Mein erster Wein kam aus dem Tetra Pak
Wie Heiner Lobenberg seine Passion für edle Tropfen entdeckte – und Online-Marktführer wurde
Weser Kurier: Herr Lobenberg, wann hatten Sie Ihr erstes Aha-Erlebnis mit Wein?
Heiner Lobenberg: Ich komme ja aus der Bier- und Schnaps-Region Lingen an der Ems. In meiner Studenten-WG in Münster haben wir immer nur den Wein aus dem Aldi-Tetra Pak getrunken für eine Mark pro Paket. Zum 22. Geburtstag schenkten mir meine Mitbewohner dann eine Flasche Beaujolais Cru »Fleurie«. Mein erster hochwertiger Wein, Ich kannte sowas ja noch gar nicht. Das war eine für mich ganz und gar unbekannte Geschmacks-Dimension, die ich bis dahin noch nicht auf dem Radar hatte. Man würde heute sagen, dass dieser Erweckungs-Wein qualitatives Mittelfeld ist. Aber für mich war das damals eine neue und ganz große Welt. Mir war unmittelbar klar, dass ich diese unbekannte Dimension des Geschmacks nicht mehr vermissen wollte. Eine Woche danach begann ich, mich mit dem Thema intensiv zu beschäftigen.
WK: Und wann war Ihnen klar, dass Sie daraus Ihren Beruf machen wollen?
HL: Es war ja erstmal nur mein Hobby. Beim faszinierenden Hobby kann sich ja, wenn es mehr ist als eine Eintagsfliege, irgendwann die Erkenntnis und Erleuchtung einstellen. Also wollte ich mehr darüber wissen, wie es so etwas Tolles geben kann. In meinem gesamten Volkswirtschaftsstudium habe ich demzufolge nebenbei also immer Weinliteratur aus aller Welt gelesen. Johnson, Robinson, Parker, Priewe und viele mehr. Wahrscheinlich waren es am Ende mehr Weinbücher als VWL-Bücher. Mit dem VWL-Diplom in der Tasche arbeitete ich erstmal in Berlin bei einer volkswirtschaftlichen Einrichtung des Staates, danach für viele Jahre in einem bundesweit tätigen Unternehmen meiner Eltern. Neben dem Beruf las und trank ich mich langsam schlauer. Erst mit 34 Jahren entschied ich mich, nicht mehr angestellt sein zu wollen und nur noch selbstständig zu agieren. Da lag es so nahe, mein liebstes Hobby, meine größte Leidenschaft zum Beruf zu machen. Wein ist neben dem beruflichen Aspekt auch heute noch mein liebstes Hobby, meine weiterglühende Passion. Ich habe dann zu Beginn meines Weinhändlerdaseins auch immer weiter Literatur und Zeitschriften über Wein quasi verschlungen. Gedruckte Werke, denn damals, 1990, gab es ja auch noch kein Internet.
WK: Wie musste man sich das Probieren vor über 30 Jahren, damals ohne Internet, mit der Zeit vor ihrem Weinshop vorstellen?
HL: Es gab Telex, bald auch Fax, ansonsten Telefon und Post. Ich habe also deutsche Weinhändler angeschrieben und gefragt, welche Weine sie im Angebot haben. Dann schickten die mir einen Katalog oder Kurzliste, aus dem ich bestellen konnte. Bis ich hauptberuflich anfing, bestellte ich übrigens jede Menge Wein in Kleinstmengen nach dem Motto: »Probieren, probieren, probieren«.
WK: Konnte man damals schon mit Ihrer Leber einen Nagel in die Wand hauen?
HL: Bis heute habe ich das unglaubliche Glück, dass ich perfekte Leberwerte und perfekte Blutzuckerwerte und einen perfekten Blutdruck habe. Das glaubt keiner, wenn man so lang bei Wein und Feinkost unterwegs ist. Ich mache aber jedes Jahr im Januar für vier Wochen zum Entgiften eine Ayurveda-Kur, um dann auch mal keinen Wein zu trinken.
WK: Die Weine probieren Sie mit Spucknapf?
HL: Das geht nicht anders, wenn ich zum Beispiel in Bordeaux bin und in einer Woche 800 Weine probiere. Wir haben hier ja auch einen Verkostungstisch mit eingelassenen Spucknäpfen, an dem wir immer im Stehen probieren. Daran muss man sich gewöhnen, weil wir darüber ja am Ende auch einen qualifizierten Verkostungstext schreiben wollen. Aber nach etwas Übung muss man einen Wein nicht herunterschlucken, um ihn perfekt beschreiben zu können.
WK: Welchen Weingeschmack hatte Deutschland, als Sie das zu Ihrem Beruf machten?
HL: Deutsche Weine waren damals noch sehr sü. eingestellt. Von Beginn an mochte ich aber nur trockene Weine. 1991 fiel die Entscheidung, dass ich selbstständiger Händler werde, und 1992 eröffnete ich Am Dobben meinen Laden. Ich ließ also die ersten zehn Jahre meines Händlerdaseins Deutschland komplett weg, weil mir die Weine zu sü. waren und auch die Rotweine aus meiner Sicht noch ziemlich schlecht waren. Die sind erst in den vergangenen zehn Jahren mit zur Weltspitze aufgestiegen. Bordeaux war damals und ist auch heute noch mein Schwerpunkt.
WK: Bordeaux hat in Bremen ja auch eine lange Tradition.
So ist es. Ich knüpfte damals extrem gute Kontakte nach Bordeaux und habe viele Händler, mit denen ich zusammenarbeite. Aber ich habe heute, etwas unüblich und klar im Gegensatz zum Beginn meines Einkaufs in Bordeaux, mindestens ein Drittel meiner Bordelaiser Châteaux im Direktvertrieb. Sie müssen wissen, dass der Handel in Bordeaux etwas eigen ist.
WK: Inwiefern?
HL: Die Bordeaux-Weine werden üblicherweise und traditionell über einen Zwischenhändler verkauft – einen Courtier. Er steht zwischen den Winzern und den lokalen, autorisierten Negociants, den Händlern, die wiederum an die Importeure in aller Welt verkaufen. Dieser Handel über den so genannten »Place Bordeaux« ist ein ungeschriebenes Gesetz. Über die Zeit haben sie so viel Marktmacht entwickelt, dass eigentlich kein Weg an diesem Trichter vorbeiführt.
WK: Es ist also eine kleine Weinmafia?
HL: Eigentlich ist es eine große Weinmafia, oder genauer gesagt eher eine Oligarchie der saubersten Sorte, die staatlich legitimiert und gestützt ist. Ein Chateau kann also frei entscheiden und vorbei am Place Bordeaux selbst den Weg zum nationalen oder internationalen Händler suchen, muss das gesamte Business aber von da an allein machen. Denn danach versagen die Oligarchen ihre vertriebliche Unterstützung. Inzwischen habe ich aber 40 bis 50 Châteaux im Direktvertrieb, seltener parallel zu den Oligarchen, überwiegend aber eben außerhalb des Place Bordeaux. Diesen Direkteinkauf betreibe ich ja genauso mit allen Winzern aus anderen Regionen und Ländern, das ist im Grunde der internationale Standard. Nur eben unüblich in Bordeaux.
WK: Und welcher Wein ist heutzutage Ihr Schwerpunkt?
HL: Wir machen die Hälfte unseres Umsatzes generell mit Frankreich, und ein Viertel unseres Umsatzes immer noch mit Bordeaux. Frankreich ist also immer noch das wichtigste Erzeugerland und Bordeaux unsere wichtigste Einzelregion. Ich bin außerdem der Ansicht, dass Frankreich immer noch das Wein-Land Nummer Eins bei der Qualität ist. Deutschland hat aber massiv aufgeholt und hat auch ein paar Alleinstellungsmerkmale. Nehmen wir den Riesling, den man so in dieser Qualität in keinem Land der Welt erhält. Auch hat Deutschland bei den Rotweinen, beim Pinot Noir, immens aufgeholt, für mich liegen wir hier inzwischen weltweit auf Platz Zwei hinter Frankreich.
WK: Und Italien?
HL: Das ist genauso wie Deutschland an der Position Zwei mit spannenden Gebieten wie dem Piemont, der Toskana oder Sizilien. Danach kommt eindeutig und sofort Spanien, anschließend verteilt es sich, erst Österreich, dann USA, Portugal, usw. Vor 30 Jahren konnten Sie übrigens als Einzelhändler auch noch nicht selbst direkt Wein aus Spanien importieren, weil es diesen offenen Handel, wie wir ihn heute in Europa haben, noch nicht gab. Ähnlich war es mit Portugal. Die Winzer hatten damals nicht das Recht, Wein selbst abzufüllen und an den Handel im Ausland zu verkaufen. Die Winzer am Douro mussten ihre Weine an die großen Port-Shipper wie Fonseca oder Sandeman verkaufen. Die EU hat das dann geändert.
WK: Wieviel haben die deutschen Winzer Alfred Biolek mit seiner Kochsendung zu verdanken, der damals die deutschen Weine immer zu protegieren?
HL: Ich glaube, sie haben ihm viel zu verdanken. Als ich anfing, gab es ja auch noch den Glykol-Skandal. Darunter hatte der deutsche Wein gelitten. Die deutschen Spitzenwinzer, die es immer gab, haben da nie gepanscht. Biolek hatte mit anderen dazu beigetragen, den Ruf wieder zu heben. Heute hat Deutschland wieder weltweit einen guten Ruf, hat aber das Problem, dass der Riesling als Hauptvermarktungsprodukt viel Säure hat, was nicht jedem im Ausland liegt. Auch die ellenlangen Namen mit ihren Bezeichnungen sind nicht gerade förderlich für den Export. Der Verband der Pr.dikatsweingüter hat dann eindeutigere Klassifikationen eingeführt.
WK: Wie ist in all den Jahren das Einstiegsalter gesunken, sich für gute Weine zu interessieren?
Früher hatten wir bei unseren Käufern ein Durchschnittsalter von über 50. Heute liegt das bei knapp unter 40. Viele Menschen in dem Alter, die einen guten Job haben, gönnen sich den Luxus eines guten Weines. Jeder, der in seinem Beruf vorankommt, gönnt sich entsprechend etwas mehr. Der Weinabsatz steigt weiter, und die Verschiebung des Preisbereichs nimmt zu – genauso wie die Bereitschaft, im Internet zu kaufen.
WK: Erst recht während der Pandemie
HL: Von Covid haben alle Versandhändler profitiert. Wir auch. Alle unter 50 sind dazu bereit, im Internet zu schauen und zu vergleichen. Auch die Weinpublikationen nehmen zu, und die Leute lesen mehr. Wir haben bei uns 50.000 Kunden, die jedes Jahr bei uns Wein kaufen. Oktober und November sind da sehr starke Monate, aber wir haben auch einen sehr starken März und April. Die Kunden bestellen nicht nur einmal im Jahr. Wir wollen sie ja dahin bekommen, dass sie sogar drei bis vier Male im Jahr bestellen. Das nimmt auch zu. Jedes Jahr kommen einige tausend hinzu, und es schmelzen auch nur wenige weg.
WK: Und was geben die so aus?
HL: Im Durchschnitt geben sie pro Flasche etwas über 20 Euro aus. Das ist schon sehr hoch. Aber wir kaufen natürlich wesentlich mehr Flaschen zwischen zehn und 15 Euro als zwischen 50 und 80 Euro. Qualitativ orientierte Premiumkunden sind unsere Zielgruppe, wir sind froh und stolz, mit ihnen inzwischen über 40 Millionen Euro Nettoumsatz pro Jahre zu machen. Wir haben übrigens auch nur minimale Zahlungsausfälle, weil diese Premiumkunden solvent sind und oft langfristig bei uns bleiben und eine Bindung zu uns entwickeln.
WK: Und wie machen Sie auf sich aufmerksam?
HL: Am besten ist, wenn sie uns im Internet finden. Wir werden lieber gefunden, als dass wir Adressen kaufen oder Blindsendungen rausschicken.
WK: Veranstalten Sie auch Treffen mit den Kunden?
HL: Das machen wir mit unseren Kooperationspartnern in Hamburg, Düsseldorf und Bremen, wie zum Beispiel dem Weincafé Engel im Ostertor. Wir führen aber auch Interviews mit den Kunden und machen Kaufanalysen. Bei den 55 Mitarbeitern, die wir haben, gibt es ja auch eine große Marketing-Abteilung, spezialisiert auf Kundenansprachen und Analysen.
WK: Wann konnte man bei Ihnen zum ersten Mal Wein über das Internet bestellen?
HL: Das muss so um das Jahr 2000 gewesen sein. Gute Freunde einer Internetagentur halfen mir damals. Aber Vorreiter war ich damals nicht. Relativ lange habe ich als Hauptwerbeträger noch Kataloge gedruckt und in ganz Deutschland jährlich 20.000 Male verschickt.
WK: Wie und wann stellten Sie fest, dass Sie andere im Premiumsegment überflügelt hatten?
HL: Ich war ja nicht so viel größer als andere, ich war nur spezieller und inhaltlich besser, immer schon mehr premium. Beim Bordeaux war ich einer der Hauptakteure am Markt und habe diesen Bereich ausgebaut. Über die Verbesserung der Homepage mit Hilfe des oben angesprochenen Agenturfreundes hinaus hatte ich auch die ersten 20 Jahre nach der Gründung quasi gar kein nennenswertes Marketing. Mein Sohn war noch sehr jung und studierte damals Wirtschaft, erst in Berlin und dann in London. Der beriet mich und er hatte einen marketingtalentierten guten Freund, Thiemo Kausch, den er quasi als Vorhut ins Unternehmen brachte.
WK: Und dann?
HL: Der erste große Step in einen professionellen Versandhandel kam mit dem Büro-Umzug vom Dobben hier an den Tiefer und dem Fokus auf den Versandhandel. Der zweite und quantitativ sicher größere Schritt geschah dann vor drei Jahren mit dem Unternehmenseintritts meines Sohnes Luca, der von der Unternehmensberatung McKinsey zurück nach Hause gekommen ist und seitdem stetig unsere Professionalisierung vorantreibt. Heute arbeiten hier nun fast 60 Mitarbeiter, wir haben ein großartiges junges Führungsteam und wir haben unseren etablierten Mittelständler zu einer dynamischen »Turnschuh-Firma« weiterentwickelt. Jetzt sieht man oft noch bis spät abends die Lichter im Büro und es wird bspw. mit dem mittlerweile als Chief Marketing Officer (CMO) tätigen Thiemo Kausch über Webshop, digitales Marketing oder Kundenbindung diskutiert oder mit unserem Operations-Team rund um unseren Chief Operations Officer (COO) Claas Stüdemann über Supply-Chain-Management oder Kundenerfahrungen. Hatten wir hier im Haus vor vier Jahren noch erst eine Etage angemietet und 15 Mitarbeiter bei 15 Millionen Euro p.a. Versandumsatz, haben wir nun das ganze Haus mit 5 Etagen und gut 40 Millionen Umsatz p.a.
WK: In welcher Art und Weise mussten Sie in der Vergangenheit auch mal Lehrgeld zahlen?
HL: Ich musste viel Lehrgeld zahlen, denn ich war zweimal fast am Rande der Pleite. Früher war der Durchschnittsflaschenpreis noch höher, weil ich einen noch höheren Anteil an Bordeaux hatte. Die erste Krise kam nach dem elften September. Da hielten die Menschen die Luft an und hielten ihr Geld zusammen. Ich hatte damals einen großen Warenbestand und kaum noch Umsatz. Viel hatte ich über Banken finanziert und stand mit dem Rücken zur Wand. Die zweite Delle kam mit der Finanzkrise nach der Lehman-Pleite. Sollte jetzt in China die Wirtschaft implodieren, dann könnten Luxusgüter wieder leiden. Aber heute sind wir zum Glück deutlich breiter aufgestellt.
WK: Worüber haben Sie sich persönlich gefreut beim Aufstreben Ihren Weinshops?
HL: Ich habe mich schon sehr über die lokale Anerkennung gefreut, als ich zum ersten Mal im Weinwettbewerb bei der Schaffermahlzeit und danach bei der Eiswette teilnehmen durfte. Was für eine Freude, als ich in einer großen Vergleichsverkostung vom Haus Seefahrt dann ausgewählt wurde, den Wein für die Schaffermahlzeit anbieten zu dürfen. Gleich bei der ersten Teilnahme hatte ich beim Rot- und Weißwein als Wettbewerbsteilnehmer gewonnen. Das war mein lokaler Durchbruch.
WK: Warum lässt sich Ihre Online-Versandhandel ganz gut von Bremen aus steuern?
HL: Das ließe sich auch von Hamburg aus steuern. Über meine frühere Tätigkeit kam ich nach Bremen und machte mich hier eben selbstständig. Aber Bremen hat natürlich auch einen tollen Ruf als Weinmetropole, sicher kein Nachteil.
WK: Macht Ihnen auch gerade die durcheinander geratene Lieferkette irgendwo Probleme?
HL: Wir haben einen Container aus Chile, den wir eigentlich schon geholt haben wollten. Den bekommen wir wohl erst im Februar. Wir haben also einige Monate Versatz. Da wir uns aber im hochpreisigen Segment bewegen, ist das nicht so schlimm. Bräuchten wir jetzt wie die Discounter Wein just in time, um unsere Regale zu füllen, dann hätten wir ein Problem.
WK: Wann haben Sie zuletzt beim Discounter eine Flasche Wein geholt?
HL: Als meine großen Top-Erzeuger Deutschlands anfingen, parallel zu dem, was sie selbst aus ihren Weinbergen ernten, Zukaufware abzufüllen und in die Discounter zu stellen. Der Markus Molitor hat zum Beispiel einen Wein bei Lidl stehen. Und der José Leitz hat einen Wein bei Aldi stehen. Das sind Weine, die unter dem Level sind, die sie mir verkaufen. Trotzdem habe ich sie beim Discounter gekauft, weil ich wissen wollte, wie die Qualität so ist. Ab und zu kaufe ich dort zum Vergleich auch scheinbar unverschämt günstige Weine, zum Beispiel einen Barolo oder Brunello oder Champagner für zehn Euro, damit ich weiß, wo ich im Vergleich qualitativ zu den anderen stehe.
WK: Sowohl auf Ihrer Internetseite als auch in ihrem kiloschweren Katalog gibt es zu jeder Winzerfamilie ein Porträt, an dem man erkennen kann, dass Sie die alle persönlich kennen.
HL: Und ich kenne auch alle ihre Weine.
WK: Sind Sie da womöglich auch schon Trauzeuge oder Patenonkel gewesen?
HL: Nein, aber ich werde dann schon zu speziellen Jubiläumsveranstaltungen und auch mal zum Geburtstag eingeladen. Aber dabei ist mir schon klar, dass es am Ende eine Lieferanten-Kunden-Bindung bleibt bei aller Freundschaft. Dennoch verbindet mich mit einigen auch eine richtige Freundschaft, wie zum Beispiel mit meinem ersten Weingut in Spanien von vor 25 Jahren – die Bodega Remelluri. Der Sohn des Hauses, Telmo Rodriguez ist immer noch mein persönlicher Freund.
WK: Wenn man sich Ihr kiloschweres gedrucktes Katalogkompendium anschaut, man kann es vielleicht auch Weinbibel nennen – wie wollen Sie denn da noch eins draufsetzen?
HL: Dieses Werk von vier Kilo ist eigentlich eine Art Weinvermächtnis von mir. Mein Sohn und unser Marketingchef gehen ja andere, digitale Wege. Es ist also in etwa ein letztes Aufbäumen der alten Garde. Als man meinem Wunsch folgte, sagte mein Sohn, das sei das letzte Mal. Der Erfolg dieses Meisterwerks war dennoch unerwartet grandios, wir werden in 2-3 Jahren noch mal sehen…
WK: Wie haben Sie sich das mit ihrem Sohn aufgeteilt?
HL: Luca und ich haben uns als mittlerweile gleichberechtigte Miteigentümer klar aufgeteilt: Ich verantworte weiter das Weinprogramm und den Weineinkauf, Luca den Business-Teil. Grundsätzlich glaube ich, dass so eine klare Aufteilung in einem Mehr-Generationen-Familienunternehmen sehr zur Harmonie beiträgt. Aber ich muss loslassen können, wenn mein Sohn seine Entscheidungen irgendwann anders trifft. Es ist doch das Beste, was Ihnen als Unternehmer passieren kann, wenn eines ihrer Kinder das Unternehmen fortführen möchte und es dann qualitativ offensichtlich auch noch kann.
WK: Trotz all Ihren Respekts – welcher Wein wird Ihre Kehle niemals passieren?
HL: Den gibt es nicht. Ich werde alles probieren, weil ich eben ein Wein-Trüffelschwein bin. Ich habe zum Beispiel schon mindestens 100 chinesische, russische und rumänische Weine probiert und habe bisher keinen einzigen in mein Portfolio aufgenommen. Was ich nicht mag, nehmen wir nicht auf. Denn das Grundgesetz des Unternehmens lautet weiterhin: Was ich persönlich nicht mag, kommt nicht ins Programm.