Ja dieser Sake ist wohl nicht das üblichste Getränk unserer traubenlastigen Weinwelt, weshalb manch einer mit seinem Namen wenig anfangen kann. Der verwendete Rohstoff des japanischen Weins ist Reis. Reiswein? Sowas pappsüßes, das man beim Asiaten um die Ecke als erbärmliches Geschenk zum Chicken Süß-Sauer bekommt? Nicht doch. Sake ist nämlich ein hochwertiges und extrem interessantes Getränk.
Allein die Herstellung ist viel aufwändiger als die unseres bekannten vergorenen Traubensaftes. Da fängts nämlich schon an! Das Gären von Reis unterscheidet sich deutlich vom herkömmlichen Trauben-Weg. Für eine alkoholische Fermentation brauchen wir Zucker, genauer Monosaccharide. Also Einfachzucker. Warum klebt nun Sushireis? Wegen der Stärke in Form von Amylose in den Reiskörnern. Die ist aber ein Polysaccharid. Also viele, viele Einfachzucker, die zusammen pappen. Um die Dinger jetzt auseinander zu bekommen gibt es einen super coolen Pilz – Koji genannt – der die Stärke spaltet. Man nimmt also einen Teil vom zuvor gedämpften Reis und gibt die Pilzsporen dazu. Nun werden Stärke-spaltende Enzyme gebildet. Mit dieser Starterkultur wird der Reis beimpft. Das schaut dann so aus, wie als ob man einen Kuchen mit Puderzucker bestäubt. Danach können wir endlich unsere geliebte Hefe dazu geben, die den Zucker isst und in Alkohol umwandelt. Im Prinzip ist das Ganze also eine Zweistufige Fermentation. Doppelt cool also.
Verwirrend wie der deutsche Wein
So hat auch Sake solche vollkommen verwirrenden Qualitätsstufen wie der deutsche Wein. Doch ist ein Reiswein einer höheren Stufe nicht unbedingt besser, sondern entspricht einfach bestimmten Kriterien. Allerdings geht es nicht um Oechsle (also Zuckergehalte), sondern um den Poliergrad der Reiskörner. Man kann sich das vorstellen wie bei einem Toffifee. Isst man das ganze, so hat man viele unterschiedliche Aromen. Vielleicht auch ein paar undefinierbare Krümel, die noch an der Hand hängen von anderen Snacks. Fieselt man dann eine Schicht weg, bleiben etwas wenigere, aber dafür besser definierbare Aromen. Am Ende bleibt die reine und pure Nuss. Je mehr ein Reiskorn also »poliert« ist, desto purer wird der Geschmack des Sakes und das wird eben als hochwertig definiert. Außerdem hat es den Hintergrund, dass durch den Poliervorgang Fette und Proteine, welche Fehltöne verursachen, entfernt werden und das Stärke-Herz besser vom Kojipilz »erreicht« werden kann. Vor allem früher, als die Technologie rund um Sake noch nicht ausgereift war, war das wichtig.
Ein hoher Poliergrad heißt, es wird wenig poliert. Solche Exemplare haben mehr Säure und eher getreidige Noten. Ein niedriger Poliergrad bedeutet demnach, es wird viel weggeschruppt.
Ich veranschauliche: 100% = hoch = ganzes Korn. 50% = niedrig = halbes Korn.
Nun wirds kompliziert. Man könnte fast denken, ein Deutscher hat sich das ausgedacht. Die Stufen haben natürlich auch Namen. Bis 70% (Poliergrad) sprechen wir von Junmai, bis 60% von Junmai-Ginjo und ab 50% von Junmai-Daiginjo. Wenn nun der Wein noch mit Alkohol versetzt wird, so streicht man das Junmai weg und ersetzt es im ersten Falle durch Honjzo. Früher diente das dazu, dass der Sake länger haltbar war. Heute verlängert es den Geschmack und macht das Aroma ausdrucksstärker.
Reis als Basis für die Qualität
Schlussendlich ist aber natürlich das Grundprodukt, Reis, für die Qualität des Sakes die Basis. Darum gibt es wichtige Parameter dafür, wie ein Reiskorn für die Herstellung des Weins, sein muss. Also Milchreis kann man nicht verwenden, wer hätte das gedacht. Premium Sake Brauer verwenden nur den Besten. Das bedeutet er sollte wenig Protein haben, viel Amylose und einheitliche Korngröße. So baut zum Beispiel Kuheiji Kuno mit seiner Brauerei in Nagoya seinen Reis selbst an, um solch einen zu produzieren, dessen Körner die perfekten Voraussetzungen besitzen. Auf diesem Weg schafft er es wahre Terroir Sake zu produzieren, welche er sogar mir Jahrgang versieht. Pasteurisiert wird erst wenn der Sake abgefüllt wird, sodass sich im vorherigen Reifeprozess von ca 2–3 Wochen das Zucker-Säure Verhältnis ausbalanciert mit Hilfe der noch aktiven Enzyme. Vom reinsten Wasser, das direkt aus den Bergen kommt, über das Reisfeld, bis zum Brauhandwerk – alles muss perfekt sein. In diesem Sinne tauft er einen seinen Sake aus der Sorte Yamada Nishiki »Wasser der Begierde« – »Eau de Désir«. Begehrenswert ist auch der grün-fruchtige Duft des 50 % polierten Reisweins. Ananas und Grapefruit bilden einen vollmundigen, aber zarten Fruchtkörper. Wie ein Parfüm tänzeln Aromen von Honig, Grüner Apfel und Gletscherbonbon in der Nase. Im Mund viskos, mit einer leisen Säure. Das Gesamtbild zeigt sich filigran und glasklar. Übrigens kann man sogar das eigentlich Abfallprodukt, welches nach der Trennung des flüssigen vom festen Bestandteil anfällt, das Sake Kasu, weiter verwenden. Es handelt sich dabei um ein Gemisch aus Wasser, Proteinen, Alkohol, Zucker und Hefen, sprich dem Maische-Kuchen, mit dem Fleisch oder Gemüse mariniert wird oder zur der Suppe gegeben wird. Die Vorteile finden also kein Ende. Großartig.
Und für was jetzt diesen ganzen Wirrwarr? Weil es sich lohnt! Sake eröffnet uns eine völlig andere Aromenwelt, die es zu ergründen bedarf. Einen Fehler darf man dabei nicht machen und das ist, ihn mit normalen Wein zu vergleichen. Man vergleicht ja auch nicht Toffifee mit Gummibärchen oder? Seine geringe Säure kann ein unglaublicher Mehrwert sein. Zum Beispiel, wenn es ans Foodpairing geht. Roher Fisch, wie bei Sushi oder einem Tatar, passt hervorragend und wenn ich nur an die Käse-Sake Kombi denke… ein Traum. Auch das Pairing mit Fleisch ist hochinteressant. So werden Wildgerichte sanft parfümiert und vor allem etwas fettigeres Fleisch, wie Lammhaxen oder generell Wagyu durch die frischen Aromen beflügelt. Sowie so. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Man muss sich eben mal außerhalb seiner Komfortzone bewegen. Darauf ein Glas Sake.
Ou. Eins noch. Wer guten Sake erwärmt kommt in die Hölle, haben wir uns verstanden?