2021 ist wirklich das Weinjahr der Zeitreisen: Nachdem wir in Bordeaux von teils herausragenden Qualitäten und in Deutschland gar von spannungsgeladenen Krachern überwältigt wurden, machten wir uns voller Zuversicht auf den Weg ins Rhônetal. Von unserem langjährigen Partnern Michel und Bastien Tardieu hatten wir schon im Vorfeld detaillierte Infos über den Jahrgang erhalten. Späte Lese, insgesamt höhere Säuren und perfekte Phenolik ließen an der Rhône Erinnerungen an die »guten alten Zeiten« hochkommen. Voller Neugier also sitzen wir im Auto auf unserem 13-stündigen Trip nach Südfrankreich.
Auftakt – wie jedes Jahr – ganz im Süden bei Tardieu. Von dort aus werden wir uns in der kommenden Woche in Richtung Norden hocharbeiten. Es ist hier immer der perfekte Einstieg, weil man direkt einen Gesamteindruck von der Region bekommt, denn von Châteauneuf über Rasteau und Gigondas bis zu Côte Rotie und Hermitage arbeitet Tardieu hier mit zahlreichen, kleinen Top-Winzern zusammen. Wir verkosten hier also Süd- und Nordrhône direkt nebeneinander, DIE Gelegenheit schlechthin, um sich ein umfassendes Bild vom Jahrgang zu machen.
Tardieu
Wir starten mit den Weißweinen und sehr schnell wird klar: 2021 könnte eines der besten Weißweinjahre ever an der Rhône sein! So viel Tiefe und klirrende Mineralität bei beeindruckender Frische gab es hier seit langem nicht. Bastien sagt, seitdem er 2010 begann seinen Vater hier im Weingut zu unterstützen, hat er noch nie so geringe Alkoholwerte und so viel Finesse in den Weißweinen gehabt. Alle Blancs liegen bei 12,5% bis 13,5% vol. – das ist schon eine echte Sensation.
Weiter geht es mit den Roten und wow – was für einen extraterrestrischen Gigondas wir hier im Glas haben! Feine Himbeere mit Schwarzkirsch-Schub, floral, verspielt und unterlegt von salziger Kalksteinmineralität. Unendliche Feinheit und das Ganze in hoher Konzentration – in 2021 geht das an der Südrhône! Das ist vielleicht der beste Gigondas den Tardieu jemals gemacht hat. Auch Châteauneuf ist auf unfassbar hohem Niveau mit dieser genialen Balance und hedonistischer Saftigkeit.
Tardieu Nordrhône
Dieses Spiel setzt sich auch an der nördlichen Rhône fort: Tardieus Côte Rotie ist wie von einem anderen Stern! 2021 soll hier ein komplizierter Jahrgang gewesen sein? Niemand, der dieses Meisterwerk der Feinheit im Glas hat, würde das auch nur ansatzweise vermuten. Betrachtet man die Mengen, lässt es sich aber leider nicht leugnen, denn durch vereinzelten Frost im April gab es in einigen Appellationen dramatische Verluste. Umso schöner ist es, dass man nun durchweg von dieser beeindruckenden Qualität belohnt wird. Auch Hermitage ist in 2021 so anders als sonst. Wir haben hier überhaupt nicht diese unendliche Power wie in den warmen Vorjahren, sondern viel mehr verblüffende Seidigkeit und Trinkfreude, eher an Cornas erinnernd. Das gefällt mir sehr, denn es ist einfach so viel zugänglicher. Ich wage mich jetzt einfach mal und lege diese 2021er Kollektion ganz offen auch Burgunderfans wärmstens ans Herz! Wenn dieser Jahrgang überall so schick, balanciert und gleichzeitig doch auch kraftvoll ist wie bei Tardieu, wird das ein ganz großer Jahrgang sein. Wir sind begeistert und weiterhin gespannt…
Definitely Red
Weiter geht es gen Süden nach Châteauneuf du Pape. Die nächsten Tage werden wir bei Andreas und Maria Lenzenwöger verbringen. Andreas macht als Winemaker der Domaine Pegau seit Jahren einen herausragend guten Job. Mit seinem eigenen kleinen Garagen-Projekt »Definitely Red« interpretiert er Châteauneuf auf eine gänzlich neue Art und Weise. Es gibt nur zwei Weine, vom Weißwein sogar nur ein einziges Barrique in 2021. Die Reben stehen komplett in Châteauneuf du Pape, aber durch ihren unkonventionellen Natural-Touch dürfen die Weine eben nur als Vin de France bezeichnet werden. Le Blanc ist kein fetter Wein, trotzdem ist der so mega-konzentriert. Tanningerüst und Phenolik – das haut einen fast aus der Kurve. Was für ein immenser Kracher, echter Freakstoff. Naturwein in einer Intensität wie selten erlebt.
Auch der Rotwein lässt uns kurz sprachlos werden, denn wir haben hier zwar einen reinsortigen Grenache im Glas, aber der Wein erinnert fast eher an den 21er Château Clinet, den wir vor zwei Wochen in Bordeaux probiert hatten. Klingt schräg, aber in dieser Kombination aus konzentrierter Frucht, genialem Frischekick und profunder Würze ist das schon fast Pomerol-artig, aber schlank und fein bleibend. Unglaublich schick und trotzdem ein ziemliches Powerteil. Natural-Terroirwein auf hohem Niveau!
Clos Saint Jean
Am nächsten Tag steht ein straffes Programm in Châteauneuf du Pape an. Es geht los bei Clos Saint Jean. Vincent erzählt uns von einem herausfordernden Jahr, denn es gab auch in Châteauneuf Frost. Glücklicherweise liegen aber über 80% von Vincents Weinbergen in der Top-Lage »La Crau«, die von niedrigen Temperaturen verschont blieb. Allerdings waren viele Winzer nach den letzten Blockbuster-Jahren nicht an diese späte Reife gewohnt. Auf Clos Saint Jean hat man gewartet, später und vollreif gelesen – das hat sich schlussendlich ausgezahlt. Wir verkosten hier einen dramatisch feinen, aber auch einfach superleckeren La Mitrale Blanc. Die roten 2020er sind ebenfalls deutlich feiner, viel burgundischer als die kraftvollen Powerteile aus 2019. Wie so oft ist Deus Ex Machina hier das Highlight, aber auch dieser hat als 2020er fast schon Chambertin-Anlagen mit diesem Schub von salziger Himbeere und feingliedriger Zartheit. Absolut genial.
Usseglio
Weiter geht es bei Raymond Usseglio. Wie auch schon auf einigen Châteaus in Bordeaux, hat man hier einen Dichte-Sortierer verwendet, um wirklich nur die reifsten Beeren selektieren zu können. In 2021 haben wir hier endlich einen wunderbar balancierten Jahrgang. Normalerweise sind die Weine hier eher klassisch gehalten, dichter, mehr auf der süßlichen Frucht laufend als auf der Frische. Dieser kühle Twist im 21er bringt hier aber einen ordentlichen Schub Spannung mit rein. Meine persönliche Entdeckung ist »Le Péché Originel«, ein fantastisch saftiger Wein aus 100% Cinsault. Unfiltriert und ungeschwefelt, viel satte Kirschfrucht und feine, salzige Kalksteinmineralität. Leicht gekühlt ist das ein Vin de Soif der Extraklasse.
Pegau
Dann Pegau. Nachdem Andreas uns am Abend zuvor seine eigenen Weine gezeigt hat, sind wir umso gespannter, was er gemeinsam mit Inhaberin Laurence Feraud auf der Domain Pegau vinifiziert hat. Und wow, schon der Einstiegs-Châteauneuf Blanc »Réservé« ist ein absolut präzises Meisterwerk! So zupackend und vor steiniger Mineralität strotzend haben wir Pegau Blanc selten erlebt, ja eigentlich noch nie. Super fokussiert und geradeauslaufend, ultrapikant, alles zieht sich zusammen. Man erkennt Andreas’ Handschrift deutlich, das ist vielleicht best-ever hier auf der Domaine und kann nur vom »A Tempo«, den wir als Fassprobe verkosten, getoppt werden.
Das ist einfach noch mal eine Nummer konzentrierter, dichter, sicher der langlebigere und größere Wein, aber die Réservé ist jetzt schon so unfassbar schön zu trinken. Die Rouges sind durch die Bank ähnlich präzise, fleischig, überhaupt nicht überkonzentriert, sondern voll auf Finesse laufend. Seidiges Tannin geküsst von feiner, süßer Frucht. Traumhaft schick! Der 2020er Da Capo ist geradezu atemberaubend großer Stoff, so würzig und tief wie selten. Hier passt wirklich alles – einer, wenn nicht DER Châteauneuf des Jahrgangs 2020. Chapeau, Laurence und Andreas!
Clos des Papes
Zum krönenden Abschluss des Tages steht dann der Besuch bei Vincent Avril auf Clos des Papes an. Quasi der Burgunder im Châteauneuf-Kleid. Dieses ultrafeine, seidige, was der Jahrgang 2021 hat, passt perfekt zum Stil des Hauses. Hier wurden allerdings nur 16 Hektoliter pro Hektar gelesen, es gab über 40 Prozent Verlust durch Frost. Am meisten war die Syrah betroffen, deswegen gibt es von dieser Sorte deutlich weniger im finalen Blend. Ein sehr feiner Jahrgang auch nach Vincents Einschätzung, nicht weit weg von 2020, vielleicht eine Spur eleganter. Sehr blumige Nase mit Veilchen und Rosenblättern, aber auch duftige Frucht. Unglaublich reife, seidige Tannine. Der etwas höhere Anteil an Mourvèdre lässt den Wein ein bisschen an Beaucastel erinnern in dieser unendlichen Feinheit. Zudem ist Vincent trotz der Mini-Erträge sehr zufrieden mit seinem Blanc. Nicht spitz in der Säure und trotzdem ist er unglaublich frisch. Überhaupt nicht fett, aber so intensiv, so dicht. Auch hier einer der schönsten Blancs seit vielen Jahren.
Ein perfekter erster Tag in Châteauneuf mit überraschend homogenen Qualitäten. Wenn man von einem komplizierten Jahrgang hört, macht man sich natürlich erstmal auf vieles gefasst. Aber was wir hier bisher im Glas hatten lässt uns strahlen. Die Weine sind so ausdrucksstark, teilweise noch eine Spur feiner als im Mega-Jahr 2020.
Clos du Caillou
Am Dienstag geht es weiter auf Clos du Caillou. 2021 war auch hier nicht der einfachste Jahrgang, durch Frost gab es einen Verlust von rund 30 Prozent. Während der Lese gab es Regen, aber die Vacherons blieben geduldig und zählten schlussendlich zu den letzten, die mit der Lese begannen. Die Weine sind trotzdem im Schnitt rund 1 bis 1,5 Prozent geringer im Alkohol. Auch hier wurde alles auf Finesse gesetzt, sogar so weit, dass gänzlich auf die dichten Blockbuster-Weine wie den Reserve verzichtet wurde. Ein gewagter Schritt, denn man hätte den Wein schon produzieren können, aber laut Marilou würde er nicht den Stil des Jahrgangs repräsentieren. Man ist hier eben sehr authentisch. 2021 ist hier wie eine Art Mix aus einem leichteren 2018 und vielleicht der Eleganz aus 2008, aber nochmal anders, viel reifer und runder.
Zuwachs im Portfolio - Domaine de Panisse
Zudem gibt es mit der Domaine de Panisse weiteren Zuwachs im Portfolio. Das Weingut stand 2020 zum Verkauf und viele Top-Produzenten aus Châteauneuf waren extrem interessiert an diesem exzellenten Terroir. Schlussendlich fiel die Wahl auf die junge Familie von Marilou Vacheron mit ihrem Partner Antoine Robert, der gemeinsam mit Marilous Bruder Axel verantwortlich für den Weinbau ist. Sofort nach Kauf wurde mit der Umstellung auf biologischen und biodynamischen Anbau begonnen. Eine perfekte Gelegenheit, denn das Weingut liegt nur rund einen Kilometer von Le Clos du Caillou entfernt, in Courthézon, während andere Rebstöcke in der Parzelle Les Garrigues liegen, wo die Vacherons bereits 62 Hektar besitzen. Der enorme Vorteil dieses Weinguts ist die Tatsache, dass sich der gesamte Châteauneuf du Pape in einer einzigen Parzelle befindet, die um das Weingut herum liegt. Es gibt hier nur zwei Weine, einen Côtes du Rhône und einen Châteauneuf du Pape. Grenache, Syrah, Mourvèdre und alte Cinsault-Reben auf sehr sandigen Böden. Das Debüt ist wirklich fein und durchaus spannungsgeladen, unglaublich dicht und trotzdem sind die Tannine reinste Seide. Kein ganz großer Wein zum Niederknien, hätte aber innerhalb der Range von Clos du Caillou durchaus das Potenzial, zwischen Les Quartz und Les Safres angesiedelt zu werden. Das wird nochmal richtig spannend hier in den kommenden Jahren die weitere Entwicklung zu beobachten. Sehr schön!
Vieille Julienne
Dann Domaine de la Vieille Julienne, immer einer der absoluten Kracher. Im Vergleich zu 2020 war es hier in 2021 sehr schwierig die richtigen Entscheidungen zu treffen. Der Sommer war recht regnerisch, die Temperaturen waren eher frisch, aber immerhin gab es nur ganz geringe Verluste durch Frost. Normalerweise sind die Daumens viel sicherer und entspannter, aber 2021 musste etwas mehr gepokert werden. Wir verkosten hier den kommenden Jahrgang 2020 – durch die Bank eine nahezu atemberaubende Kollektion. Die Cuvée Reserve natürlich an der Spitze, aber Hauts Lieux und selbst die »kleinen« Weine Clavin sind ein extrem guter Wert. Wie soll nur 2021 mit dem Extra-Touch Finesse werden? Dafür müssen wir uns bis zum nächsten Jahr gedulden, aber die Wartezeit überbrücken wir mit den grandiosen 20ern.
Janasse
Ebenfalls beeindruckende 2020er gibt es auf der Domaine Janasse zu verkosten. Die bestechende Balance Jahrgangs lässt selbst einen Riesen wie den Vieilles Vignes absolut nahtlos erscheinen, ohne Ecken und Kanten, nur Samt und Seide. Ähnlich der All-Time-Favorit Chaupin, der einfach noch hedonistischer, delikater, feiner ist, nicht so voll auf die Zwölf wie 2019. Ganz anders als sonst, aber dieser feine, burgundische Touch steht den Weinen von Janasse extrem gut.
Vaudieu
Nächste Station ist Vaudieu, der Nachbar des sagenumwobenen Châteaus Rayas. Das Terroir ist hier tatsächlich auch ziemlich ähnlich. Besitzer Laurent Brechet erzählt uns etwas stolz, dass es hier noch nie Frost und auch noch nie Hagelschäden gab, selbst in 2021 nicht. Das Mikroklima ist hier einfach perfekt, quasi so etwas wie ein magisches Tal. Das schmeckt man auch in den Weinen, denn die 21er Blancs und 20er Rouge sind durch die Bank einfach fein und verführerisch.
Famille Perrin
Check-Out beim B&B der Lenzenwögers und dann rund eine halbe Stunde mit dem Auto weiter nördlich nach Gigondas. Dort verkosten wir auf Clos des Tourelles, dem Familienanwesen der Perrins, auch die Weine von Beaucastel. Matthieu Perrins Kommentar zum Jahrgang 2021: »Die Lese hat sich beinahe auf zwei sehr intensive Monate erstreckt, aber wir alle haben aus den Fehlern unserer Vorfahren gelernt. So haben wir am Ende einen traumhaft schicken Jahrgang eingefahren. Ich bin extrem zufrieden mit dem was wir jetzt hier im Glas haben!« Und ja, zufrieden ist mehr als untertrieben – wir sind begeistert von dieser genialen Frische, dieser burgundischen Finesse!
Schon der Coudoulet ist vielleicht einer der schönsten ever, aber der Châteauneuf du Pape von Beaucastel ist eine absolute Granate! Die Mourvèdre schwingt sich zu einer ungeheuren Feinheit auf – Finesse pur. Schlanker als die letzten Jahre, aber aromatisch eher noch aufregender, noch spannungsgeladener. Das ist eigentlich eher reinstes Burgund, mit einer fast vibrierenden, dramatischen Dynamik. Wenn man sich mitnehmen lassen kann von dieser hocharomatischen, seidigen Eleganz, von dieser Pikanz, dann ist man hier genau richtig.
In Sachen Größe kann ihm eigentlich fast nur der große Bruder aus dem eigenen Stall Konkurrenz machen: Die Hommage à Jacques Perrin ist in 2021 null, aber auch wirklich gar nicht fett. Klar, hier gibt es schon eine gewisse Opulenz und natürlich irre Tiefe und große Länge, aber der Wein trinkt sich so genial seidig, das sind einfach glatte 100 Punkte. Es wurde kaum entrappt, das bringt mehr Säure, Frische und Eleganz. Die Rappen waren wirklich schön reif, deshalb ging das so gut. Es wurde insgesamt auch mehr im Beton vinifiziert als vorher, es gibt keinerlei neues Holz, denn man möchte die Frische in den Weinen erhalten.
Beaucastel ist schon unique mit seinen 13 Rebsorten und dieser unfassbaren Trinkigkeit, die Hommage wirklich einer der absoluten Kracher des Jahrgangs 2021. Auf Clos des Tourelles gab es in 2021 ein wenig Frost, aber das hielt die Perrins nicht davon ab, hier einen extrem guten, unendlich feinen und trotzdem hocharomatisch-opulenten Wein zu produzieren. Bravo!
La Bouïssière
Bouïssière wird immer noch als Geheimtipp gehandelt, aber die Weine sind besonders in den letzten Jahren auf einem so konstant hohen Niveau, dass sie definitiv auf Augenhöhe mit den anderen beiden zu sehen sind. Thierry Faravel von La Bouïssière präsentiert uns seine schicken und extrem balancierten 2020er, die nochmal ein deutliches Plus an Charme aufweisen im Vergleich zu seinen großartigen, aber auch kräftigeren und dichten 2019ern. Das ist einfach so sanft zu trinken jetzt, aber auch Stoff der durchaus Lagerpotenzial hat.
Santa Duc
Gleiches trifft auch auf Santa Duc zu; deren Flaggschiff aus Gigondas Les Hautes Garrigues ist in 2020 alles andere als ein Dampfhammer, sondern viel geschliffener, eleganter und repräsentiert das Terroir direkt neben der Domaine in so einem wunderbar feinen und balanciertem Ausdruck. Zudem plant Benjamin Gras bald einen Weißwein mindestens auf Premier Cru-Niveau hier von den kühlsten Terrassen in Gigondas zu produzieren. Die Reben, die wir hier in der berühmten Lage Clos Derrière Vieille sehen, haben auf jeden Fall ordentlich Potenzial. Auch die Châteauneuf der Domaine sind in 2020 sehr feinpoliert und voll auf der Finesse laufend. Benjamins Einfluss macht sich immer mehr bemerkbar, er verfolgt einen sehr klaren und präzisen Stil, was enorm gut zu den Weinen passt. Sehr schön!
Saint Cosme
Last but not least für heute der Besuch bei Saint Cosme. Auch hier verkosten wir eine breite Range an wirklich brillanten 2020ern, besonders die Lieut-Dits aus Gigondas sind extrem ausdrucksstark und fesselnd, aber auch die Vinsobres werden von Jahr zu Jahr immer spannender. Hier sticht die Hochlage Les Cotes mit ihrer Intensität bei gleichzeitiger Finesse besonders heraus. Ich könnte mich gar nicht auf einen Favoriten hier in Gigondas festlegen, das Niveau ist bei allen unserer hier vertretenen Produzenten einfach so unglaublich hoch.
Calendal Cambie | Escaravailles
Wir beginnen den Tag in Rasteau auf der Domaine des Escaravailles, wo die leider kurz vor Weihnachten 2021 verstorbene Weinmacher-Legende Philippe Cambie immer zusammen mit seinem Partner Gilles Ferran von Escaravailles seinen eigenen Wein ausgebaut hat. Sein letzter Wein, der 21er Calendal Cambie ist so unglaublich köstlich und trinkig auch schon im jungen Fassstadium. Trotzdem kommt hintenraus ein tolles stützendes Volumen. Kein Powerwein, sondern ein intensiver, reicher, hocharomatischer Calendal. Der Wein braucht ein paar Jahre, um das ganze Holz zu verdauen, aber dann ist das Everybody’s Darling. Ein grandioser Zechwein und ein ehrenvolles Vermächtnis von Philippe Cambie.
Dann probieren wir die Weine von Escaravailles, die uns Gilles Ferran und Tochter Madeline hier vorstellen. Die Kollektion gefällt uns extrem gut, es sind sehr feine und balancierte Weine, der 2021er Weißwein La Galopine hat sogar das Zeug ein Star der Südrhône zu sein. Zumindest in diesem unglaublichen Preisbereich. Die roten 20er stammen von bestem Sand-Terroir hier in Rasteau und sind druckvoll mit strahlender Frucht. Zum Lunch gibt es einen 2010er Heritage 1924 aus der Magnum – was für ein genialer Stoff, der beweist, dass die Weine sich auch hervorragend entwickeln können. Eine tolle Neuentdeckung!
Alain Voge
Am Nachmittag sind wir in Cornas bei Alain Voge. Was Mitbesitzer und Winemaker Lionel Fraisse uns hier für eine burgundische Auswahl an Saint Peray auf den Tisch stellt, ist wirklich beeindruckend. Besonders der 2020er Crussol gehört zu den ganz großen Weißweinen der Rhône. Marsanne zu einer Größe und Erhabenheit auflaufend, wie sie in der Nase nur ein großer Burgunder zeigt. Im Mund enorm viel Grip, wenig Holzeinfluss, toller Säure und Länge. Stark! Auch der Sparkling »Les Bulles d’Alain« ist eine echte Rarität und Besonderheit.
Die Appellation Saint Peray selbst ist ja nur etwas mehr als 100 Hektar groß und nur rund 10% davon werden heute für die Schaumweinerzeugung genutzt. Früher war sie einmal sehr bekannt dafür, das ist heute leider etwas in Vergessenheit geraten. Vielleicht wird sich das mit diesem Schaumwein wieder ändern, denn hier haben wir wirklich großes Kino im Glas! Die Basis ist Marsanne aus dem Jahrgang 2016, der dann für über 4 Jahre per Champagnermethode in der Flasche auf der Hefe reifte. Genial und so anders mit der geringen Säure und den präsenten Bitterstoffen. Eine gelungene Reminiszenz an die regionalen Schaumweine aus alten Zeiten. Die roten 2019er bei Voge sind natürlich echte Kracher, wie man sie aus diesem Jahrgang auch erwarten würde. Spannungsgeladen, fordernd und groß. Echt beeindruckende Riesen für die Ewigkeit – wow!
Ogier
Starwinzer Stephane Ogier lässt uns im Keller jedes einzelne Lieut-Dit seiner Côte Roties verkosten. Hochspannend, ihm einfach bei seinen Ausführungen zu folgen und sich auf diese gänzlich verschiedenen Terroirweine einzulassen. Stephanes Cuvée Reserve ist wie immer ein absolutes Aushängeschild für diese Appellation – so feingeschliffen und gleichzeitig brachial mineralisch – extrem stark!
Château Grillet
Dann weiter zum Mikro-Château Grillet. Mythos am Rande von Condrieu mit eigenem Appellations-Status. Als wir hier oben ankommen und Kellermeisterin Jaeok Chu uns in den Weinberg führt, hätte das hier auch fast an der Mosel sein können. Wow, was für beeindruckende Terrassen! Der Preis für diesen Wein kommt nicht von ungefähr. Im Anschluss haben wir das Glück, gleich mehrere Jahrgänge Grillet verkosten zu können. Unfassbar spannender und hochkomplexer Stoff, aromatisch irgendwo zwischen großem Riesling und Top-Burgunder zu verorten. Wer würde hier auf Nordrhône oder gar Condrieu kommen? Den Mythos hat dieses Weingut zurecht verdient. Die Weine hier sind schon wie von einem anderen Stern.
Boisseyt | Levet
Am Nachmittag empfängt uns Romain Decelle auf seiner Domaine de Boisseyt. Romain macht hier wirklich einen herausragenden Job, die Weine sind wie immer sehr stimmig und wirklich ein großer Wert. Saint-Joseph von absolut burgundischer Qualität, das gibt es wirklich nicht überall.
Ein echter Gegensatz ist die urige Domaine Levet. Hier ist die Zeit quasi stehengeblieben. Das ist irgendwo witzig und kultig, aber die Weine sind absolute Blockbuster, die aber etwas Zeit brauchen, um verstanden zu werden. Der Spitzenwein »La Peroline« aus der legendären Lage Chavaroche ist ein echter Gigant, diese Würzigkeit schreit nach Geduld. Ziemlich einzigartig und trotz seiner gewollt spröden Art einer der besten Cote Roties des Jahrgangs.
Nach extrem erfreulichen Proben des 2021er Jahrgangs machen wir uns gespannt auf den Weg zu den letzten beiden Stationen: M. Chapoutier und Ferraton. Das ist perfekt, denn mit Tardieu haben wir einen ersten Eindruck vom Rhônetal bekommen und mit Chapoutier und Ferraton haben wir dann einen Abschluss, der uns auch nochmal durch alle Appellationen führt.
Chapoutier
Wir starten mit den Selection Parcellaires von Chapoutier, die uns Junior Maxime präsentiert. Er berichtet uns von einem anstrengenden Jahrgang 2021, denn hier gab es den größten Frost seit 1956. In Côte Rotie gab es dadurch rund 75 Prozent Ernteausfall, zum Glück aber weniger in Saint Joseph und Hermitage. Im Hermitage-Berg haben alle Winzer gemeinsam Kerzen aufgestellt, wodurch die Reben nicht erfroren. Ab Ende Mai bis September hat es dann fast jede Woche geregnet, seit den Neunzigern gab es hier nicht mehr so viel Regen.
Für die Biodynamiker war das eine extreme Herausforderung, weil so oft in den Weinberg gegangen werden musste, um zu spritzen. Alle Mühen haben sich schlussendlich aber ausgezahlt, denn die Weine von Chapoutier haben schon lange nicht mehr so überirdisch gestrahlt! Die Weißweine haben so eine irre Präzision und Frische, dass man sie fast als Gänsehautweine bezeichnen könnte. So viel zupackende Mineralität und Pikanz, das ist schier atemberaubend! Aber auch die Rotweine stehen dem in nichts nach. Sie sind ungemein fein, geschliffen und jetzt schon so schön zugänglich. Wirklich großes Kino hier bei Chapoutier.
Chapoutier ex Rhône
Chapoutier betreibt noch 3 weitere kleine Weingüter in Roussillon, im Elsass und in Australien. 2021 war so extraterrestrisch gut, ich konnte dem verblüffend guten Elsässer Schieferkopf genau so wenig widerstehen wie dem atemberaubenden Roussillon V.I.T. von Bild-Haut und dem »best ever« L-Block Shiraz aus Victoria. 2020 war da schon groß, aber 2021 stellt das nochmal in den Schatten. Bravo Maxime!
Ferraton
Am Nachmittag empfängt uns Marion Tricoire, die neue Verkaufsleiterin und damit Nachfolgerin von Patrick Rigoulet, bei Ferraton. Ferraton gehört zur gleichen Gruppe wie Chapoutier, ist bei allen eigenen Weinbergen komplett in der Biodynamie und deutlich kleiner als Chapoutier. Hier wird weiterhin auch alles separat und unabhängig vinifiziert, der Winemaker Damien ist einfach ein Genie. Allerdings war 2021 auch hier erstmal nicht einfach, in Les Picheres beispielsweise gab es einen Hagelsturm Ende Juli und deshalb große Verluste. Das war eine Art natürliche Ertragsreduktion, es gibt leider Mini-Mengen aber Winemaker Damien ist extrem zufrieden mit dem Ergebnis.
Schlussendlich ist auch hier die Kollektion wirklich extrem gut gelungen. Ferraton ist ohnehin nie übermäßig fett, aber die 21er zeigen einen noch nie da gewesenen Frischekick. Dramatische Finesse und so strahlende Frucht, die Weine sind einfach lecker, anders kann man es fast gar nicht sagen. Das ist wirklich beeindruckend! Im Anschluss machen wir noch einen kurzen Abstecher auf den Hermitage-Berg und beenden mit einem spektakulären Blick über die Rhône diese tolle Reise.
All in all ist 2021 an der Rhône ein Jahr für Finessetrinker, für Liebhaber der Feinheit, der Frische und der Eleganz. Es ist ein Jahr der puren Trinkfreude. Alles ist sofort da, offen und so unglaublich fein. Die Alkoholgrade liegen im Schnitt rund 1,5 Prozent unter denen der vergangenen Jahrgänge. Sowohl die Weißen als auch die Roten sind hervorragend balanciert und bestechen mit guten Säurewerten und hoher Frische. Die Weine sind hocharomatisch, die Frucht ist schmeichelhaft und fast schon spielerisch-abgehoben. Grenache voll auf der Pinot-Spur – wann gab es das zuletzt? An der Südrhône geht das in 2021.
Die nördliche Rhône bringt 2021 einen Stil, den dort viele für nicht mehr möglich hielten: Extrem fein und verspielt, fast schon schwebend und mit einer genialen Frische ausgestattet. Ein Jahr für große Weißweine mit strahlender Aromatik und hervorragender Lagerfähigkeit, ein Jahr für herrlich klassische, stilvolle, delikate Rotweine mit betörend ätherischen Noten von Pfeffer und Veilchen und ultrafeiner, aber aufregender Tanninstruktur. Nach der Strecke an mediterranen Blockbuster-Jahren hat man sich lange nach solchen klassischen Jahren gesehnt. Aber klassisch mit einem genialen Twist, denn am Ende vereint 2021 mit seiner schlanken, hochfeinen Art und der genialen Duftigkeit und Aromatik das Beste von damals und heute. »Zurück in die Zukunft!« – das beschreibt diesen aufregenden Rhône-Jahrgang wohl letztlich am besten.