Die Einflüsse, denen die österreichische Küche entstammt, sind so bunt, dass man nur staunen kann über die resultierende kaleidoskopartige Komplexität der dortigen Feinschmeckerei. Ihren Ursprung haben viele Gerichte in den bäuerlich-ländlich geprägten Regionen der Grenzräume zu Italien, Ungarn und dem einstigen Böhmen, hinzu kommt noch die alpine Prägung. Von den Kreuzzügen über die Auseinandersetzungen mit den Osmanen bis hin zu den verwandtschaftlichen, meist adligen Verbindungen – etwa nach Deutschland – hat alles seinen Anteil an der Entwicklung österreichischer Kulinarik. Der Weinbau hat sich dabei als steter Begleiter des guten Mahls in befruchtender Wechselwirkung mit der Esskultur fortentwickelt.
Ein Ort, der Leben mit und für zelebriert wie kaum ein anderer, ist das Wiener Beisl. Hier im prunkvoll-pulsierenden Herz Österreichs trifft heimische Genusskultur auf französisch inspirierte Bistronomie. Das Beisl ist ein typisches Speiselokal mit dem leicht rustikalen Charme eines Bistros. Gesäumt sind die schlicht gedeckten Tische meist von dunklem Holz und großen Spiegeln, nicht selten stehen sie unter prächtigen Kronleuchtern und schickem Altbaustuck. Sie erwecken dennoch nie den Eindruck, dass ein staubbedeckter Handwerker sich in seiner Pause nicht zum Essen hineintrauen würde. Das Beisl ist ein Melting Pot mit bunt gemischtem Publikum. Klasse und Couleur fristen hier hinter den Tafelfreuden ein erfreulich bedeutungsloses Dasein. Die Atmosphäre bewegt sich – je nach Lage des Lokals – zwischen gutbürgerlich und Bohème, doch alle eint eine gewisse Bodenständigkeit. Wer ins Beisl einkehrt ist typischerweise mehr Gourmand als Gourmet, und ganz recht so, denn üblicherweise fällt die Speise-zu- Porzellan-Ratio auf dem Tisch klar zugunsten der Lebensmittel aus. Hier wird glücklich, wer mit und wegen eines herzhaften Appetits angereist ist.
Wiener Beislkultur
Eine treffliche Symbiose mit dem Beisl unterhalten nicht nur die Bauernhöfe des Landes mit ihren regional-saisonalen Erzeugnissen, sondern auch die angrenzenden Weinregionen. Im besten Fall machen diese umliegenden landwirtschaftlichen Betriebe den Kern, den Genius Loci oder weinsprachlich das Terroir der Wiener Beislkultur aus. Auch wenn einige der hiesigen großen Klassiker von viel weiter weg stammen, wie etwa der Strudelteig mit ursprünglich türkischem Vorbild. Selbst von der Metropole Wien aus muss man nicht weit in die Ferne schweifen, um die vielfältige Weinkultur Österreichs vor sich aufblühen zu sehen: Viele Weinregionen liegen vor den Toren der pulsierenden Landeshauptstadt.
Das Krems- und Kamptal
Der Donau Richtung Westen folgend, erreicht man schon in Kürze den malerischen Donauraum. Hier finden sich neben dem pittoresken Traisental und einer der ältesten Weinbauregionen der Welt – dem Kremstal – auch die spektakulären Hügelzüge der Wachau und das vielfältige Kamptal. Wen wundert es da, dass der Wein in Strömen durch die Wiener Speiselokale fließt wie fast nirgendwo sonst auf der Welt. Ein Hedonisten-Mekka! Das nahe Kamptal wartet mit einigen legendären Weinlagen auf. Die Riede »Lamm« – einer der top Veltliner-Weinberge des Landes – erbringt in der Interpretation vom Weingut Schloss Gobelsburg einen elegant- gelbfruchtigen, köstlichschmelzigen Grünen Veltliner.
Himmlische Geschmackspforten eröffnen sich, wenn dieser Wein zu Tisch auf ein aus dem Handgelenk in Butterschmalz geschwenktes Wiener Schnitzel vom Tiroler Milchkalb trifft. Die Mineralität kommt ebenso krachend wie die goldbraune Schnitzelkruste daher – ein purer Hochgenuss. Ebenso klassisch, aber weit weniger grenzübergreifend berühmt, ist die Weinviertler Stosuppe aus Sauermilch, Sauerrahm, Wasser und Mehl. Ein Grüner Veltliner aus den kultigsten Gemeinden der Wachau wie Loiben oder Dürnstein, deren warm exponierte Hänge den Weinen eine köstliche Dichte und Cremigkeit mitgeben, greift die Rahmigkeit der Suppe perfekt auf. Zugleich sorgen die steinig-kargen Terrassen der hiesigen Top-Lagen in den Weinen für eine berauschende, herbsaftige Säurefrische, die auch die sahnigste Suppe am Gaumen mühelos durchdringt. Die besten Wachauer sind klar wie die Salzburger Salzach, kristalliner und feiner geht es im Weißwein kaum noch. Nicht ohne Grund ist die Wachau die renommierteste Weinregion des Landes.
Feuriger, herzhafter und ungarischer angehaucht wird es, wenn man Wien zum Süden hin verlässt und auf die den See säumenden Weingemeinden der DACs Neusiedlersee und Mittelburgenland trifft. Mit dem hier mosaikartig mit Österreich verflochtenen Ungarn teilt sich die Alpenrepublik eine bewegte Geschichte. Einst als k. und k. Monarchie geeint, zeugt die Grenzregion noch heute kulinarisch wie weinbaulich von der engen Verbindung beider Länder. Zur vinophilen Völlerei animiert dabei, dass die würzig-eleganten, autochthonen Blaufränkischen des Burgenlandes geradezu hervorragend zu den herzhaft-rustikalen Gerichten der pannonischen Grenzregion mit ungarischem Einfluss passen.
Das Burgenland
Das lukullisch gesegnete Burgenland ist Heimat von zartem Rotwild, stattlichen Graurindern und edlen Schweinerassen sowie exzellentem Freiland- Federvieh. Auch das aus östlicheren Gefilden stammende Mangalitzaschwein fühlt sich im Burgenland sauwohl. Gepaart mit dem richtigen burgenländischen Wein können all diese Schlemmereien ein wahres Papillen- Feuerwerk am Gaumen abfeuern. Das edelfette Mangalitza, dessen mundwässernd-marmorierte Fettqualität sich mit der des Olivenöls messen kann, ist mit seiner köstlich nussigherben Aromatik ein perfect match für einen angereiften Blaufränkischen aus den großen Rotweingemeinden des Mittelburgenlandes. Denn ebenso elegant wie das Mangalitzafleisch gerät die vibrierend-saftige, von Beerenfrucht und Kirschen durchzogene Textur der besten Blaufränkischen aus Neckenmarkt oder Sankt Margarethen. Das Kalksteinriff, das sich ab dem Leithaberg gen Süden zieht, macht es möglich.
Die süffig-rustikalen Schmorgerichte des Burgenlandes, wie auch das ungarische Nationalgericht Gulasch, das vorzüglich mit pannonischem Graurind gelingt, verlangen oft nach einem kraftvolleren Kaliber. Hier kommt die meistangebaute rote Rebsorte des Burgenlandes auf die Bühne: der Zweigelt. Seine Struktur kann von fein bis herzhaft-zupackend reichen und seine Fruchtintensität steht auch noch gegen die deftigsten Gerichte an. Von besonders distinktiver Würze und Eigenart sind nicht nur die berühmten Weidegänse des Burgenlandes, sondern auch die Blaufränkischen vom Eisenberg. Das Terroir ist apart, von Schiefer, Eisen und Lehm durchzogen. Kraftvoll, tief und klirrend-mineral ist der Ausdruck dieses Berges im bodensensiblen Blaufränkisch. Wer zu einem meisterhaft zubereiteten Martinigansl mal einen à point gereiften Eisenberg DAC Ried Reihburg von Wachter- Wiesler im Glas hatte, der wird dieses hedonistische Ereignis nicht vergessen.