, aber mit höherer Intensität. Die Säure ist intensiver, die Schlehe und viel Sanddorn… alles kommt deutlich und bleibt trotzdem fein. Bei der dritten Verkostung präsentiert sich Clinet von mal zu mal noch besser. Der Kirschmund baut noch mehr auf, die Kraft nimmt zu, was zwar am ersten Tag ein großer Wein war, aber eine kleines Loch im feinen Finale hatte, zeigt sich am zweiten Tag in seiner rotfruchtigen Reichhaltigkeit durch die Cabernet, dann doch sehr viel charmanter. Ein Wein, der in seiner Cabernet-Ausrichtung speziell in 2015 fast untypisch ist für Pomerol und für das rechte Ufer. Für einen St Emilion wäre er viel zu schlank und fein und poliert. Für einen Pomerol eigentlich zu dicht, spannungsgeladen rotfruchtig. Wo gehört er hin? Er ist auf jeden Fall groß, darüber brauchen wir nicht streiten. Er ist ein Unikat, einer der großen Allzeit-Clinets und am Ende gehört er dann doch zu den ganz großen Pomerols des Jahrgangs. 98-100/100