Was in Deutschland Mosel und Rheingau sind, ist in Österreich die Wachau: das Aushängeschild für Riesling. Aber eben nicht nur für Riesling, sondern auch für Grünen Veltliner, der hier auf allerhöchstem Niveau produziert wird.
Der schmale Streifen direkt an der Donau mit nur rund 1.400 Hektar Rebfläche ist sicher die bekannteste Weinbauregion des Landes. Es ist ein kleines Paradies mit terrassierten Steillagen entlang des Flusses unweit der Hauptstadt Wien. Auf den spektakulären Terrassen wachsen unter anderem die berühmten Tropfen Kellerberg, Loibenberg, die berüchtigten Vinothek-Füllungen von Knoll und Nikolaihof sowie der legendäre Riesling Unendlich von Starwinzer F. X. Pichler. Kraftvoll und mineralisch, jeder für sich einzigartig und groß.
In Blindproben unterscheiden sie sich mit ihrem eigenen Profil häufig von ihren deutschen Pendants, was sie aber nicht schlechter oder besser macht, sondern eben einfach anders in ihrer Ausprägung. Die Rieslinge und Veltliner aus der Wachau – gerade die von F. X. Pichler und Knoll – wurden lange für den etwas barockeren, gar fetten Stil der Wachau synonym genommen. Wer glaubt, dass dies auf Knoll und Pichler noch zuträfe, der hat sehr lange nichts mehr von hier im Glas gehabt. Nahezu keine Botrytis, mit Ausnahme feiner Selektionen beim Unendlich und Loibner Vinothek, keinerlei Fett, keine Überreife – nein, nicht mal im Ansatz. Knolls und Pichlers Lagenweine sind strahlend klar, rassig definiert und elektrisierend mineralisch unterfüttert.
Die Bandbreite reicht von frischen Easy-Drinking-Alltagsweinen bis hin zu Weinen auf Grand-Cru-Niveau
Die Wachau nur mit Riesling in Verbindung zu bringen wäre ein fataler Fehler, denn die Weine, welche die Top-Produzenten aus Österreichs meist gepflanzter Rebsorte Grüner Veltliner produzieren, sind ähnlich großartig, aber eben einfach anders und vollkommen eigenständig. Es ist so etwas wie der perfekte Gegenspieler zum Riesling. Meist etwas weniger von der Säure geprägt, aber dennoch sehr fein und mit der charakteristischen, pfeffrigen Würze. Die Bandbreite reicht von frischen Easy-Drinking-Alltagsweinen bis hin zu Weinen auf Grand-Cru-Niveau, wie beispielsweise der ikonische »M« von F. X. Pichler, Veyder-Malbergs Weitenberg oder Pragers Kammergut. Das sind extrem mineralische, terroirgeprägte und ausdrucksstarke Weine. Ultrakomplex und hochfein und mit etwas Flaschenreife gewinnen sie noch mehr an Tiefe. Auch Veltliner können Jahrzehnte reifen, die besten beweisen es!
Diese klangvollen Namen wurden Mitte der 1980er-Jahre vom Gebietsschutzverband Vinea Wachau entwickelt und stehen für die verschiedenen Qualitätsstufen, die gleichzeitig auch etwas über den jeweiligen Weintyp aussagen. Weine vom Prädikat »Steinfeder« sind dabei der Einstieg in die Welt der Wachauer Weine. Sie sind leicht, erfrischend trinkig und haben maximal 11,5 Volumenprozent Alkohol. Ein »Federspiel« hat maximal 12,5 Volumenprozent Alkohol und ist damit etwas kräftiger, aber dabei niemals fett. Ausdrucksstark, fruchtbetont und immer elegant bei nicht mehr als vier Gramm Restzucker pro Liter. Die Kategorie »Smaragd« stellt die Spitze dar. Benannt nach der Smaragdeidechse, welche in den Urgesteinsterrassen der Wachau heimisch ist. Sie müssen gesetzlich trocken sein, also einen Restzuckergehalt von nicht mehr als neun Gramm pro Liter aufweisen, und haben mindestens 12,5 % Alkohol. Diese Weine sind vergleichbar mit den Großen Gewächsen in Deutschland: große, kraftvolle und komplexe Weine, die das Terroir ihrer Herkunft widerspiegeln und sich durch ein hohes Lagerpotenzial auszeichnen.
Lagenbezeichungen sind ausschließlich den Rebsorten Riesling und Grüner Veltliner vorbehalten. Sie werden hier »Riedenweine« genannt und bilden die Spitze der Qualitätspyramide.
Seit 2020 ist die Wachau zu Recht auch endlich als DAC-Region (für Districtus Austriae Controllatus, äquivalent zu bspw. AOP in Frankreich als Siegel für herkunftstypische Qualitätsweine) anerkannt. Im Rahmen dieses Systems gibt es eine Qualitätspyramide, welche der des Burgunds oder auch der des VDP sehr ähnlich ist. Als Gegenentwurf zum System der Vinea liegt der Fokus hier eben nicht mehr auf dem Mostgewicht oder dem Alkoholgehalt, sondern auf der engeren Herkunft der Weine. So stellen Gebietsweine, die aus der gesamten Wachau stammen dürfen, die Basis dieser Pyramide dar. Die Ortsweine stammen der Logik nach aus nur einem bestimmten Ort. Lagenbezeichungen sind ausschließlich den Rebsorten Riesling und Grüner Veltliner vorbehalten. Sie werden hier »Riedenweine« genannt und bilden die Spitze der Qualitätspyramide. Eine Anreicherung ist in diesem Segment nicht zulässig. Zudem gilt für alle DAC-Weine, dass sie per Hand gelesen werden müssen. Mit der Begründung, dass durch den fortschreitenden Klimawandel keine Klassifizierung nach Mostgewicht mehr nötig ist, da in den vergangenen Jahren meist problemlos Smaragdqualitäten gelesen werden konnten, ist das berühmte Weingut F. X. Pichler 2020 nach Einführung des DAC-Systems aus der Vinea Wachau ausgetreten. Natürlich kann man jedes System für sich betrachten, ähnlich wie in Deutschland, wo die Relevanz der Prädikate Kabinett, Spätlese, Auslese usw. seit Jahren diskutiert wird. Andererseits hat die Wachau nun zwei Pyramiden: die etablierte Weinstil- oder Reifepyramide und eben die Herkunftspyramide, die auch als Ergänzung oder Verfeinerung der Ersteren betrachtet werden kann. Wie gut das funktionieren kann, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Ob nun Smaragd oder nicht, die Wachau hat eine Vielzahl großartiger Weine zu bieten: Ob große und noble Klassik wie bei Knoll, Prager und F. X. Pichler, biodynamische Energie und Lebendigkeit wie im Nikolaihof oder spannungsgeladene Puristik wie bei Veyder-Malberg und Pichler-Krutzler – es gibt so viel zu entdecken.