Lobenberg: Das junge Ehepaar Barraud arbeitet auch bei anderen Weingütern, Richard ist der Weinbergsmanager von Haut Batailley in Pauillac. Die beiden Enthusiasten haben ihre 3,5 ha Rebberge im Médoc, nördlich von Pauillac, erst 2006 in Betrieb genommen. Chateau Carmenere, im obersten Bereich des Medoc gelegen, ist inzwischen drei Jahre im Besitz einer optischen Nachsortiermaschine, die im oberen Qualitätsbereich schon länger bekannt ist. Lasergesteuerte Aussortiermaschine per Luftschuss. Diese gebrauchte Maschine kommt von Ducru Beaucaillou, die sich neuere Technik gekauft haben. Dies führt, zusätzlich zur händischen Auslese, zu weiteren 10% Ausschuss nicht vollreifer Beeren. Die Perfektion schreitet weiter voran. Extreme Weinbergsarbeit in Verbindung mit einer extremen Handauslese mit nachträglicher optischer Auslese. Dieses kleine Weingut von Richard Barraud ist zusammen mit Clos Manou der absolute Superstar des gesamten Médoc und Haut Médoc. Man muss sich zwischen den beiden entscheiden, wer denn die Nummer eins ist, doch eigentlich muss man das gar nicht, weil die Stilistik jeweils anders ist. Dieses Weingut wird seit vielen Jahren vom Superstar der Médoc-Berater Eric Boissenot beraten, der auch alle Premier Crus betreut. Bei der Verkostung haben wir dann auch mit Marco Balsimelli, einem leitenden Mitarbeiter vom Büro Boissenot, zusammen probiert. Die Rebsortenzusammensetzung ist 54% Cab. Sauvignon, 32% Merlot und ein hoher Anteil von 14% Carmenère. Der Ertrag war etwas über 40 hl/ha, die Ernte zog sich vom 1. bis zum 13. Oktober hin. Im späten Frühjahr ging zwar etwas durch Mehltau verloren, aber das Ganze war überschaubar, alles wurde sauber aus dem Weinberg geholt. Am Ende haben wir eine relativ normale Ernte mit jahrgangsspezifisch kleinen Beeren und hoher Konzentration. Dieser warme Jahrgang und diese hohe Konzentration bekommen Carmenère unglaublich gut, weil wir hier oben im Médoc so viel Frische haben. Hochreif, sehr konzentriert, unglaublich dichte Nase, wuchtig, aber nicht fett. Die Lakritze ist nicht die Dominante, sondern eher die schwarze Frucht. Schwarze Kirsche, sehr viel süße Maulbeere, Schlehe von der Carmenère, auch ein wenig Blaubeere, typisch für Carmenère. Das ist wirklich unglaublich dicht, schon in der Nase so eine aromatische Wucht. Und man muss sich das vor Augen führen, wir sind im Médoc, wir haben hier keinen Topwein aus Saint Estèphe vor uns. Der Mund steigert das Ganze dann nochmal, so unglaublich reif, die Frische kommt aus der enorm reifen Frucht. Aber auch hier die Lakritze sehr moderat, blumig, Veilchen, Rosenblätter, auch helle Blüten. Das ist echt schick und getragen, dazu extrem feines, seidiges Tannin, nichts Hartes. Die irre Konzentration wird von dieser tänzelnden Eleganz getragen. Große Finesse und trotzdem immens konzentrierte, dunkle Frucht. Diese eingekochte Schwarzkirsche, ein wenig Backpflaume, aber noch mehr süße Brombeere, etwas Blaubeere. Das klingt jetzt nach extremem Fett, das ist es aber nicht, das ist extrem konzentriert, aber dennoch sehr fein. Das gleiche hatten wir gestern auch bei Château Margaux. Ich weiß, einen Premier Cru mit einem Médoc zu vergleichen ist ein bisschen weit hergeholt und natürlich hat er nicht die Klasse eines Ch. Margaux, aber diese unglaubliche Spannung und die innere Dichte des Jahrgangs 2018 ist bei Château Carmenère ebenso famos. Wir sind auf demselben grandiosen Level wie beim berauschenden Clos Manou. Hier ist ganz vorne im Médoc, das darf sich durchaus mit ganz vielen der klassifizierten Gewächse messen. 97/100