Normalerweise mache ich mir keine so großen Gedanken darüber, wie gut ein Wein zum jeweiligen Essen passt. Meistens geht es nach dem Prinzip: Ausprobieren. Und wenn man einmal dramatisch daneben liegt, wird das Leeren der Flasche eben auf später verschoben und eine weitere entkorkt. Will man sich aber Gedanken machen, lautet eine sehr gute Faustregel »what grows together, goes together«. So kann man beispielsweise mit Barolo zur Trüffelpasta garantiert nicht daneben liegen. Aber ab und zu kommt es auch bei Kombinationen, deren Partner einige hunderte Kilometer voneinander entfernt entstehen, zu einer kulinarischen Offenbarung. Eine ist der Genuss, wenn Chablis und Austern aufeinander treffen.
Die wilde Auster – Handarbeit im Wattenmeer
In den 1980er Jahren wurden die ersten Exemplare der Pazifischen Auster im Wattenmeer der Nordsee vor Holland zur Zucht ausgebracht. Die optimalen Lebensbedingungen für die Auster – die sich vor allem von Plankton ernährt – sorgten dafür, dass sie sich schnell über die Zuchtanlagen hinaus ausbreiten konnte und nun im gesamten Wattenmeer-Gebiet wild zu finden ist. Bei Ebbe fahren die Fischer zu den Austernriffen raus und lösen ihre Beute Stück für Stück mit Hilfe dicker Handschuhe und einigem Werkzeug aus ihrer Verankerung. Im Anschluss folgt das Abschleifen. Wilde Austern werden oft etwas fleischiger und größer als ihre Konkurrenz aus der Zucht. Schließt man beim Schlürfen dieser großartigen Exemplare die Augen, dann kann man die ungestüme, salzige Nordsee vor dem inneren Auge sehen. In der Weinsprache wäre das dann wohl das Terroir!
Deshalb ist Chablis mein »perfect match«
Trocken, mineralisch und eine hohe Säure – das sind die Säulen des Erfolgs beim Pairing von Weißwein und Austern. Aber was macht besonders Chablis zu einem so guten Partner? Die Antwort liegt einem quasi zu Füßen: Es sind die Kimmeridge-Kalk-Böden des Chablis. Lange bevor Jesus überhaupt auf die Idee kam, Wasser in Wein zu verwandeln, stand das Chablis unter Wasser und war Teil eines Urmeeres. Die Böden, auf denen heute Chardonnays von Weltruf entstehen, schlagen ihre Wurzeln in die fossilen Überreste einer mittlerweile augestorbenen Austernsorte namens Exogyra virgula. Und da schließt sich der Kreis wieder. Die beiden Produkte, unverfälscht und handwerklich produziert, haben eine enge Verbundenheit. Das ist ein Genuss-Garant!
Patrick Piuze – FOR THE WIN
Ich kam bereits in den Genuss, einige grandiose Chablis mit Austern zu genießen. So fällt es besonders schwer, neben Namen wie William Fevre oder Billaud Simon auf nur einen Erzeuger zu zeigen. Aber Patrick Piuze nimmt auf meiner Favoritenliste einen ganz besonderen Platz ein. Die Weine sind kompromisslos karg, von wunderbar kühler Stilistik und schon so jung zugänglich… sollte man unbedingt probiert haben.
Und Augen auf beim nächsten Ausflug ans Wattenmeer. Vielleicht ist eine Auster in Griffweite. Selbst geerntet schmeckt dann noch mal doppelt so gut.