Zur Zeit des bevorstehenden Brexits scheint sich die Insel immer weiter von Europa zu entfernen. Im Wein aber geht der Blick doch deutlich Richtung Festland und beim Schaumwein vor allem in die Champagne. Die geologischen Gemeinsamkeiten zwischen Kent und der Champagne kann man bei allen Austrittsgedanken nicht wegdiskutieren und so lohnt es sich sicherlich, die Weine in Augenschein zu nehmen. Unser Autor Balazs Csorvasi wollte sich auf keinen Fall um diese neue Erfahrung bringen und hat probiert …
England, oh England, das Land des britischen Adels versorgt sich selbst mit edlem Schaumwein. Der Kenner weiß natürlich, dass die Engländer schon immer ein Faible für Wein und dessen Anbau hatten. Für die Meisten ist England eher bekannt für seine wilde, laute Pub-Kultur mit Bier in rauen Mengen. Das die Inselbewohner auch eine Vorliebe für feine Schaumweine haben, passt da nicht so ganz ins Bild. Zugegeben, auch ich hatte die Weine aus England bisher nicht auf dem Radar. Nun ja, man lernt nie aus, so auch in diesem Fall. Ein paar Recherchen im Netz offenbarten, dass in England sehr wohl Schaumweine produziert werden und zwar ziemlich gute. Es gibt sogar Stimmen, die englische Schaumweine auf eine Stufe mit denen aus der Champagne stellen, mehr noch, hier und da heißt es, die Champagne muss sich zukünftig warm anziehen. Das ist sicherlich zu viel des Guten, denn die Champagne zehrt ja nicht nur von ihrer tollen Qualität, sondern vor allem auch von dem ausgezeichneten Ruf und diesen holt man nicht so schnell ein. Nicht mal mit vergleichbarer oder sogar besserer Qualität.
Schubladendenken beenden
Nichtsdestotrotz, die Tatsache, dass es Stimmen gibt, die dem englischen Schaumwein soviel zutrauen, macht mich neugierig. Ich bin gespannt, was mich Abseits meines Schubladendenkens erwartet. Viele Bezugsquellen gibt es nicht, die Engländer lassen anscheinend nicht viel von Ihrem flüssigen Gold aus dem Land. Getreu dem Motto: »Eigentlich darf man niemandem verraten, wie gut der eigene Schaumwein ist.«, teilen nicht erwünscht. Verständlich, wenn das Zeug wirklich so gut ist wie sein Ruf.
Auch Lobenberg hat nur zwei englische Schaumweine im Sortiment, naja, was heißt »nur«, sie HABEN zwei englische Schaumweine im Sortiment. Und zwar den Balfour 1503 Classic Cuvée und Balfour 1503 Rosé von Hush Heath Winery aus Kent, ich bin gespannt, ob sie würdige Vertreter ihrer Zunft sind.
Hier bei Hush Heath wird zwar erst seit 2002 Weinbau betrieben, der Anspruch an die eigenen Erzeugnisse war jedoch von Anfang an sehr hoch. Mit der Unterstützung des Master of Wine, Stephen Skelton, sollten Weine nach dem großen Vorbild, der Champagne, gemacht werden. Ich bin gespannt, ob dies gelang und probiere einfach mal beide Weine.
Balfour 1503 Rosé von Hush Heath Winery
»Rosé all day« scheint die Idee hinter diesem Schaumwein zu sein. Ein zartes, mich magisch anziehendes Rosa weckt in mir die Vorfreude auf den ersten Schluck. Ich zelebriere den Moment und stecke die Nase tief ins Glas. Aromen von Waldbeeren mit einem Hauch von Honig kommen mir entgegen, spannend. Der Duft ist schüchtern, eher zurückhaltend und drängt sich nicht auf, scheint wohl die englische Etikette zu sein. Das hier ist kein rauer, lauter englischer Hafenarbeiter, sondern eher ein eleganter Vertreter des englischen Königshauses.
Der erste Eindruck bestätigt sich im Mund, ganz zart und feinperlig kitzelt der Balfour 1503 Rosé meine Zungenspitze, ich kann mir ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen. Kurz danach legt sich ein bunter Strauß an Aromen auf meinen Gaumen. Ein Mix aus Wald- und Erdbeeren, aber auch Nektarinen macht sich breit, die Konsistenz ist schön cremig. Eine sehr filigrane Säure tut ihr Übriges und rundet das Trinkerlebnis ab. Ich bin begeistert von der perfekten Balance, ich habe das Gefühl, dass sich keines der Geschmacksaromen in den Vordergrund drängt und auch keines in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Es ist von allem genug da und von nichts zu viel. Chapeau Hush Heath Winery, oder besser gesagt, congratulations
Balfour 1503 Classic Cuvée
Weiter geht’s im Programm, nach dem Balfour 1503 Rosé kommt nun die Balfour 1503 Classic Cuvée, mal schauen, ob die Cuvée mich ebenfalls so begeistert.
Balfour 1503 Classic Cuvée wird nicht als Rosé ausgebaut und kommt in einem zarten gelb daher. Zugegeben, die Erwartungshaltung ist nun deutlich höher als beim ersten Mal. Weiß ich doch jetzt, was in England so möglich ist.
Meine Nase verschwindet im Glas und ich inhaliere genüsslich den Duft, der sich darin versteckt. Es sind nun deutlich hellere Aromen, die mich begrüßen. Zitrusfrüchte und Apfelaromen lassen die Sonne in mir aufgehen und meine Vorfreude auf den ersten Schluck wächst ins Unermessliche.
frage ich mich und lasse ein bisschen von der Cuvée über meine Zunge gleiten. Es ist ein Fest. Winzige, prickelnde Perlen toben sich im gesamten Mundraum aus und ziehen ein Geschmackserlebnis mit sich, welches mir erneut ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Die Zitrusnoten werden begleitet von einem schönen, saftigem Apfelaroma, allerdings ohne fett zu wirken. Im Gegenteil, trotz der intensiven Geschmacksnuancen bleibt die Classic Cuvée schön schlank und mineralisch. Das Ganze ist schon wieder perfekt ausbalanciert, alle Eindrücke sind im Einklang miteinander, Harmonie pur.
Nicht vergleichen – genießen!
Es ist in der Tat beeindruckend, was Hush Heath da in die Flaschen bringt, ich hätte das nicht für möglich gehalten. Hätte mich jemand vor ein paar Wochen nach englischen Weinen gefragt, »Finger weg!« wäre meine Antwort gewesen. Seit heute denke ich anders, »unbedingt probieren« würde ich jetzt entgegnen.
Ob die Schaumweine von Hush Heath es mit den Verwandten aus der Champagne aufnehmen können, bleibt schwer zu beantworten. Waschechte Champagner-Jünger werden ohnehin niemanden auf Augenhöhe mit ihren Lieblingen akzeptieren. Kritiker hingegen nehmen Schaumweine wie die von Hush Heat sicherlich zum Anlass, um die Vormachtstellung der Champagne anzuzweifeln.
Es würde den Balfour 1503 Weinen so oder so nicht gerecht werden, sie so hart in den Vergleich zur Champagne zu stellen, zumal die Wahrheit wohl irgendwo in der Mitte der beiden Ansichten liegt. Meiner Meinung nach muss es an der Stelle auch keinen Gewinner geben. In der Champagne werden hervorragende Weine produziert und in England halt auch. Genau wie in vielen anderen Nationen der Welt, ausgezeichnete Aussichten für Weinfreaks wie mich.
Also warum ständig diese unnützen Vergleiche ziehen, anstatt das Zeug einfach zu genießen? Und jetzt Prost, ähm Santé oder doch Cheers?!