Grauburgunder ist für mich die Easy Drinking Rebsorte schlechthin. Der perfekte Wein für jede Grillparty oder ein lockeres Treffen mit Freunden, die mit feinen Weinen nichts anfangen können. Das ist auf gar keinen Fall negativ gemeint, im Gegenteil, Grauburgunder ist everybody’s darling. Und du machst damit in den seltensten Fällen etwas falsch. Preislich bewegen sich solche Weine oft im 10 € Segment, sie bereiten also Spaß, ohne dir Löcher in die Taschen zu fressen. Für größere Anlässe rücken dann andere Rebsorten in den Vordergrund. Das dachte ich zumindest bis vor Kurzem.
Aber immer der Reihe nach. Nachdem ich das erste Mal einen Wein von Ziereisen im Glas hatte, den »Talrain Blauer Spätburgunder«, war ich so begeistert, dass ich sofort mehr von Ziereisen trinken wollte. Ich entschied mich für den Hard Chardonnay und es war erneut der Wahnsinn. Das war für mich der Moment, in dem ich die Kollektion des Weinguts mal genauer unter die Lupe nahm. Ich sah die üblichen Verdächtigen im Sortiment von Ziereisen, doch plötzlich sprang mir ein Exot entgegen. Der Jaspis Grauer Burgunder für schlappe 50 €. »Was zur Hölle ist das denn bitte?«, war mein erster Gedanke. Einem Grauburgunder in diesem Preissegment begegnet man nicht häufig. Normalerweise scrolle ich an solchen Weinen vorbei und kaufe sie nicht, ohne sie vorher schon mal probiert zu haben. Doch die Ziereisen Weine, die ich zuvor im Glas hatte, haben mich dermaßen geflasht, dass ich dem Typen alles zutraute. Ich wollte unbedingt wissen, was er aus einem Grauburgunder rausholen kann und ließ mir eine Flasche zuschicken.
Kaum angekommen zog ich auch schon den Korken raus, ich wollte nicht geduldig sein; die Vorfreude war einfach zu groß. Als der feine Tropfen endlich im Glas war, hielt ich die Nase rein und was mir da entgegenkam, hatte rein gar nichts mit dem Grauburgunder Sommer-/Partywein zu tun, den ich eingangs beschrieben habe. Ich habe nochmal aufs Etikett geschaut, ist das wirklich ein Grauburgunder oder hat man mir ausversehen einen gereiften Riesling geschickt? Oder einen Chardonnay? Nein, es war tatsächlich Grauburgunder.
Der Duft der mir in die Nase stieg erinnerte mich an dunklen, zähflüssigen Akazienhonig. Begleitet von deutlichen Petrolnoten, herrlichen Wildkräutern und einer feinen Würze. Mit viel Fantasie lässt sich auch ein bisschen eingelegte Ananas rausschnuppern, aber definitiv nicht vordergründig. Ich fing innerlich an zu feiern: »Das wird ein Fest!«, dachte ich mir. Ich begann das Trinken zu zelebrieren, instinktiv, nicht bewusst. Bevor ich das Glas zum Mund führte, schaute ich mir den Ziereisen Jaspis Grauer Burgunder nochmal genauer an. Das Zeug ist eher trüb und verfolgt kein von der breiten Masse propagiertes Schönheitsideal. Ziereisen macht mit diesem Grauburgunder sein eigenes Ding. Ich war gespannt, wie es schmeckt. Kaum hatte ich den ersten Schluck im Mund, musste ich zufrieden lächeln. Ziereisen treibt mich schon wieder in den Wahnsinn und katapultiert sich langsam aber sicher zu einem meiner Lieblingswinzer.
Frische, feine Säure kitzelt meinen Gaumen. Der Tropfen ist zwar blutjung, die Petrolnoten und cremige Konsistenz lassen ihn jedoch deutlich älter wirken. Beim Trinken läuft mir förmlich das Wasser im Mund zusammen, ich will mehr davon. Leicht holzig und mit zarten Raucharomen läuft mir der Jaspis Grauer Burgunder den Gaumen hinunter. Frucht sucht man hier vergeblich, ist aber auch nicht nötig. Wie gesagt, Ziereisen macht mit diesem Wein sein eigenes Ding und schwimmt gegen den Strom. Das ist kein weichgespülter Sommerwein, das ist eine Urgewalt. Wie das wilde, unruhige Meer, dass ungebändigt stetig gegen die Felsen prallt. Das Schönste ist jedoch, dass dieser Wein eine gefühlte Ewigkeit am Gaumen bleibt. Fast schon wie die unendlichen Weiten des Horizonts. Schnappt euch diesen Wein, setzt euch hin und genießt die Aussicht.