Die sonnenreiche Cool-Climate-Region im Norden der Südinsel Neuseelands ist ein Hotspot für hoch individuelle Chardonnays und Pinot Noirs.
Nelson ist eine relativ kleine Weinregion, die westlich von Marlborough im Norden der Südinsel Neuseelands liegt. Die dicht bewaldete Hügelkette Richmond Range trennt diese »Underdog-Region« von dem wesentlich bekannteren Nachbarn. Grund für die fehlende Bekanntheit ist hauptsächlich die fehlende Größe und enge Begrenztheit der Region. Nelson steht, was den Weinbau angeht, allein schon wegen der kleinen Rebfläche im Schatten des größeren Nachbarn Marlborough. Mit knapp über 1.100 Hektar Rebfläche sind hier nur drei Prozent der Weinanbaufläche des Landes zu Hause. Zudem sind die Weingüter hier generelleher klein. In Nelson gibt es weniger als 30 Weingüter, die sich alle in Familienbesitz befinden, und die durchschnittliche Größe liegt mit 12 Hektar deutlich unter dem Landesdurchschnitt.
Wirtschaftlich gesehen ist das beschauliche Nelson allerdings alles andere als unbedeutend! Hier gibt es den größten Fischereihafen Australasiens. Zudem ist die kleine, pulsierende Stadt Nelson die Basis für neuseeländische Weinexporte. Von hier aus wird alles, was von der Südinsel kommt, sowie ein großer Teil des Weins der Nordinsel verschifft. Anders als in anderen Regionen Neuseelands wird die Landschaft hier in diesem sonnigen, maritimen Klima nicht von Weinreben dominiert, denn die landwirtschaftlich wichtigsten Kulturpflanzen sind hier Kiwis, Hopfen und Beeren.
Nelsons erstes Weingut wurde 1868 gegründet und war bis 1939 in Betrieb. Doch ein »Temperance Movement«, das den Konsum von Alkohol und Zigaretten reduzieren sollte, war bereits im 19. Jahrhundert ein Thema in Neuseeland. Bei einer Bürgerabstimmung im April 1919 waren 49,9 Prozent der Einwohner Neuseelands für die Prohibition dieser Genussmittel. Der Weinbau entwickelte sich daher nur sehr langsam. In den USA kam die Weinproduktion bis 1933 sogar offiziell zum Stillstand.
Erst 35 Jahre später, Mitte der 1970er-Jahre, wurde der Weinbranche der Region wieder neues Leben eingehaucht.
Hermann Seifried, ein in Neuseeland zugezogener Österreicher, begann 1974 damit, Reben in Nelson zu pflanzen. Kurze Zeit später kamen neben Seifried weitere Pioniere hinzu, wie beispielsweise Tim & Judy Finn vom Weingut Neudorf, das innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem der Top-Chardonnay- und Pinot-Noir-Produzenten und dem wichtigsten Qualitätsweingut Neuseelands avancierte.
Nelson ist in zwei deutlich differenzierbare, ausgeprägte Unterregionen unterteilt: die Waimea Plains und die Moutere Hills. Im Gegensatz zum benachbarten Marlborough gibt es hier wie gesagt keine so weit ausgedehnten, weitläufigen Gebiete, um große homogene Rebflächen anzupflanzen.
Die Waimea Plains sind in einem ehemaligen Flussbett gelegen und werden daher von Schwemmlandböden dominiert. Die wasserdurchlässige, kiesige Beschaffenheit der recht tief liegenden Böden macht es meist erforderlich, dass Reben bewässert werden müssen. Die Weine von hier sind generell eher elegant und auch zarter, was ihren Körper angeht.
Die Moutere Hills erheben sich im Nordwesten über den Waimea Plains. Hier ist das Wetter etwas feuchter und wärmer. Die Böden bestehen aus kiesigem Lehm, der mehr Feuchtigkeit speichern kann als die Schwemmlandböden der Waimea Plains. Daher kommen die meisten Weinberge hier ohne Bewässerung aus. Die daraus resultierenden Weine sind dichter, druckvoller und konzentrierter.
Aufgrund der Lage in der nordwestlichen Ecke der Südinsel Neuseelands fällt hier mit beinahe 1.000 mm Regen bedeutend mehr Niederschlag als im östlich von der Region gelegenen Marlborough. Der Westen und Süden der Region sind durch Hügel geschützt und durch diesen Regenschatten etwas trockener als der Norden und Osten. Die Sommermonate in Nelson sind generell warm und relativ trocken, die Regenwahrscheinlichkeit nimmt erst im Herbst zu.
Die Weinberge liegen unweit der Tasman Bay, die für ein kühles, sonniges, maritimes Klima sorgt. Durch die unmittelbare Nähe zur Küste werden die Sommertage von stetig vorhandenen Meeresbrisen abgekühlt. Nelson hat neben Marlborough oft die meisten Sonnenstunden Neuseelands. Aber selbst im Sommer bewegen sich die Temperaturen hier normalerweise zwischen angenehmen 22 und 25°C. Im Vergleich zur südlichsten Region der Inseln, Central Otago, wo kontinentales Klima vorherrscht, gibt es hier während der Wachstumsperiode geringere Unterschiede zwischen den Tages- und Nachttemperaturen, was zu sanfteren und runderen Weinen führt.
Sauvignon Blanc ist ebenso wie im benachbarten Marlborough auch in Nelson die wichtigste Rebsorte – mehr als 50 Prozent aller Weinberge sind mit ihr bepflanzt. Die jeweilige Lage (in der Ebene oder in den Hügeln) spielt eine wichtige Rolle für die Stilistik des Weins. Generell zeigt sich die Rebsorte hier etwas kühler als in Marlborough und nicht ganz so opulent aromatisch. In Lagen, die relativ flach und warm sind, kann sich das Fruchtprofil durchaus exotisch und voll süßer, reifer roter Apfel-Aromen darstellen.
Chardonnay und Pinot Gris machen jeweils etwa 10 Prozent der Anpflanzungen in der Region aus. Aus den Waimea Plains kommen eher elegante, im Holzfass ausgebaute Versionen, während die reichhaltigeren Varianten eher aus den Moutere Hills kommen.
Pinot Noir ist die am häufigsten angebaute rote Rebsorte und macht etwa 15 Prozent der Rebfläche aus. Die täglichen Temperaturschwankungen sind wie gesagt moderat. Besonders in der Ebene führt das zu einer sanfteren Interpretation der Rebsorte im Vergleich zu den würzigen, erdigen Pinot Noirs aus Central Otago im Süden der Insel. Die hügeligen Lagen Nelsons können allerdings intensivere, konzentriertere Versionen der Rebsorte hervorbringen.