Die noch recht junge Erfolgsgeschichte begann erst im Jahr 2002, als Dorli Muhr gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann Dirk van der Niepoort das Weingut in Prellenkirchen gründete. Der Grundstein wurde aber bereits viel früher von Dorlis Großmutter Katharina Muhr gelegt: Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Prellenkirchen, wo sie von ihrer Tante großgezogen wurde. Als sie im Jahr 1918 schließlich zurück in ihren Heimatort kehrte, vermachte ihre Tante ihr einen 0,17 Hektar kleinen Weinberg, den die Familie fortan bewirtschaftete. Jedes Jahr fand die Familie Muhr wieder in Prellenkirchen zusammen und erntete die kleine Parzelle gemeinsam in wenigen Stunden ab, die daraus resultierende kleine Menge, wurde innerhalb der Familie und im Freundeskreis selbst getrunken.
Vom PR-Profi zur Spitzenwinzerin
Obwohl Dorli Muhr den Weinbau somit quasi in die Wiege gelegt bekam, hatte sie zunächst andere Karrierepläne. Nach der Schule begann sie ein Studium als Dolmetscherin für Französisch und Spanisch, wobei sie mit dem französischen »savoir-vivre« quasi infiziert wurde und ihre Begeisterung für Wein dadurch geweckt. Anfang der Neunziger Jahre gründete sie daraufhin, mit gerade einmal Mitte zwanzig, eine Marketing- und PR-Agentur mit Fokus auf die Weinbranche und Kulinarik.
Doch Dorlis Herz schlug immer auch für den Weinbau und vor allem für den Weinbau in Prellenkirchen, dort, wo alles begann – in der 0,17 Hektar kleinen Parzelle in der Ried Roterd am Spitzerberg. So begann sie im Jahr 1995 diesen alten Weinberg, der mittlerweile brach lag, zu rekultivieren. Mit der Unterstützung von Dirk van der Niepoort entstand ihr eigenes, zunächst noch gemeinsames Weingut, das zu Beginn noch unter dem Namen Muhr-Van der Niepoort firmierte. Im Laufe der Jahre übernahm Dorli die Anteile Niepoorts und seit 2019 läuft das Weingut nun nur noch unter ihrem Namen.
The most exciting expression of the Blaufränkisch grape from outside of Burgenland
– Stuart Pigott für James Suckling
Große Weine vom Spitzerberg
Die kleine Parzelle in der Ried Roterd ist und bleibt seit jeher das Herzstück des Weinguts. In den darauf folgenden Jahren konnte Dorli dann immer mehr angrenzende Parzellen erwerben und die Fläche in dieser besonderen Riede erweitern. Zudem kamen noch Weinberge in den Rieden Spitzer, Pannhölzer, Kobeln, Kranzen und Holzweingarten dazu. Bis zum Jahrgang 2018 hat Dorli Muhr neben den Rieden Roterd und Kobeln nur einen einzigen »Spitzerberg« Blaufränkisch abgefüllt, ab 2019 wurden die einzelnen Rieden dann separat gefüllt. Ein logischer Schritt, denn so kommen die individuellen Terroirs der Einzellagen deutlich besser zur Geltung. Außerdem kam die Lage Kirchweingarten in Höflein dazu. Die rund zwölf Hektar Weinberge werden alle biologisch bewirtschaftet, im Keller wird sehr schonend gearbeitet: Kellermeister Lukas Brandstätter legt sehr großen Wert auf eine sanfte und langsame Extraktion, damit die Tannine immer möglichst seidig und geschliffen daherkommen. Viele Trauben werden noch sehr traditionell mit den Füßen gestampft, es wird kaum gepumpt, sondern hauptsächlich mit Falldruck gearbeitet. Für ein Mehr an Struktur ist auch immer ein Anteil Ganztrauben dabei. Vergoren wird spontan, mit weinbergseigenen Hefen und in relativ kleinen Holzbottichen, damit jede Parzelle einzeln ausgebaut werden kann. Anschließend kommen die Weine ins Holz – ganz bewusst aber kein Neuholz und nur große Fässer, denn die pure Frucht soll niemals vom Holz überschminkt werden. Dabei kommen teilweise auch die traditionellen Fässer aus Akazienholz zum Einsatz. Den Weinen wird die nötige Zeit gegeben, also mindestens für 20 Monate im Fass und nach unfiltrierter Abfüllung noch rund ein Jahr Flaschenreife, bevor sie in den Verkauf kommen.
Das Wesentliche ist es, möglichst wenig Ego mit einzubringen, sondern vielmehr die perfekten Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass sich jede Parzelle in ihrer Individualität ausdrücken kann.
– Dorli Muhr
Das Ergebnis sind beeindruckend klare und immer elegante, sehr feine Weine. Der Ortswein aus Prellenkirchen stammt vom Spitzerberg und trägt den Namen »Samt & Seide« – das trifft eigentlich ziemlich perfekt, was man von Dorli Muhrs Weinen zu erwarten hat. Sie sind unglaublich delikat, weich und balanciert, haben aber immer auch einen Kern aus tiefer mineralischer Kraft und griffiger Struktur. Heute, etwas über zwanzig Jahre nach Gründung des Weinguts, ist Dorli mit dieser Stilistik nun an der absoluten Spitze in Sachen Blaufränkisch angekommen. »Der Jahrgang 2020 ist an Finesse kaum zu übertreffen« schreibt der Gault&Millau und adelt Dorli Muhr im Weingudie 2023/24 mit dem Titel »Ausnahmewinzerin des Jahres«.