Lobenberg: Im Ort San Vicente arbeiten Pablo und Telmo Rodriguez wie in Labastida mit zehn befreundeten Kleinstwinzern zusammen. Sehr alte Reben. 95% Tempranillo. Teilweise nur einen halben Hektar groß, manchmal ein oder zwei Hektar. Extrem kleine Erträge. Buschweine, biologische Bearbeitungsweise. Diese Winzer sind zu klein um selbst zu vinifizieren und zu vermarkten. Sie sind der Familie Rodriguez schon sehr lange verbunden. Diese Winzer arbeiten unter Kontrolle, exakt nach der Maßgabe von Telmo Rodriguez und seinem kongenialen Vineyardmanager Pablo. Selbst der Erntezeitpunkt wird bestimmt. Dann liefern sie die Trauben bei Remelluri ab. Das ergibt für die beiden, aus der Lindes Serie, gelesenen Weine, Labastida und San Vicente, insgesamt nur jeweils 50.000 Flaschen Wein. In beiden Weinen ist der Tempranillo Anteil bei 95% und ungefähr 5% Garnacha. Alle Weinberge liegen, ähnlich wie Remelluri, sehr hoch. Das bedeutet, wir haben sehr kühle Lagen. Bei Remelluri wird auf Frische extrem viel Wert gelegt. Remelluri ist das höchstgelegenste Weingut in Rioja Alavesa und die Alavesa liegt ja bekanntermaßen einige hundert Meter höher als Rioja Alta. 2015 war ein perfektes Jahr im Rioja, allerdings mit relativ hohem Alkohol. Im September gab es dann massive Regenfälle. Viele andere Winzer wurden nervös und ernteten viel zu früh. Bei Remelluri und den dazu gehörenden Kontraktwinzern wurde zugewartet. Es wurde daraufhin trocken, da ein hohes Windaufkommen gegeben war und die vollständige Reife, die zuvor nicht gegeben war, konnte über eine weitere, vierwöchige Vegetationsperiode bis tief in den Oktober hinein, abgewartet werden. Die Ernte für beiden Weine wurde am 10. Oktober eingebracht. Wir haben also sehr reife Weine mit hohem Alkohol, die gleichzeitig perfekte Frische bewahrt haben. Der Lindes ist komplett natürlich als biologischer Wein spontan im Stahl vergoren. Auch die Malo im Stahl. Danach 12 Monate in großen Holzfässern ausgebaut, für weitere 6 Monate in großen Absetztanks um dann ungefiltert gefüllt zu werden. San Vincente ist die Nachbargemeinde von Labastida mit ziemlich anderen Böden. Mehr Lehm. Schon die Nase ist ganz anders. Man kann diese Weine in der Tat sehr leicht auseinander halten. Wenn Labastida die feine, charmante, cremige, ein bisschen an reifen Toskana-Wein erinnernde Version ist, ist der San Vicente in seiner unglaublichen roten Frucht (Sauerkirsche, rote Kirsche, auch Schlehe) sehr intensiv. Dieser Wein ist polarisierender, und so gibt es zurecht genauso viele Anhänger von San Vicente wie von Labastida, weil sie doch so anders sind. Der Wein hat im Mund auch sehr viel mehr Gripp. Eine deutlichere Tanninschärfe, richtig spicy. Lang, die Augen ziehen sich etwas zusammen. Wir haben auch mehr Bitterstoff. Die physiologische Reife in Labastida war meines Erachtens ein bisschen höher. In San Vincente, das etwas tiefer liegt, hingegen etwas niedriger. Neben dieser roten Frucht und dieser salzigen, würzigen Länge, ergibt das eben einen gänzlich anderen Stil von dieser Gegend Riojas. Ich bleibe bei meinem charming Finesse-Labastida, verstehe aber jeden, der auf diese Fruchtbombe, auf diesen würzigeren, intensiveren, von Schlehe und roter Sauerkirsche dominierten San Vicente fliegt. 93-94/100