Lobenberg: 80 Prozent liegt auf reinem Kalkstein auf dem Plateau – die beste Lage von Saint-Émilion. 20 Prozent an den Südhängen vom Plateau, mit etwas mehr Lehm- und Sandanteil. In Bordeaux gab es 2020 eine unglaubliche Regenmenge im Frühjahr. Während der frühen, aber perfekten Blüte, blieb es zwei Wochen lang trocken, direkt danach gab es wieder Regenfälle. Von Mitte Juni bis Mitte August fiel dann allerdings kein einziger Tropfen Regen mehr. Bei Sandböden war das ein Desaster – die Reben bekamen Trockenstress. Bei Lehmböden, wie wir sie in den besten Lagen des Médoc und Pomerol haben, oder auf reinem Kalkstein, wie oft in Saint-Émilion, war das überhaupt kein Problem. Also ziemlich perfekte Bedingungen für hervorragendes Terroir, perfekte Bedingungen für hohe Reife und satte Tanninwerte, bei recht moderater Säure. Der 2020er Canon hat 14,5 Volumenprozent Alkohol und einen pH-Wert von 3,53. Die Assemblage: 68 Prozent Merlot und 32 Prozent Cabernet Franc. In 2020 wurden 40 Hektoliter pro Hektar gelesen. Der Ausbau findet für 18 Monate in 50 Prozent neuem Holz statt, der Rest in gebrauchten Barriques. Die Merlot wurde bis zum 21. September gelesen, die Cabernet Franc vom 18. bis 23. September. Canon gehört den gleich Besitzern wie Rauzan-Ségla. Seit Jahren ist das viel mehr als ein Geheimtipp in Saint-Émilion. Eigentlich einer der gesuchtesten Superstars. Wirklich schwer zu kriegen. 2020, dieses reife, sonnenverwöhnte Jahr, das auf wasserspeichernden Terroirs bis zur Perfektion gelangt ist. Zumal die Winzer in Sachen Laubwandmanagement sehr viel intelligenter geworden sind als sie das noch 2003 waren. Der Wein ist also nicht überreif. Es ist einfach eine butterweiche Nase. Schwarzkirsche mit leichter Veilchen-Unterlage. Nicht ganz so aufregend wie zuvor Angélus. Das liegt sicher daran, dass hier die Cabernet Franc nicht so reduktiv im Fuder ausgebaut wird wie auf Angélus, sondern in Barriques, die zur Hälfte neu sind. Die Nase ist dennoch berauschend. Sie hat eine ganz leichte Veilchen-Würze. Fast nur Schwarzkirsche, ein ganz leichter Hauch Cassis, Maulbeere und schwarze Lakritze dahinter. Aber ultrafein, total verspielt. In allen großen Jahren von Canon ist der Wein so unglaublich fein und verspielt. Das ist nicht das erste Mal. Aber 2020 gehört sicherlich zu den großen Jahrgängen, weil es einfach so reif ist, ohne überreif zu sein. Weil es so weich ist – ein unglaubliches Vergnügen. Schon der Geruch. Leichte Grafitnote dahinter. Der Mund zeigt einen kühlen Trinkfluss. Und er zeigt, was alle großen Weine des rechten Ufers in 2020 haben: unglaublich seidigen Trinkfluss. Ein Trinkvergnügen, ein hedonistisches Leckerli. Man mag es sofort für den Abend mitnehmen. Wunderbare Länge, feine Mineralität, aber nichts strengt an. Die große, unanstrengende Komponenten zeichnet nicht nur Canon aus, sondern alle großen Weine. Einfach nur schön, nicht zum Anbeten, sondern purer Genuss. Sexy und erotisch. Und sich einfach nur in Wohlgefallen auflösend. Das macht große Freude. 100/100