In den 1980ern noch von viel moderner Technik und internationalen Rebsorten dominiert, hat sich die Region mittlerweile zu einer Hochburg der alternativen und experimentellen Weinstile entwickelt. Die besten Betriebe bringen in beeindruckender Konstanz terroirgeprägte Meisterwerke auf den Markt, überwiegend nach den Richtlinien der Biodynamie produziert. Nicht ohne Grund reisen Jahr für Jahr viele Geisenheimer Studenten für ein Weinbaupraktikum in das Burgenland, um sich von der sorgfältigen Arbeit der Winzer dort inspirieren zu lassen. Und auch Weinliebhaber aus der ganzen Welt pilgern ins wunderschöne Burgenland, um die Region mit ihren hervorragenden Weinen kennenzulernen.
Landschaftlich traumhaft schön, aber zunächst vielleicht etwas unspektakulär erscheinend, erstreckt sich das Burgenland als relativ flaches Land von der Grenze zu Niederösterreich und Carnuntum bis hin zur ungarischen Grenze. Nach Norden und Südwesten verläuft es entlang des Leithagebirges bis nach Eisenstadt, von wo es aber noch weiter nach Süden über Sankt Margarethen und Zagersdorf nach Rust und Mörbisch geht. Dann über Sopron in Ungarn immer weiter nach Süden entlang der ungarischen Grenze über das Mittelburgenland ins Südburgenland. Besonders im Südburgenland weiß man selbst oft nicht, ob man sich gerade noch in Österreich oder schon in Ungarn befindet, denn der Eisenberg bildet einen fließenden Übergang zwischen den beiden Ländern. Einige Weinberge von österreichischen Winzern stehen dementsprechend auch schon in Ungarn, vergleichbar mit der Situation Pfalz/ Elsass.
Was im Burgund der Pinot Noir ist, ist im Burgenland der Blaufränkisch. Man kann schon sagen, dass es auf der Welt sicher noch andere gute oder auch herausragende Weine dieser Rebsorte gibt, aber keine besseren.
Er ist eben das unangefochtene Aushängeschild. Er benötigt beste Lagen und reift wie der Pinot Noir auf Kalk- und Schieferböden gleichermaßen gut. Sortenreine Blaufränkisch-Weine haben eine faszinierende Würze, eine oft pfeffrige, meist kühle Aromatik von dunklen Waldbeeren und Wildkirschen, manchmal mit kräuterigen oder leicht floralen Anklängen. Die Rebsorte ist nie aufdringlich und bringt das jeweilige Terroir extrem gut und mit viel Transparenz zum Ausdruck – wenn man sie nur lässt. Immer mit präsenter Säure und keineswegs zurückhaltendem Tannin. Erstaunlicherweise ergibt der Blaufränkisch selbst in warmen Lagen einen eher kühlen Rotweintyp, der selten überladen wirkt. Interessant ist der Vergleich mit Burgundern besonders in Blindproben, wo selbst die besten Verkoster manchmal ins Stocken geraten.
In den vergangenen Jahrzehnten hat diese Sorte im gesamten Burgenland Spitzenweine von herausragender Klasse hervorgebracht.
Zu den Ersten, die reinen Weltklasse-Blaufränkisch produzierten, gehörte Paul Achs mit seinen sehr feinen, dunkelwürzig-dichten, aber ausgesprochen eleganten Weinen vom Golser Ungerberg und den tänzelnden Weinen aus der Lage Spiegel, die man schon mal mit großen Pinot Noirs verwechseln kann. Weitere sind Roland Velichs (Moric) enorm elegante und bestens strukturierte Weine von alten Reben aus Lutzmannsburg, sowie Hannes (Rosi) Schusters ausgewogener und brillanter Vertreter aus Sankt Margarethen. Bei der Aufzählung der Blaufränkisch Legenden aus dem Burgenland darf natürlich nicht die Blaufränkisch Dynastie Krutzler fehlen, die mit spitzen Lagenweinen auf nur knapp 12 Hektar Maßstäbe setzt. Top-Blaufränkisch aus dem Burgenland zählt unumstritten zu den größten und spannendsten Weinen Mitteleuropas.
Dazu zählen unter anderem Lichtenberger Gonzalez’ elegante Weißweine aus Burgunderrebsorten und Grünem Veltliner, ausgestattet mit unglaublich hoher Pikanz, viel Grip und Struktur. Die zum Dahinschmelzen schöne und trinkanimierende Cuvée »Handgemenge« von Wachter-Wiesler macht an jeder Tafel eine überaus gute Figur. Daneben stehen die kargen Mineralitätsmonster aus der Rebsorte Furmint, wie man sie beispielhaft bei Michael Wenzel und Weninger finden kann. Selbst Chardonnays von Weltformat, wie sie Heinz Velich am Neusiedlersee produziert, kann man im Burgenland finden. Preisinger und Altenburger zeigen, wie gut handwerklich gearbeiteter »Naturwein« mit Schalenkontakt funktioniert, ohne dabei geschmacklich in eine uniforme Richtung abzudriften: salzig, puristisch und von unfassbarer Tiefe. Stefan Wellanschitz (Kolfok) und Christian Tschidas Weine stehen mit ihren sehr cleanen, dennoch »naturbelassenen« Stilistik auf den Karten der weltbesten Restaurants. Besonders beeindruckend ist aber auch, wie selbst große Betriebe bereits seit Dekaden biodynamisch arbeiten. So haben Weingüter mit über 100 Hektar wie Heinrich oder Umathum mit knapp 50 Hektar umgesetzt, woran viele Weingüter scheitern. Letzterer ist besonders für herausragenden Zweigelt bekannt, der weitverbreitetsten roten Rebsorte Österreichs.
Festzuhalten bleibt, dass das Burgenland eine durch und durch spannende Weinregion ist, die durch ihre Kombination aus extrem gutem Terroir und dem niemals endenden Innovationsgeist der Produzenten noch immer ein riesiges Potenzial in sich hat. Hochspannende Projekte wie die »Hidden Treasures«-Serie, eine Mini-Kooperation von Moric und anderen Winzern aus dem Burgenland und Ungarn, ist dahingehend sicher nur der Anfang der Entwicklung hin zu noch größerer internationaler Bekanntheit dieser facettenreichen Region. In der breiten Masse ist das Burgenland im Ausland noch nicht ganz angekommen, was uns Weinenthusiasten aber sehr zugute kommt, da die herausragendsten Qualitäten des Burgenlands zu mehr als moderaten Tarifen erhältlich sind und in Europa sicherlich zu den spannendsten Preis-Genuss-Siegern gehören.