Während meines Studiums habe ich bei einem kleinen Weinhändler gearbeitet und hatte dieses GG aus 2013 ziemlich oft in der Hand – ich war einfach extrem neugierig auf diesen Wein. Dann stand Weihnachten 2016 vor der Tür und ich gönnte mir die Flasche. Entkorkt und direkt begeistert – wow, was für ein genialer Riesling! Überhaupt nicht laut, er war einfach so super balanciert und elegant. Diese Finesse hat mich ziemlich beeindruckt. Was für eine Konzentration bei gleichzeitiger Leichtigkeit – das kann nur Riesling! Reduktion auf das Wesentliche zum Hochgenuss – ein archetypischer, großer, trockener Moselriesling mit Terroirausdruck. Das macht für mich einen großen Wein von der Mosel aus.
Ein Berg von Weltruf
Sehr wahrscheinlich war der »Brauneberger« der erste Moselwein, der auch im Ausland bekannt wurde. Im 19. Jahrhundert war dieser Riesling DAS Modegetränk schlechthin an den Tischen der gehobenen Londoner Gesellschaft. Auch heute zählen die Weine von der Top-Lage Brauneberger Juffer und ihrer Kernparzelle – der Juffer-Sonnenuhr – wieder zu den besten Rieslingen Deutschlands. Zu verdanken ist das den enorm qualitätsbewussten Winzern, die in den vergangenen Jahrzehnten großartige Weine von diesen Lagen produziert haben – allen voran Oliver Haag. Als er den Familienbetrieb von seinem Vater Wilhelm – einem der legendärsten Moselwinzer aller Zeiten – übernahm, war das sicher kein leichtes Erbe. Aber Oliver hat es geschafft, darauf aufzubauen, das Weinmachen noch weiter zu optimieren, und produziert heute extrem feine, sehr ausdrucksstarke und puristische Rieslinge – sowohl im trockenen als auch restsüßen Bereich.
Oliver Haag – Meister des Terroirs
Die Brauneberger Juffer ist so etwas wie die »Hauslage« bei Fritz Haag. Ein bildschöner Südhang an der Mittelmosel, auf den man vom Weingut aus blicken kann. Blauer und grauer Devonschiefer mit Eiseneinschlüssen, sehr karg und stellenweise extrem steil. In der Mitte liegt das beste Stück, quasi das »Filet« der Juffer – die Sonnenuhr. Durch die Südausrichtung kann es hier in den Sommermonaten oft ziemlich warm werden, der Waldgürtel, der die Lage umschließt, schützt sie aber wiederum sehr gut. Winzer Oliver Haag schafft es wie kein anderer, die verschiedenen Facetten dieser Großen Lage herauszuarbeiten und in seinen Weinen abzubilden. Jedes Jahr aufs Neue bin ich extrem begeistert von seinem Gutsriesling, der besonders in den letzten drei Jahrgängen mit seiner Präzision in diesem Segment eine Benchmark für mich ist. Stephan Reinhardt bewertete den 2019er mit 94 Parker-Punkten und nannte ihn einen »spektakulären Wein, der sich mit den besten Weißweinen der Welt messen kann« – ein Ritterschlag!
Oliver Haag hat den Moselriesling sicher nicht neu erfunden, aber eben extrem gut interpretiert. Die Weine haben etwas Klassisches an sich, ohne jemals zu langweilen.
Das Juffer GG steht quasi sinnbildlich für die Philosophie von Oliver Haag. Er ist im positivsten Sinn unaufgeregt, besticht durch seine Kühle und Steinigkeit, aber ohne dabei wirklich karg zu sein, denn es gibt immer auch eine saftige Fruchtkomponente in den Weinen. Das ist einfach Terroir pur, sehr schick mit viel Substanz und Rückgrat, aber – typisch Haag – eben vor allem durch sein feines, mineralisches Skelett und nicht durch Wucht oder duftiges Aroma. Die Weine aus der Sonnenuhr sind ähnlich elegant und präzise, aber vielleicht immer noch ein bisschen druckvoller. Auch die restsüßen Weine zählen zur absoluten Spitze – das Kabinett aus der Juffer ist so unbeschwert, tänzelnd fein und wirkt überhaupt nicht wirklich süß. Eher erfrischend und glockenklar wie ein Gebirgsbach. In der Jugend so etwas wie eine »Limo für Erwachsene«, mit etwas Reife ein toller Speisenbegleiter. Oliver Haag hat den Moselriesling sicher nicht neu erfunden, aber eben extrem gut interpretiert. Die Weine haben etwas Klassisches an sich, ohne jemals langweilig zu werden. Ohne auch nur ein Gramm Fett wirken sie beeindruckend – das ist purer Hedonismus in seiner präzisesten Form.
