Wenn man eine Reise in diese Region unternimmt, die sich als über 27.000 Hektar Weinberge umfassendes, großes, rechteckiges Weingebiet (35 ×115 Kilometer) entlang des Flusses Duero (in Portugal dann Douro) zwischen Burgos, Valladolid, Soria und Segovia erstreckt, mit der mittigen Hauptstadt Aranda de Duero, fallen einem natürlich zuerst die berühmten »alten« Namen ein, die den Weltruhm der schon im Tal auf 800 Höhenmetern gelegenen Weinregion (die jungen Wilden und Bio-Genies der heutigen Zeit gehen auf über 1.200 Meter hoch) geprägt haben.
Begründet wird dies mit der hier populären Tinta del País, einer kleinbeerigeren und dickschaligeren Version des Tempranillos. Ihr Ursprung liegt in der deutlich kühleren Rioja, die etwa 200 Kilometer nordöstlich auf nur 500 bis 800 Höhenmetern liegt. Tinta del País zu Tempranillo ist so etwas wie die Petit Syrah zur Syrah. Viel konzentrierter und tanninreicher, mehr Power. Alles bei größerer Tageshitze und kühleren Nächten, hier wird alles tagsüber gekocht und nachts gefroren. Extreme Weine mit viel Druck und Wucht, erst in 1.000 und mehr Höhenmetern werden die Weine dann auch elegant und fein. Manch ein berühmter Winzer der alten Schule (z.B. Vega Sicilia) hat im Laufe der Zeit auch Cabernet Sauvignon und Merlot in den Blend genommen. Für die jungen Puristen ein Sakrileg. Ergänzt wird die Hauptrebe Tinta del País durch die fast in Vergessenheit geratene weiße Rebsorte Albilla Mayor, die in bester Hochlagenausprägung bei kleinem Ertrag durchaus zu den Spitzen-Weißweinen Spaniens gezählt werden kann. Aber das ist immer noch ein Geheimtipp.
Vega Sicilia
Ich beginne meine Reise auf nur 750 Höhenmetern. Vega Sicilia hat das ganze Weingebiet fast im Alleingang auf die Weltkarte der besten Weine gehoben. Seit über 150 Jahren steht das Weingut für unvergleichliche Weine, die weltweit begehrt sind und von Sammlern und Kennern gleichermaßen geschätzt werden. Von europäischen Königshäusern bis hin zu Winston Churchill – die Liste der Bewunderer ist lang. Und wer kennt nicht den »Unico«? Eine Legende der ersten Stunde, die das Weingut nicht umsonst in die absolute Top-Riege Spaniens katapultiert hat. Doch es ist nicht nur der »Unico«, der das Weingut so legendär gemacht hat. Vega Sicilia selbst steht für eine ganze Reihe von Weinen, die allesamt höchste Ansprüche erfüllen und sich vor allem durch ihre außergewöhnliche Langlebigkeit und Tiefe auszeichnen. Jeder Schluck verkörpert das Vermächtnis von Tradition, Innovation und kompromissloser Qualität, die dieses Weingut zur Ikone gemacht haben. Jedes Jahr aufs Neue erscheinen Weine, die nicht nur selten, sondern auch absolut einzigartig sind und in der großen Welt der Weine ihresgleichen suchen. Und: Wenn man 30 Jahre wartet, ist das viele Holz der extrem langlebigen Weine integriert und die Weine verzücken alle Genießerinnen und Genießer. Mich natürlich eingeschlossen! Das meiste hier wächst flach und in großer Hitze am Fluss. Die Weine sind eher alkoholreich und entfalten mit der Zeit ihr volles Potenzial!
Bodegas Emilio Moro
Einen ähnlichen Weg geht die mittlerweile hochmodern restaurierte und ausgebaute Bodega Emilio Moro. Die Weine wachsen hier eher in den Bergen. Das Weingut selbst ist »State of the Art«. Die in der französischen Eiche ausgebauten Weine haben die absolut richtige Balance gefunden. Modern und reich und üppig, aber das Holz als Stütze und nicht als Schminke. Moros Weine befinden sich zwischen den perfekten, hedonistischen Modernisten Telmo Rodriguez und Eduardo Eguren mit ihren alten und wiederbelebten Vinifikationsmethoden. Hinter Emilio Moro können die Standard-Fans des Ribera stehen, aber auch die Freaks. Eine Allzweckwaffe!
Hacienda Monasterio – Peter Sisseck
Ein weiterer Ursprung der Berühmtheit ist Peter Sisseck mit seinen zwei Weingütern Pingus und Hacienda Monasterio. Monasterio erschuf er vor dreißig Jahren mithilfe von Geldgebern aus Jerez de la Frontera. Groß, rechteckig, extrem praktisch und pragmatisch. In seiner Schlichtheit trotz der Größe ein sehr geschmackvolles und schönes Weingut. Und gut! Weine aus den Bergen. Feine, nicht gekochte Frucht, hohe Eleganz, zurückhaltendes französisches Holz. Peters ganzer Stolz ist sein erst zehn Jahre später aus der Taufe gehobenes Kultweingut Pingus (das war sein Spitzname als Kind in Dänemark). Klein, edel, modern zwar, aber schick und schön, toll entworfen und gebaut am Fluss. Die Weinberge aber ganz hoch oberhalb von Sastre gelegen. Zu Recht berühmt! Schon im Abo 100 Punkte bei den besten Verkosterin. Dazu ein Sympathieträger erster Güte, ein toller Mann und Winzer. Der leider nicht in unserem Portfolio befindliche Wein (sehr, sehr rar) ist eine extrem gelungene Kreuzung aus Eleganz und Finesse mit Konzentrat und Holz, alles passt auf den Punkt! Aber bitte zehn Jahre Flaschenreife vor dem Genuss.
Bodegas Telmo Rodriguez
Einer der besten Freunde Peter Sissecks ist der in ganz Spanien extrem umtriebige Telmo Rodriguez. Groß geworden in der Rioja mit dem Familienweingut Remelluri, verfiel er schon vor 20 Jahren den uralten Reben in den Hochlagen (1.000 Meter) von Ribera. Über 100 Jahre alte Reben, oft wurzelechte Tinta del País als Buschwein, winzige Erträge und kleine Mengen. Hochkonzentriert und hochfein zugleich. Hedonismus und doch viel fetter als seine Rioja-Weine, aber süffig und lecker trotz des Konzentrats. Ein altes restauriertes Kellergebäude dazu, eingemietet bei einem befreundeten Einheimischen.
Cuentavinas Vinos de Origen
Das gleiche Modell fährt der aus der Rioja ebenfalls aus gutem Stall kommende und hochwohlgeborene Eduardo Eguren. Uralte Reben in Hochlage. Sein Tinto fino könnte der Bruder des Matallana sein. Beide Winzer kennen die Finesse der Rioja und wollen unbedingt trotz der Hitze und Kälte der Ribera keine Konzentrate, sondern wollüstig leckere Unikate auf die Flasche bringen. Zwei geniale Winzer, Ziel erreicht!
Dominio de Atauta
Die Freaks unter den »All Stars« sollen diesen Abschnitt abschließen. Das arrivierteste und älteste dieser Weingüter, fast schon als etabliert zu bezeichnen, ist Dominio de Atauta. In Atauta gelegen, einem Bergdorf in Richtung der Ostgrenze von Soria. Schon das Tal liegt auf 1.000 Metern Höhe, da geht’s erst los mit den Weinbergen. Extremes Klima, in der Wachstums- und Erntezeit so gut wie nie Regen, wurzelechte Reben auf Kalkstein, bis zu 160 Jahre alt. Monumente der Ewigkeit entstehen hier. Biologischer Weinbau. Ausbau nach Vergärung mit und ohne Rappen in Beton, Amphore oder Stahl, immer nur in französischem Holz. Diese Unikate und Monolithen verfügen ob des vorsichtigen Ausbaus und der sorgfältigen, nie zu fordernden Vinifikation und vor allem wegen der Nachtkühle der Hochlagen über ein hohes Maß an Finesse.
Dominio de Es
Als Auskoppelung hat vor einigen Jahren der angestellte Önologe und Weinmacher Bertrand Sourdais sein eigenes Weingut Dominio de ES gegründet. Bertrand stammt eigentlich von der Loire, wo er mit seinen Eltern die Domaine Pallus in Chinon betreibt. Er hatte die uralten Weinberge in Atauta über Jahrzehnte, quasi »still und heimlich«, zusammengesucht. Die Weinreben sind zwischen 100 und 160 Jahre alt. Buschwein auf Kalkstein, drei winzige Einzellagen und noch mehrere kleinere Plots, die in seinem Village münden. Die Lagen Carravilla, La Mata und La Diva sind die höchstmögliche Präzision und Finesse, die man sich in Ribera del Duero vorstellen kann. Er muss sich keineswegs hinter Dominio de Atauta oder Águila verstecken, sein La Diva mag sogar in Bezug auf Finesse und Komplexität der wahre Gegenspieler von Álvaro Palacios’ L’Ermita im Priorat, Telmo Rodriguez’ Beatas, Frontonios Jardin Iguales und Peter Sissecks Pingus sein.
Für den Schluss habe ich mir die verrücktesten, risikobereitesten, qualitätsmäßig ambitioniertesten »jungen Wilden« aufgehoben. Beide leben in Bezug auf ihr Weingut noch etwas provisorisch, aber »all in« im Weinberg. Uralte kleine Plots auf 1.200 Metern Höhe. Beide sind nicht nur verrückt qualitätsbesessen, sondern haben eine extreme Wissens- und Ausbildungsbasis.
Ich bin sicher, diese beiden stellen schon jetzt und noch mehr in der Zukunft die Speerspitze des wirklich elitären spanischen Weinbaus dar!
Dominio del Aguila
Jorge Monzón ist Master of Wine MW, er weiß alles über Wein, Weinbau, Weinberge, Keller, Fässer und, und, und. Und er war schon überall auf der Welt in den Weinbergen und Kellern, um zu lernen. Ohne Französisch zu können, war er zum Schluss hoch angesehener Mitarbeiter in der Domaine de la Romanée-Conti. Weitere Länder folgten, aber auch Zeiten in der Vega Sicilia in Ribera. Er lernte alles, was man machen muss, könnte oder besser bleiben lassen sollte. Zusammen mit seiner Frau und Partnerin Isabel Rodero gründete er schließlich im Bergdorf La Aguilera (hoch in den nördlichen Bergen über Aranda de Duero) das neue Weingut Dominio del Águila. Er suchte und fand uralte kleine Weinberge mit bis zu 150 Jahre alten Reben in Buschform und eine tief nach unten in den Berg getriebene Kellerei. Hier entstehen mit die allerbesten Rot- und sogar Weißweine der ganzen iberischen Halbinsel. Totaler Schliff, totale Finesse und doch extrem konzentriert und komplex.
Bendito Destino
Last, not least: In Peñafiel, im südlich davon und 300 Meter höher gelegenen Canalejas, treffe ich den Griechen Terry Kandylis. Ein Grieche in Peñafiel? Funny. Er ist Master-Sommelier, war Sommelier des Jahres in Griechenland, aber auch in England, wo er bis zur Corona-Pandemie der angesehenste Superstar in der Drei-Sterne-Gastronomie war. Aber er hatte auch immer Bezug zu Weinbergen und arbeitete in seinen freien Zeiten in unzähligen Weinbergen und Kellern. Mit Covid kam dann die Zwangspause in der Gastronomie. Nach einem Jahr »Rumhängen« beschloss Terry, seiner wahren Passion zu folgen. Mit einem Freund aus Ribera del Duero wanderten sie durch das Weingebiet und fanden auf bis zu 1.200 Metern Höhe uralte kleine, verlassene Weinberge. Sie mieteten sich bei Freunden in Weinkellern ein und fingen an. Bendito Destino war geboren. Der Freund ging auf dieser Reise verloren, aber Terry ist ein Genie, das sich durchzubeißen vermag. Erst bei George Monzon gewesen zu sein und abschließend bei Terry, führt mir den wahren Wert tief verwurzelter und total ambitionierter Winzerschaft vor Augen. Gegen das, was bei den »neuen Wilden« passiert, sind die Rioja und selbst Bierzo und Valdeorras und die Ribeira Sacra schon arriviert.
Die Ribera del Duero mit ihren wilden Berglagen beeindruckt auf eine ganz eigene Weise. Hier entstehen Weine, die in ihrer Intensität und Charaktertiefe einzigartig sind. Die Kombination aus extremer Landschaft, klarem Klima und leidenschaftlichem Handwerk macht diese Region zu einem Juwel, das noch lange nicht entdeckt ist. Ribera del Duero ist nicht nur eine Weinregion, sondern eine Welt für sich. Wie Udo Lindenberg schon sang: »Hinterm Horizont geht’s weiter.«