Auf unserer kleinen Tour durch die autochthonen Rebsorten Italiens, verschlägt es uns heute in das östliche Zentral-Italien, genauer genommen in die Marken, Heimat der Verdicchio. Die Region liegt zwischen der allseits bekannten Adria und dem Apennin Gebirge. Die Hafenstadt Ancona bildet die Hauptstadt der Marken. Die Region waren lange nicht auf dem Schirm des Qualitätsweinbaus Italiens zu finden, obwohl sich durch den durch Meeresablagerungen kalkhaltigen Untergrund sowie das relativ warme Mittelmeerklima eigentlich gute Voraussetzungen ergeben. »Masse statt Klasse« war lange Zeit das vorherrschende Kredo, was sich in den letzten Jahrzehnten allerdings zu Gunsten der Qualität gedreht hat.
Ampelio Bucci und die Villa Bucci
Einer der Vorreiter für qualitativ hochwertige Weine war (und ist heute immer noch) Ampelio Bucci. Seine Familie besitzt das Weingut Villa Bucci, welches nahe der Stadt Montecarotto angesiedelt ist, bereits seit dem 18. Jahrhundert. Aber erst im Jahre 1982 machte sich Ampelio auf, richtige Weltklasse aus seinen Reben zu holen. Vom Start seines Unterfangens hinweg, wurde er tatkräftig vom, speziell für seine herausragenden Weißweine bekannten, Önologen Giorgio Grai unterstützt. Das Weingut produziert heute etwa 120.000 Flaschen und ist seit über 25 Jahren für seine organische Bewirtschaftungsweise zertifiziert.
Neben Wein, was eher ein kleiner Zweig des Imperiums ist, produziert die Familie auf ihrem riesigen Landbesitz Olivenöl, Zuckerrüben, Erbsen, Sonnenblumen und Weizen. Lediglich 31 von wahnsinnigen 988 Hektar sind mit Reben bepflanzt. Das Gros, etwa 25 Hektar ist mit Verdicchio (den Rest bilden Sangiovese und Montepulciano) bestockt, eine Rebsorte deren Namen zwar ab und an fällt, wenn über italienischen Weißwein gesprochen wird, mir zuvor allerdings lediglich in unterer bis mittlerer Qualität untergekommen ist.
Verdicchio, eine Traube mit Potential
Zunächst einmal musste ich lernen, dass aus Verdicchio extrem langlebige Weine hergestellt werden können. 20 Jahre und mehr ist kein Problem, wenn richtig vinifiziert wird. Die Traube besitzt einen hohen Anteil an Polyphenolen in der Schale und reift relativ langsam aus. Lange Mazerationszeiten auf den Schalen wagen jedoch relativ wenig Winzer, da die Gefahr besteht, dass der Wein zu bitter gerät. Verdicchio gibt es als Schaumwein-Variante genauso wie trocken oder süß ausgebaut. Die mit Abstand besten Ergebnisse werden allerdings im trockenen Bereich erzielt. Neben dem Hauptgebiet Marken, wächst Verdicchio als Trebbiano di Soave auch in Venetien. Beide Rebsorten gelten als genetisch identisch.
Die Entwicklung hin zu einem der großen Weißweine Italiens
Zurück zu Ampelio Bucci, der 1982 seinen ersten Verdicchio »classico« auf die Flasche zog. 1983 folgte dann eine Riserva Abfüllung, die damals nicht als solche tituliert werden durfte. Erst im Jahre 1995 bekam der Verdicchio Riserva seinen offiziellen Status gebilligt. Heute steht Castelli di Jesi Verdicchio Riserva auf dem Etikett, was ein Problem der italienischen Bürokratie offenbart, deutet diese Bezeichnung doch auf die Örtlichkeiten anstatt die (zumindest meines Erachtens nach) wichtigere Rebsorte hin.
Die Arbeit im Weinberg und Keller
Buccis Trauben für seine Weine kommen von fünf unterschiedlichen Weinbergen. San Sebastiano (ca. 15 Jahre alte Reben, Südausrichtung, 250 bis 280 Meter hoch) und Bando (ca. 25 Jahre alte Reben, Südausrichtung, 160 bis 170 Meter hoch) liegen in der Nähe der Stadt Serra de’ Conti. Direkt in Serra de’ Conti liegt der Weinberg mit dem ältesten Plot an Reben (ca. 55 Jahre) von Bucci. Montefiore ist Süd-West ausgerichtet und liegt auf 200 bis 220 Metern Höhe. Daneben gibt es noch zwei weitere Weinberge außerhalb von Montecarotto. Zum einen Vigna di Villa Bucci (ca. 45 Jahre alte Reben, Ostausrichtung, 340 bis 360 Meter hoch) sowie Vigna Belluccio (ca. 45 Jahre alte Reben, Süd-Ost Ausrichtung, 320 bis 340 Meter hoch). Der Untergrund ist nahezu immer vom Lehm dominiert.
Jeder Weinberg wird im Keller separat vinifiziert und ausgebaut. Die Arbeit im Keller ist sehr traditionell und hat sich über die Jahre hinweg wenig verändert. Sicherlich auch eines der Geheimnisse, warum die Bucci Weine so extrem konstant sind. Es kommt nur Stahl und 50 sowie 75 Hektoliter Fässer aus slowenischer Eiche zum Einsatz.
Verdicchio Riserva und Verdicchio Classico
Die Riserva ist zumeist eine Blend der ältesten Reben, da sie die meiste Komplexität und Reifepotential bieten. Allerdings spielen die Jahrgangsspezifischen Merkmale genauso eine Rolle wie die Performance des jeweiligen Weinberges. Bucci entscheidet jedes Jahr zusammen mit dem bereits angesprochenen Giorgio Grai über die Finale Zusammensetzung. Dabei spielen die kühleren Plots der jeweiligen Weinberge, bedingt durch den Klimawandel und den damit einhergehenden höheren Temperaturen, zunehmend eine größere Rolle. Der Rest geht in den Verdicchio Classico, der nicht minder gut ist.
Und wie schmeckt das Ganze jetzt?
Der Verdicchio Classico 2015 fließt im breiten goldgelb ins Glass. Schon beim eingießen bemerkt man die hohe Viskosität des Weines. In der Nase Apfel, etwas frühreife Birne, Orangenabrieb und eine Tick Mandesplitter. Trotz seiner ganzen Power und Intensität, ist der Wein am Gaumen gut ausbalanciert. Ein ganzer saftiger Obstgarten, gemixt mit einem Hauch Marzipan. Dazu eine wunderbar cremige Note im lang anhaltenden Finale. Ein sehr ausdrucksstarker Wein, der aber niemals vordergründig wirkt.
Im Gegensatz zum Classico zeigt die Risvera aus 2014 bereits ein deutliches Plus an Tiefe und Intensität in der Nase. Der Apfel wirkt reifer. Hinzu kommt Apfelschale, reife Honigmelone, Quitte, überreife Mirabelle, Akazienhonig und Bittermandel. Im Mund unglaublich saftig, intensiv. Das Holz stützt den Wein von unten, drängt sich aber nicht in den Vordergrund. Auch die Säure, obwohl knackig, ist toll eingebunden. Das Finale ist powervoll und unheimlich lange. Ein wunderbares süß/bitter Spiel im Nachgang runden das Bild dieses wirklich außergewöhnlichen Weines ab. Hier schlummert noch richtig viel Potential unter der Haube. Ich würde dem Wein noch mindestens zwei Jahre Zeit geben, erst dann wird er aus allen Rohren feuern. Wenn Sie (wie ich so häufig) keine Geduld haben, gönnen sie ihm ein Bad in der Karaffe, trinken sie ihn nicht zu kalt und benutzen große Burgunder-Gläser.
Last but not least: Ein Rotwein
Bucci produziert neben seinen legendären Verdicchios noch etwas Rotwein. Der Pongelli 2014 ist eine Cuvee die je hälftig aus Montepulciano und Sangiovese besteht. Kirschfrucht in roter und schwarzer Ausprägung dominiert die Nase. Hinzu kommt etwas Veilchen und eine erdige Note. Am Gaumen drückt die Sangiovese mit ihrer höheren Säure durch. Sehr lebendig mit einer schönen Pflaumen Komponente im Abgang.