Häufig werde ich als vegan lebende Weinliebhaberin gefragt: vegane Lebensweise und Genuss, geht das überhaupt? Ich denke, ja! Gerade jetzt im Rahmen der aktuellen Situation von Corona und immer präsenterem Klimawandel, machen sich mehr Menschen Gedanken über nachhaltige Ernährung, Gesundheit und Umweltschutz, ohne dabei den Genuss aus dem Spiel lassen zu wollen.
Dabei sollte es aber nicht darum gehen mit erhobenem Zeigefinger und missionarisch die Welt »belehren« zu wollen, sondern vielmehr darum, eine alternative und begleitende Genussreise zu den bisherigen Traditionen aufzuzeigen. Flexitarisch, vegetarisch oder komplett ohne tierische Produkte zu leben, kann nämlich echt spannend sein. Man muss nur »open minded« für Neues sein, dann gibt es »Food- und Weintechnisch« eine Menge zu entdecken.
Man muss nur ›open-minded‹ für Neues sein, dann gibt es ›Food- und weintechnisch‹ eine Menge zu entdecken.
Auch unsere Winzer*innen, vor allem die junge Generation, die gerade oder vor ein paar Jahren die Weingüter ihrer Eltern übernommen haben, sind auf dem Vormarsch und wissen, dass vegan/vegetarische Ernährung im Trend liegt und verändern einiges im Weinberg und Weinkeller. Mit enormer Leidenschaft und Freude arbeiten sie daran, von naturnah bis hin zu biodynamisch (Demeter zertifiziert) zu arbeiten, dabei auf Herbizide und Fungizide zu verzichten und im Einklang mit der Natur Weinbau zu betreiben. Insektenwiesen, mechanische Bearbeitung von Unkräutern, teilweise auch durch tierische Helfer (Ziegen und Schafe), organische Düngung, vegane Filtration mit z. B. Mineralerde oder pflanzlichen Proteinen anstatt Gelatine und tierischem Eiklar oder der totale Verzicht auf Filtration, sind nur einige Beispiele, mit denen die Winzer*innen arbeiten. Dabei entstehen Weine von herausragenden Qualitäten, die die Fachwelt und die Weinbegeisterten immer wieder in Staunen versetzen.
Veganer Wein – Geht das überhaupt?
Auch kritische Stimmen gibt es natürlich, wie bei allen Dingen, die neu, anders sind oder zu Veränderungen anregen. Kann Wein vegan sein? Ein von Menschen gemachtes Naturprodukt, ja, aber vegan? Das bei der Weinlese auch kleine Insekten und Kleinstlebewesen mit in die Presse gelangen, lässt sich nicht ausschließen. Bei vegan lebenden Menschen wird jedoch nur das bewusste Töten von Lebewesen abgelehnt.
Veganismus ist eine Lebensweise, die versucht – soweit wie praktisch durchführbar – alle Formen der Ausbeutung und Grausamkeiten an leidensfähigen Tieren für Essen, Kleidung und andere Zwecke zu vermeiden; und in weiterer Folge die Entwicklung und Verwendung von tierfreien Alternativen zu Gunsten von Mensch, Tier und Umwelt fördert.
(Vegan Society, 1979, cit. after vegan.at)
Folgen wir der offiziellen Definition der Vegan Society, so steht die ungewollte Verarbeitung von Kleinstlebewesen nicht im Widerspruch zum Veganismus und deshalb ist bei entsprechender Arbeit im Weinberg, Weinkeller und Verkauf auch Wein als vegan zu bezeichnen. Diese Arbeitsweise ist natürlich wesentlich aufwendiger, da viel mehr Schritte in Handarbeit erledigt werden müssen und wer sich als Winzer*in für diesen Weg der Weinherstellung entschieden hat, für den gehört meist auch eine faire Entlohnung der Mitarbeitenden zur Lebensphilosophie. Dass diese Weinherstellung ihren Preis haben muss, sollte uns klar und dies auch wert sein. Um dies auch offiziell zum Ausdruck zu bringen, können sich die Winzer*innen ihre Weine zertifizieren lassen, z. B. mit dem Vegan Label. Hier hilft ein Blick auf das Etikett der Weinflasche, um zu sehen, ob der Wein tierfrei hergestellt wurde. Aber nicht alle Winzer*innen lassen Ihre Weine zertifizieren, obwohl sie beispielsweise vegan und oder biodynamisch arbeiten, denn die Label kosten natürlich Geld. Da jedes Weingut unterschiedliche Philosophien mitbringt, hilft dann ein Gespräch mit dem Winzer oder der Winzerin selbst, mit dem Weinhandel des Vertrauens, oder man schaut auf den Internetseiten der Weinhändler, die diese Weine schon oft deklarieren.
Auch in der Gastronomie werden mittlerweile aufgrund der Nachfrage vermehrt vegetarisch/vegane Speisen und Menüs angeboten. Die Kreativität der Speisen, kombiniert mit wunderbaren Weinen, animiert auch zusehends überzeugte Fleischliebhaber*innen, gerne mal zwischendurch einen anderen Genussmoment zu erleben, bei dem geschmacklich auf nichts »verzichtet« werden muss.
Über eines sollten wir uns aber im Klaren sein: Ob herkömmlich oder vegan produzierter Wein, Genuss, Freude und Stoff für anregende Gespräche bieten alle. Unsere Winzer*innen sind auf einem guten Weg herausragende Weine im Einklang mit der Natur zu erzeugen, damit auch zukünftige Generationen noch dieses herrliche Getränk genießen und darüber »fachsimpeln« können. In diesem Sinne: Cheers to you und auf die besonderen Genussmomente im Glas.
Wine-Food Pairings – Meine Favoriten der letzten Wochen
Wer jetzt Lust auf einen veganen Wein im Glas bekommen hat und den nächsten Wocheneinkauf bereits gedanklich plant, um das Genussglück zu vervollständigen, hat hier unten erste Inspirationsmöglichkeiten.
Wein Heinrich meets Veganes BBQ.
Wenn es mal schnell gehen muss, ist mit frischen Kräutern, hochwertigen Ölen und Balsam Essig gewürztes Ofengemüse ein absoluter Gewinn. Schmeckt auch erkaltet als Antipasti hervorragend zu Baguette und Dips. Der 2018er »Naked White« stammt vom Österreichischen Weingut Heinrich. Die Reben dieser Cuvée wachsen auf Kalk- und Schieferböden rund um den Neusiedler See im schönen Burgenland. Winzer Gernot Heinrich vermählt gekonnt einen bunten Strauß verschiedener heimischer und internationaler Rebsorten miteinander. Hauptbestandteil ist Chardonnay, zusätzlich Weissburgunder, Welschriesling, Neuburger, Muscat Ottonel und Grüner Veltliner. Handlese, Spontanvergärung inkl. biologischem Säureabbau und Lagerung für 14 Monate auf der Naturhefe im großen Holzfass, anschließend unfiltriert und ungeschwefelt abgefüllt, sind die Arbeitsschritte, die dieser »Naturwein« durchlaufen hat. Eine zarte Extravaganz umgibt den »Naked White«. In der Nase ein Duft von reifem Apfel gepaart mit feinen Kräuternoten, floralen Nuancen und etwas Würze, dazu eine leichte Spontinase. Am Gaumen vollmundig, frisch, mit herrlicher Frucht, Mineralik und Salzigkeit. Im langen Nachhall wieder diese feine Mineralik und Frucht, gepaart mit leichten Bitternoten. Ein sehr spannender und vielschichtiger Vertreter seiner Art, der Spaß macht ihn zu entdecken.
Conus 2016 Alois Lageder
Alois Lageder passt ebenfalls wunderbar in diese Sammlung, denn er arbeitet komplett biodynamisch und vegan. »Lagrein« ist eine natürliche Kreuzung von Vernatsch x Teroldego und gehört in Südtirol mit zu einer der bedeutendsten Rebsorten. Der 2016er »Conus« Riserva vom Weingut Alois Lageder ist ein äußerst interessanter Vertreter seiner Art. Conus bedeutet im lateinischen »Kegel« und deutet auf den Gesteinskegel mit Hanglage hin, auf dem die Reben im Trentino auf 230 m Höhe auf Schotter-Sand Böden mit einem hohen Dolomitkalkanteil wachsen. Das Weingut Lageder arbeitet schon lange mit einem ganzheitlichen Naturverständnis und im Sinne der biodynamischen Landwirtschaft entwickelt Alois Clemens Lageder in sechster Generation sein Wissen ständig weiter, so dass auch der schonende Umgang mit den natürlichen Ressourcen Ausdruck seiner Lebensphilosophie ist. Kirschrot strahlt der »Conus« im Glas. Dezente Aromen von dunklen Früchten wie Waldbeeren, Kirsche und Pflaume erreichen die Nase, dazu florale Noten und nur leicht wahrnehmbares Holz. 12 Monate wurde der »Conus« Riserva teilweise in Stahl und kleinen Holzfässern ausgebaut. Am Gaumen ist er kraftvoll, mit schöner Frucht und durchaus präsenten Tanninen. Dazu gesellt sich eine feine Mineralik, die bis zum langen Finale anhält. Eine charaktervolle Weinerfahrung, die den Weinhorizont erweitert und zeigt, was kreativer Weinanbau alles möglich macht.