Von Heiner Lobenberg

Piemont-Reise 2020 | Barolo 2017

Von Sonntag 11. bis Samstag 24. Oktober 2020

2020 wird uns allen als sehr spezielles Jahr in Erinnerung bleiben. Corona, Kontaktbeschränkungen, Reisewarnungen, das ganze Programm. Als getestet gesunde Weinhändler fuhren Bianca und ich sicherheitshalber mit eigenem Auto erst mal von Bremen ins Burgund, Hotel Ibis Style in Beaune. Ich werde probieren, texten und ggfs. verhandeln, Bianca macht neue Fotos von allen Weingütern. Das Hotel ist eher simpel, aber es hat die perfekte Lage mitten in der Stadt und mitten in der besten Weinregion der Welt. Oder ist die beste Weinregion doch der zweite Teil unserer Reise, das Barolo-Tal in der piemontesischen Langhe?

Brandheiß

Schon denkwürdig, die zwei meiner Meinung nach besten Weinregionen der Welt in einem einzigen Reiseturn zu erkunden, alles hyper-vorsichtig, wenig Kontakte, möglichst immer allein mit dem Winzer/in probieren, abends in den Restaurants (die waren da noch oder wieder unter strengen Auflagen geöffnet) mit großem Abstand und nie in geselliger Runde. Schon sehr anders diese Reise … aber die wundervollen Weine entschädigten …

Burgund »en passant«

Im Burgund waren wir eigentlich nur einige Tage »en passant« um meinen Mitarbeiter und Wine-Scout Elias zu vertreten, der wegen Covid in Quarantäne war. Aber vier neue Weingüter galt es erstmals zu kontaktieren und einen Exportmanagerwechsel zu begleiten.

Ramonet
Zu Besuch bei Ramonet
Bonneau du Martray
Thibault Jacquet von Bonneau du Martray
Decelle
Im Keller bei Decelle

Wir sind nach den Neu-Besuchen bei Ramonet, Bonneau du Matray, Jean-Marc Vincent und Decelle & Fils mit den Proben der 2019er und 2018ern, sowie nach der riesengroßen 2019er Probe bei Jadot und dem sympatischen Exportdirektor Vincent Delcher mehr als zufrieden mit einem eher klassischen, fruchtstark üppigen Jahrgang 2018 und einem ungewöhnlichen, extrem spannenden Säure- und Mineraljahrgang 2019. Beide Jahrgänge sind extrem unterschiedlich, noch viel unterschiedlicher als 2016 und 2017, aber beide sind groß und aufregend.

  Decelle   Vincent   Jadot  

Vincent
Im Austausch mit Jean-Marc Vincent

Die Texte der vier neuen Weingüter finden Sie in Elias’ Burgunderbericht (er ist ja jetzt immun und konnte somit Anfang Dezember zur Degustation acht Tage ins Burgund reisen), da passen sie thematisch besser hin. Aber Jadot 2019 möchte ich Ihnen nicht vorenthalten …

Verkostungsnotizen Jadot weiß 2019

Verkostungsnotizen Jadot rot 2019

Jadot
Bei Jadot mit Exportdirektor Vincent Delcher

So eingestimmt und voller Vorfreude fuhren wir mit einem eingelegten Pausenwochenende in Turin (das weltbeste Vitello Tonnato im Restaurant »Del Cambio« und dazu die grandiosesten Kaffeehäuser des ganzen Landes mit sparsamst besetzten Tischen) weiter nach Roddino (ein winziges Dorf oberhalb von Monforte), wo wir sicherheitshalber statt Hotel ein winziges kleines Häuschen inmitten der Weinberge gemietet hatten. Perfekt und sicher.

Ein Haus im Piemont

Piemont – Purer Hedonismus

Piemont 2017. Überhaupt 2017? Der Frost des Frühjahrs nach dem Austrieb gilt als Rufmörder des Jahrgangs, aber abseits davon und ganz real ist 2017 in Wirklichkeit in fast allen Regionen der Welt ein großes Jahr. An der Rhone und in Portugal ist 2017 sogar der beste Jahrgang zwischen 2010 und 2019. In Bordeaux und im Piemont, überhaupt in Italien und Frankreich und Deutschland klar besser als alle Jahrgänge zwischen 2010 und 2016. 2017 ist kraftvoll, vollmundig, intensiv fruchtig und frisch, alles was ein großes Jahr braucht, und 2017 steht qualitativ im Piemont nur ganz knapp im Schatten des klassisch langlebigen, noch unzugänglichen Jahres 2016.

Blick über die Weinfelder im Piemont

2017 erinnert mich extrem an 1997 und 2007, zwei wunderbare, fast überwältigende Piemont-Jahrgänge für Bordeaux-Liebhaber. Dicht, kraftvoll, wuchtig, viel Nerv und Frische, aber sehr offen und zugänglich in seiner satten Frucht. Viel mehr Druck, Wucht und Klasse als die leckeren, runden Jahre 2015, 2011, 2009 und 2005. Aber viel zugänglicher und den Genießer extrem saftig und wohlig, geschmackvoll und fruchtaromatisch umarmend, als die für ewiges Leben, tanninreich verschlossen gebauten Jahrgänge 2016, 2013 und 2010. 2017 ist für mich nach 1997 und 2007 DAS Jahr des Wohlgenusses, ein Jahr ohne Reue, alles stimmt und alles ist sofort schon da. Verzückung sofort und mit viel Anspruch! 

2018 wird im nächsten Jahr eher burgundisch, zart, sehr reif, weich, üppig, rund und hell, alles wie aus einem hochreifen Chambolle-Musigny-Jahr.  Stilistisch nah an 2012 und vielleicht noch eher an 2008, aber noch charmanter. Aromatisch verträumte zarte Primaballerinas mit überwältigendem Genussfaktor. Früh zugänglich und im zarten Tannin und der seidigen Finesse auch für Nicht-Kenner des Piemont wahre, charmante Schönheiten. Purer Hedonismus.

Bartolo Mascarello

Montag 19. Oktober 9 Uhr morgens. Bartolo Mascarello. DER megaklassische Start schlechthin. Das Weingut, das ja nicht nur für seine traditionellen Weine steht, sondern auch für Bartolos handgemalte Etiketten. Ein echter Freigeist: »no Barrique, no Berlusconi« war eines seiner berühmtesten Etiketten. Seine Tochter Maria-Theresa Mascarello lebt diesen auf der einen Seite traditionellen, auf der anderen Seite unbeugsamen, freiheitsliebenden Spirit weiter. Hochsympathisch, liebenswert anders, unabhängig und eigenwillig. Und es ist ganz sicher so, wie man es auch von Hunden und ihren Besitzern sagt, Weine drücken die Persönlichkeit ihrer Winzer aus.

Der 2017er Barolo aus fünf verschiedenen Cru-Lagen (die Mascarellos halten nicht viel von Einzellagen sondern folgen dem traditionellen Ansatz »nur ein Wein«) ist nach dem hyperklassischen 2016er (eher 2006 als der elegante 2010) eine willkommene Hinwendung zu wunderbarer Frucht. Ein warmes und sehr trockenes Jahr, aber die 17er Weine sind verblüffend saftig und fruchtig. Tolle Opulenz dazu, irgendwie mit Assoziationen an 2005, 2015 und 2012. Den kann man schon trinken wenn 2016 gerade ein Drittel seiner Wartezeit im Keller hinter sich hat. 2016 ist DAS Riesenjahr, aber wenn man wie ich schon 60 ist, möchte man den Genuss doch noch in zehn Jahren erleben. Das gilt ja auch für Bordeaux, 2017 hat auch in der Region viel mehr Frucht und ist die nächste 20 Jahre der schönere Jahrgang als 2016. Ich glaube viele Genießer kaufen zu oft nur nach Größe und nicht nach Genuss und Hedonismus, aber was nützt der Schatz im Keller, wenn ich ihn besser 20 Jahre nicht antaste? Barolo? 2005, 2012 und 2017 kaufen, die Oden an die Freude.

Alle Mascarello Weine

Verkostungsnotiz Bartolo Mascarello

Sandrone

Am späteren Vormittag folgen dann Luciano und Luca Sandrone. Der jüngere Bruder von Luciano als Weinbergs-Chef und Kellermeister führt zusammen mit Lucianos Tochter Barbara als kauffrauliche Leiterin heute das Weingut. Luciano und seine Frau umsorgen als gute Geister alle mit ihrer wohlwollenden Fürsorge. Hier fühlt man sich sehr willkommen. Ein tolles und hochsympathisches Familien-team. Luciano und Luca gehören geschichtlich zu den Modernisten um Elio Altare, Clerico, Scavino und Conterno-Fantino. Kraftvolle Extraktion, relativ kurze Vergärung, keine wochenlanger Verbleib des Safts auf den Schalen, wie es als traditionelle Nachmazeration bei den Mascarellos, Cognos, Cavalottos, Giacosas betrieben wird. Ausbau im Barrique, hoher Neuholzanteil, Bordeaux, Burgund und Spanien als Vorbild. Aber nun die Besonderheit: Luciano war das zu viel Oxydation und zu viel neues Holz im 224 Liter Barrique. Er experimentierte mit dem 500 Liter Tonneau. Zwar viel neues Holz, aber auch ein Touch großes Fass der Traditionalisten, also reduktiver.

Sein Bruder Luca als perfekter Weinbergsmanager begleitet das hervorragend mit dem richtigen Lesezeitpunkt. Und so sind Sandrone, Roberto Voerzio, Aldo Conterno und Vietti für mich die Linie der »best of both worlds«. Von beiden Seiten das Beste. Grandiose Frucht, etwas früher zugänglich über Oxydation, nur leicht vom neuen Holz geküsst, hedonistisch in bester Form. Sandrone macht immer Freude, die Weine sind immer auch lecker (das darf so! Auch im Barolo :D). Und 2017 mit seiner offeneren Frucht und Opulenz passt ganz hervorragend. Das war eine extrem schöne Verkostung mit Luca, das Finale nach dem nach den Enkelkindern benannten Aleste (früherer Name Cannubi Boschis) aus Barolo (Cannubi ist die beste Lage der Gemeinde) und dem Le Vigne (aus vier großen Lagen Serralungas mit dem Hauptteil Villero komponiert) war dann der spät erscheinende Vite Talin. Einige Plots mit einem extrem ertragsschwachen aber extraktreichen Klon bepflanzt, das ist Vita Talin. 2015 kommt jetzt und ist mit einigen Super-Crus wie Giuseppe Mascarellos Ca d’Morissio sicher das Rarste und Außergewöhnlichste in der Barolo-Welt.

Alle Sandrone Weine

Sandrone
Luca Sandrone

Verkostungsnotizen Sandrone

Brovia

Am frühen Nachmittag sind wir bei Alex Sanchez, ein spanischer früherer McKinsey Mann, der vor 20 Jahren im Urlaub Signora Brovia traf und der Liebe ins Piemont folgte. Ein Super-Sympath, anders kann man es nicht sagen. Und ein Vollblutwinzer über die Passion. Traditionalisten, extrem kleine Erträge pro Stock, konzentriert, nur große Holzfässer, lange Nachmazeration, nie Barriques. Die Brovia haben vier völlig verschiedene Weinberge in den Gemeinden Barolo, Castiglione und Serralunga, von Villero bis Rocche zu Ca’ Mia … Jedes Jahr darf man gespannt sein welches der »primus inter pares« ist.

Und wenn das Jahr für die Crus nicht perfekt genug ist, wie 2014, dann gibt es den »Unio«, darin waren alle Crus. So ziemlich der beste 2014er der gesamten Langhe, auch die Grassos aus Monforte folgten auf diesem Weg. Völlig zu Unrecht weniger beachtete Weine, diese zwei 14er sind schon jetzt und für die nächsten 15 Jahr Genuss mit das Beste, was es in Barolo gibt. Lecker ohne Ende, und das sind auch die 2017er. Opulent und fruchtstark, saftig, aromatisch, tolle Frische. Wie 2015 mit mehr Frische und mineralischem Druck, wie 2014 mit mehr Substanz, oder wie perfekte 2012er.

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Alex Sanchez
Alex Sanchez

Verkostungsnotizen Brovia

Elio Altare

Abends dann DIE Powerfrau des Piemont, ein Wirbelwind, ein Energiebündel und eine begeisternd sprühende Erzählerin. Silvia Altare, Elios Winzertochter. Sie ist so sehr mit Leib und Seele dabei, ist sich für keine Arbeit zu schade, Feierabend ist nur wenn die Augen nachts zu sind. Aber, und das erstaunt wenn man dieses Energiebündel kennengelernt hat, sie ist auch folgsame Tochter. Elio Altare war der Erfinder der Moderne in der Langhe, kurze Fermentation, Ausbau im neuen Barrique. Silvia würde gern einen Teil auf zumindest 500 Liter Tonneaus à la Sandrone wechseln, Papa will nicht. Das ist Befehl! Der langjährige japanische Kellermeister Tess läuft auch voll auf Elios Spuren. Dieses Rezept funktioniert im Grunde besser in Gemeinden mit höherer Säure und mehr mineralischem Druck, oder in säurebeladenen kühlen Hochlagen. Elios und Silvias Lagen befinden sich aber überwiegend in Annunziata, einer mittelhohen (250 Meter ü. N.) Lage unterhalb La Morras. Und da ist die für neues Holz zur Balance so wichtige hohe Säure in manchen Jahren wie 2009, 2011 und 2015 schon mal etwas tief, die Weine aus dem Arborina-Hang können schon mal etwas weich gespült und zu gefällig werden. Das gibt sich aber zum Glück, wenn man sie zehn Jahre wegsperrt, dann kommen sie als Kakao-Schoko-Kaffe-Bomben wieder zurück.

Anders bei der Lage Cerretta aus Serralunga, da ist mehr Säure und Mineralität zur Holz-Balance. Auch der Haus-Barolo kommt zu einem großen Teil aus Serralunga, das passt gut zum neuen Holz. Einzigartig ist der Uno per Uno, eine per Hand durchgeführte Entrappung reifer Trauben, das ist eine Sisyphusarbeit aber letztlich Perfektion. Puristisch rein und schön. Der Cannubi, eine winzige Parzelle der Traumlage aus der Gemeine Barolo schlechthin, spielt auch in dieser fruchtstarken Oberliga. Insgesamt gefällt Altare mir aber ob seines hohen Neu-Barrique-Anteils in klassischen und kühlen und frischen Jahren am besten. 2016 war wie 2010 Weltklasse, 2008 und 2012 waren fast so gut wie 2017, der als warmer und trockener Jahrgang verblüffend fruchtstark und frisch ist. Die Opulenz der frischen, reichen Frucht frisst das Holz, das passt sehr gut.

Alle Altare Weine

Elio Altare
Silvia Altare mit Familie

Verkostungsnotizen Elio Altare

Corino

Die Corino, Freunde der Altares, kommen ebenfalls aus Annunziata La Morra. Sie verfügen mit dem Giachini über eine immer frische, säurebeladene, fruchtstark kühle Lage. Deshalb können sie auch unbesorgt Elios Weg ins neue Holz mitgehen. Vollblutwinzer und für ihre Qualität zusammen mit Luigi Pira und Trediberri das allerbeste Preis-Qualitäts-Verhältnis. Der extrem charmante Einstiegs-Barbera und der Basis-Barolo sind mit Luigi Pira und Trediberri das preislich Beste was das Piemont aufwarten kann. Drei Zauber-Winzer mit drei verschiedenen Stilistiken, einfach gut. Was Pira in der Tradition ist, das schafft Corino in der Moderne, Trediberri genau in der Mitte, dreimal atemberaubend günstig.

Alle Corino Weine

Verkostungsnotizen Corino

Voerzio

Dienstag 20. Oktober 9 Uhr morgens bei Roberto Voerzio. Der langjährige Wegbegleiter Cesare Bussolo, weit mehr als die rechte Hand von Roberto, probiert wie jedes Mal mit mir. Er weiß jedes Detail des Jahrgangs, der Weinberge, des Kellers genau wie der Großmeister, er ist ja bei allem dabei. So ist das in einem winzigen Weingut. Die Weinberge liegen überwiegend in den höchsten Lagen der Langhe, La Serra über Cerequio und Brunate nebst Torriglione. 10 Tausend Stöcke je Hektar, nur fünf kleine Trauben werden belassen, die dann noch mit der Schere halbiert. Im Ergebnis bedeutet das 300–400 Gramm je Stock, 20–30 Hektoliter je Hektar. Das gilt für Nebbiolo und auch Barbera. Ob des geringen Ertrags und der biologischen Weinbergsarbeit geht die Reife viel schneller als bei den Nachbarn, die Ernte erfolgt oft schon Ende August, wie mir seine Nachbarn (Vietti im Cerequio) bestätigten. Hochkonzentrierte Beeren mit zugleich hoher Säure und weit vor jeden Wetterproblemen des Herbstes. Kurze warme Fermentation und Ausbau im gebrauchten Barrique, Tonneau, Halbstück und Stückfass.

Weinprobe bei Roberto Voerzio
Bei Voerzio: Nachgeschenkt von Cesare Bussolo

Die Weine sind extrem konzentriert und zugleich das Feinste und Frischeste, was es an Nebbiolo in der Langhe gibt. Ich habe keinerlei bessere Weine auf dieser Reise probiert, der dann zum Schluss gezeigte Barolo 2016 Torriglione aus der Magnum und der Barbera Pozzo Annunziata 2016 waren mit das Beste, was ich je aus diesen Rebsorten verkostet habe. Der Barbera ist außerhalb jeden Vergleichs! Und zum Beweis der Langlebigkeit bringt Roberto dann jedes Jahr den 10 Anni Fossati Case Nere auf den Markt, jetzt gerade 2010. Gerade am Beginn der perfekten Trinkreife. Die ansonsten probierten 2017er Barolo standen qualitativ so unglaublich weit über allem was das insgesamt gut ausgefallene La Morra in diesem Jahr präsentierte. Der hier getriebene Aufwand ist ob der daraus resultierenden Qualität letztlich jeden Cent der hohen Preise wert.

Alle Voerzio Weine

Verkostungsnotizen Voerzio 2017

Ältere Jahrgänge Voerzio

Ratti

Danach ging es zu Renato Ratti. Das Weingut liegt spektakulär in der unteren Ausgangskurve von Annunziata La Morra, direkt unterhalb unseres Lieblingsrestaurant Osteria Veglio. Wer dort zu viel zecht muss bei der Abfahrt aufpassen in der 180 Grad Kurve nicht aus Versehen im Hof der Rattis zu landen. Renato Ratti war einer der frühen und immer noch traditionellen Barolista, seine Lagen liegen sämtlich in La Morra und Annunziata La Morra. Der amtierende Sohn Pietro schwört auch auf diesen lokalen Bezug. Das Weingut wurde vom erzwungenermaßen blutjungen Direktor Pietro Ratti (der Vater starb völlig unerwartet als der Sohn gerade 20 war) total neu gebaut, hypermodern, viel Platz. Pietros erste und nicht autorisierte Amtshandlung als quasi Husarenstück, der Abriss erfolgte als die Mutter gerade im Urlaub war.

Kommerziell gab es aber auch durch den Vater Renato eine hervorragende Basis. Marcenasco ist der überragende Basis-Barolo, die eher säurebetonte, maskuline Lage Conca und das Sahne-Schoko-Teil Rocche del Annunziata bieten trotz Lokalbezugs zwei wunderbare Gegensätze. Ich bin 25 Jahre durch diese berühmte Kurve unter Annunziata gefahren, den Blick immer fest in den Hof der Rattis, aber erst mit dem Jahr 2016 war es dann soweit. Und 2017 bestätigt bei der Verkostung die Großartigkeit der Weine. Am Ende der langen Verkostung und Besichtigung endeten wir 100 Meter straßenaufwärts in der Osteria Veglio. Besser hätte der Vormittag nicht laufen können.

Alle Ratti Weine

Heiner Lobenberg bei der Weinprobe
Winzer von Renato Ratti bei der Weinprobe mit Heiner

Verkostungsnotiz Ratti

Giacosa

Am frühen Nachmittag ging es weiter nach Neive zu Bruno (heute Tochter Bruna) Giacosa. Jedes Jahr denke ich verblüfft wieder darüber nach, was für eine unglaubliche Ansammlung von Weltklasse Barolo und Barbaresco wir im Programm haben. Ich habe ein wunderbares Burgunder-Portfolio, aber unser Piemont, die Langhe, ist unschlagbar. Und Giacosa ist sowas wie der Rousseau der Langhe. Oder sowas wie Vina Tondonia aus der Rioja. Traditionell bis zum Abwinken, und doch jedes Jahr wieder in der allerersten Reihe. Falletto oder Rocche, Asili oder Rabaja. Egal ob Barolo oder Barbaresco, ob weißes Etikett oder gar Riserva mit »red label«, immer ist der Wein im Jahrgangsvergleich mit in der ersten Reihe.

Dazu einer der besten Arneis und wunderbare Nebbiolo aus Valmaggiore, Dolcetto und Barbera aus Falletto. Der gerade erst vor zwei Jahren gestorbene Vater Bruno, einer der Mitbegründer, oder gar der Begründer des Rufs der Langhe, hat es als Händler, Abfüller und Winzer aufgebaut, die schon lange mitarbeitende Tochter führt die Legende gemeinsam mit dem Kellermeister Dante fort. Die Probe war jedenfalls wie auf einem anderen Stern, ein Ausflug in längst vergessen geglaubte Zeiten. Die Einzigen, die in dieser traditionellen Art der Ultra-Finesse mithalten können, sind Luca Roagna aus Castiglione Falletto und Giuseppe Mascarello aus Monchiero.

Alle Giacosa Weine

Verkostungsnotizen Giacosa

Produttori del Barbaresco

Den Tag beschießen wir in Barbaresco, bei den Produttori del Barbaresco, mitten im Ort, an der höchsten Stelle gelegen. Es gibt weltweit nur ganz wenige Genossenschaften, die so beständig in der Weltspitze unterwegs sind. Es sind auch gar nicht so unendlich viele Genossen, die sich letztlich die hervorragenden kommerziellen Ergebnisse teilen müssen.

Aldo Vacca, der gewählte Boss, hält den Laden hervorragend zusammen. Bei jeder Lese wird jeder nur nach der Qualität der eingelieferten Trauben entlohnt. Neun der besten Einzellagen des Barbaresco zählen dazu, wenn möglich separat abgefüllt. Man muss sich viele Jahre anstellen um in den Bezug dieser Weine zu kommen. Erst 2014/2015 war ich nach langer Wartezeit dabei. Der Basis-Barbaresco hat bei seiner hervorragenden Qualität zumindest preislich keinerlei Konkurrenz, auch die Lagen sind unendlich fein und individuell und auch die sind ziemlich günstig. Finden ist hier die Kunst, nicht das Bezahlen …

Alle Produttori Weine

Verkostungsnotizen Produttori

Pio Cesare

Mittwoch 21.10.2020 morgens um 9 Uhr nach Alba, Weingut Pio Cesare. Die Familie Pio betreibt dieses, mitten in Alba gelegene Weingut, seit Generationen. Ein historisches Gebäude und ein noch viel historischer Keller. Mit unglaublichen Wein-Schätzen der Jahrhunderte. Auch die Weinbereitung und Vergärung geschieht mehr als traditionell. Wir wären nicht erstaunt gewesen, noch einen echten Römer anzutreffen. Wir trafen aber lieber Papa und Tochter Pio. Ich kenne die Weine schon so lange, aber ich arbeite erst drei Jahre mit ihnen. Nach diesem Besuch bereue ich ähnlich wie bei Ratti und Cavalotto mein langes Zögern. Große Weine aus Barolo und Barbaresco, grandiose Lagen, Frische und Eleganz.

Diese drei Traditionalisten machen so ungeheuer saftige, intensive und geschliffene Weine. Traditionell im großen Fass vergoren und ausgebaut. Aber alle drei sind erfahrene Könige im Weinberg. Und Sympathie trinkt natürlich auch mit, drei Betriebe, die ich nicht mehr missen möchte. Es ist schon auch verblüffend für mich, dass ich in jungen Jahren überall, in Spanien, Piemont, Burgund, Bordeaux, die Modernisten bevorzugt habe. Und je älter ich werde, desto mehr schätze ich den Hedonismus der traditionellen Betriebe, zumindest der Weltklasse in der Tradition.

Alle Pio Cesare Weine

Altes Flaschenlager beim Winzer
Alte Schätze

Verkostungsnotizen Pio Cesare

Cavallotto

Um 11.30 Uhr gleich hinterher dann Cavalotto. Im Aufstieg nach Castiglione Falletto gelegen. Bricco Boschis. Eine einzige große Einzellage, ein 20 Hektar-Monopol in der Klasse der nahen Lage Villero. Weißer Lehm, etwas Kalkstein und sandige Böden, typisch Castiglione. Der hochsympathische und weltoffene Alfio Cavallotto ist der Primus inter pares innerhalb der drei Geschwister, die das Weingut von den Eltern in ungezählter Generation übernommen haben. Handarbeit und winzige Erträge je Stock, die Grundlage großer Weine. Weil alles in einem großen Weinberg um das Gutshaus herum liegt, fällt die Arbeit etwas einfacher. Im Keller läuft alles traditionell. Hier wird ganz traditionell im Ausbau nur mit großen Holz-Fässern gearbeitet und bis zur späten Füllung lange ausgebaut. Ein archetypischer Barolo-Stil, wie ihn auch die Mascarellos, Vietti, Giacosa oder Brovia pflegen.

Cavallotto
Alfio

Nach der alkoholischen Vergärung weitere 4 Wochen auf den Schalen verbleibend, der Tresterhut wird dazu mittels einer Holzscheibe ganz nach unten gedrückt, das gibt weichere Tannine. Hier wird ausschließlich in großen Fässern bis zu 10.000 Litern aus slawonischer Eiche ausgebaut. Alles komplett zu 100 % entrappt und im Stahl spontanvergoren. Dadurch und durch den reinen Ausbau im großen Holz haben die Weine von Cavallotto immer einen Hauch mehr flüchtige Säure als wenn Reinzuchthefen verwendet werden würden. Der Wein stammt vollständig aus der direkt am Haus liegenden, südwestlich ausgerichteten Lage Bricco Boschis. Von diesem Lagen-Barolo werden rund 30.000 Flaschen gefüllt, dennoch ist er heiß begehrt und immer ausverkauft. Aus dieser Lage werden auch zwei kleinere Einzellagen separat vinifiziert, Lagen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung des Terroirs und länger im Fass bleibend. Also Riserva, Cru Vignolo und Cru Santo Steffano – erst drei Jahre nach dem Bricco Boschis auf den Markt kommend. Ob man das vorzieht, muss jeder für sich selbst entscheiden, mehr an der Frucht des Bricco, oder die sehr kraftvollen Riservas, diese sind zugleich etwas oxidativer und dabei auch wahnsinnig raffiniert, das geht zumindest in Richtung »red label« bei Giacosa.

Alle Cavallotto Weine

Verkostungsnotiz Cavallotto

Cogno

Zum Mittag sind wir eingeladen bei Elvio Cogno in Novello. Eigentlich ein historisch in La Morra gelegenes Weingut, aber ein Zwist unter den zwei Besitzern ließ Elvio mit seiner Tochter Elena und ihrem Ehemann Valter Fissore umziehen nach Novello. Novello liegt zwischen La Morra und Monforte, oberhalb von Barolo. Zum Glück besitzen die Cognos (oder heute Fissores, das Weingut läuft aber weiter unter Elvio Cogno) den größten Teil (schon fast Monopolcharakter) der besten Lage Novellos. Ravera. Eine Lage, deren Charakter eher Monforte denn La Morra ändert, stilistisch in Ausdruckskraft und Finesse fast Bussia ähnelnd. Der Ravera der Cognos wie auch Viettis Ravera wurde mehrfach mit 97 bis 100 Punkten ausgezeichnet. Bei Cogno bin ich mir nach dieser hier durchgeführten Probe noch nicht einmal sicher, ob der von Parker mit 97+ ausgezeichnete 2016er wirklich besser ist als der fruchtstarke Blockbuster 2017.

Hinzu kommt als Besonderheit, immer zwei Jahre später, eine lange im Fass und Flasche ausgebaute Riserva Elena. Nur knapp ein Hektar groß ist diese Parzelle innerhalb der Lage Ravera, bepflanzt mit dem extrem schwachwüchsigen Nebbiolo Klon »Nebbiolo Rose«. So eine Art Modell wie der Vite Talin bei Sandrone (Voerzio schafft diese nur 20 Hektoliter pro Hektar allerdings auch ohne Spezialklon, einfach durch brutale Ertragsreduktion und grüne Lese). Der 2017er Riserva Elena ist für mich wie 2016 glatt 100, der etwas üppigere, wärmere 2015er noch 98–99. Wow!

Aber das ist noch nicht alles hier! Es gibt einen Weißwein aus der autochthonen Rebsorte Nascetta, noch nie probiert, noch nie gehört. Besser noch als Arneis, würziger, mineralischer. Ein Ereignis, ein Musskauf für mich. Und einen Barbera aus wurzelechten, uralten Reben. Auf Sand gepflanzt, das mag die Reblaus nicht. Dieser Wein gehört in die erste Reihe aller Barbera, nicht fett sondern würzig, kraftvoll und elegant, sooo puristisch. Gut dass Jens Priewe, einer der besten Weinjournalisten Deutschlands und tiefer Italienkenner, dieses Weingut so angepriesen hat, sonst wäre ich hier nicht gelandet, und das wäre bei den Qualitäten jammerschade.

Das Finale bildet der 2019er Nebbiolo des Hauses, Montegrilli, auch aus der Lage Ravera. Das ist nicht üppiges Valmaggiore sondern reinstes, schlankes Burgund aus Hochlagen. Ein roter Auxey Duresses oder Monthelie. Famos, verspielt, aromatisch, saufrisch, lang, mineralisch. Feinste Ausprägung, in einer Reihe mit den famosen 2019er Nebbiolos von Conterno-Fantino, Elio Grasso und Trediberri, und sicher der zarteste und feinste dieser vier Traumweine. Und ganz anders als die eher üppig großen, eher dicken Nebbiolos aus Valmaggiore (jenseits des Flusses Tanaro), die wahren Burgunder! Beseelt zogen wir nach Stunden von dannen. Was für tolle Weine, was für tolle Menschen!

Alle Cogno Weine

Verkostungsnotizen Cogno

Bevor es zu Roagna geht (hoffentlich ist er da, Luca bestätigt oder beantwortet niemals Emails) sammeln wir trauriger Weise (Covid in der Familie) bei Trediberri und Luigi Pira die 2017er Muster ein, ebenso bei Vajra bzw. ihrem zweiten, für mich noch spannenderen Weingut Baudana unterhalb von Serralunga.

Trediberri

In La Morra Annunziata, bei Trediberri, ein Shootingstar der letzten Jahre, holen wir wegen einer Covid-Erkrankung bei Nicola die Muster am Gartentor ab. Nicola Oberto und seine Frau Steffania sind erst wenige Jahre zurück aus London. Die große Welt als Investmentbanker und Top-Juristin war auf Dauer nicht der sinnstiftende Lebensinhalt. Sie kauften mit dem Vater zusammen einen Weinberg in Berri (deshalb der Name Tre di Berri), der Familienweinberg in Annunziata floss auch mit ein. Zwei grandiose und ganz unterschiedliche Lagen, Berri viel kühler, frischer und eleganter (Sand und Kalkstein in Hochlage, cool climate), Rocche Annunziata warm und reich und seidig. 2017 zeigt sich fruchtig und sehr zart und fein. Sehr zugänglich und überaus geschmackvoll. Dazu geniale und unglaublich günstige Barbera, Nebbiolo und ein großer Dolcetto aus Dogliani.

Alle Trediberri Weine

Verkostungsnotiz Trediberri

Luigi Pira

Danach nach Serralunga zu Luigi Pira, auch da Covid-Verdacht. Auch da Weine an der Tür einladen. Pira, mein Evergreen, die besten Lagen des Piemont liegen meines Erachtens in Serralunga. Von Vietti zu Altare zu Giacomo Conterno, Gaja und Pira tummelt sich hier best oft he best, maskulin, ewig haltbar. Und Pira ist dafür fast unverschämt günstig. Ein genialer Barolo Serralunga, dazu wunderbare Einzellagen im gleichen Hang. Ein grenzgenialer und saubilliger Dolcetto, intensive Barbera und Nebbiolo.

Pira ist für mich vor Trediberri und Corino, die zum Glück alle drei sehr unterschiedliche Stilistiken aufweisen, mein Preis-Leistungsweltmeister im Piemont. 2017 zeigt berauschend intensive, druckvolle Frucht, ganz typisch Serralunga. Eine druckvollere Version von 2015 und 2012, 3–4 Jahre eher zugänglich als der klassische 2016. Aromatischer Hedonismus.

Alle Pira Weine

Pira
Gianpaolo Pira

Verkostungsnotizen Pira

Vajra | Baudana

Final probieren wir die drei Barolo vom Weingut Baudana, dem zu Vajra gehörende Kleinod unterhalb Serralungas. Das ist typisch Serralunga, maskulin von weißem Lehm. Aus den Lagen Baudana und Cerretto. Und ein Basisbarolo aus beiden Lagen. Ungemein saftig, grandiose rote Frucht, voller Feinheit. Blumig, fruchtig und tanninreich zugleich, Power mit Finesse, Serralunga at it’s best. Grandioser Stoff aus einer der, meines Erachtens, tollsten Gemeinden der Langhe. Und mit dem für mich interessanteren Weingut Baudana verfügt die Familie Vajra über zwei sehr unterschiedliche Stilistiken. Weich und feminin und fast modern in Barolo, dem Hauptsitz, und archetypisch und maskulin in Serralunga. Eine in jeder Hinsicht hochspannende Familie.

Alle Vajra-Baudana Weine

Winzerfamilie im Weinzeller

Verkostungsnotizen Baudana

Roagna

Nach dem Einsammeln der Weine bei den von Covid betroffenen Winzern, fahren wir zu Luca Roagna. Das Weingut liegt zu 100 % inmitten einer der besten Lagen in Castiglione Falletto, ganz oben. Ein großer, aber total im Weinberg versteckter Keller. Platz ist der Schlüssel zur Qualität sagen alle großen Winzer, Vorbild sicher Aldo und Giacomo Conterno. Hier bei Roagna kann Luca sich austoben. In Barolo gibt es neben Commune del Barolo und Ravera (Novello) nur Pira, als Normalversion und als Alte Reben aus den über 70 Jahre alten Reben. In Barbaresco haben die Roagnas eine Vielzahl an Lagen, kleinste Plots uralter Reben. Luca ist wie auch sein Vater ein glühender Verfechter der ganz späten Lese, das Gegenteil von Roberto Voerzio, ca. 6–8 Wochen später. Oft nach den ersten großen Herbstregen. Aber mit radikaler Auslese und kleinsten Erträgen, aus dem Weinberg holen die Roagnas nur was total reif und total gesund ist.

Final ist dann Ertrag ähnlich Voerzio auf unter 500 Gramm je Stock und unter 30 Hektoliter pro Hektar, der Ansatz und die Philosophie ist aber eine ganz andere. Auch die Stilistik ist völlig anders. Roagna erinnert fast immer an die Riservas von Giacosa. Luca bringt seine Weine nach längerem Fassausbau und mehr Flaschenreife immer erst zwei Jahre nach allen anderen auf den Markt. Auch da wie das »red label« von Giacosa. Zu Recht kosten seine Top-Weine aber auch ähnlich viel, das ist ganz großes Kino hier. Und Luca erzeugt einen genialen Timorasso, der allerdings 4–5 Jahre Zeit braucht. Er hat das beim Meister der Rebsorte, Walter Massa gelernt, qualitativ aber hat er ihn längst überholt. Weltklasse. In allem was Luca macht, extrem und perfekt, selbst sein Rosso und sein Solea Weißwein. Roagna ist unter vielen Kultweingütern eine der vier Ikonen der Langhe (Roagna, Giacosa, Gaja, Giacomo Conterno).

Alle Roagna Weine

Roagna
Im Austausch mit Luca Roagna

Verkostungsnotizen Roagna

Vietti

Wir bleiben im Ort Castiglione Falletto, sogar auf der gleichen Höhe, keine 500 Meter und etwas nach oben zur Burg. Da liegt das historische Weingut Vietti. Dieses Weingut war das erste, dass Einzellagen im Barolo separat ausgebaut und gefüllt hat. Rocche aus Castiglione, Lazzarito aus Serralunga, Brunate aus La Morra und Ravera aus Novello. Und aus der im Anstieg zu Castiglione Falletto gelegenen Lage Villero entsteht der immer drei Jahre später auf den Markt kommende, rarste und teuerste Wein des Hauses. Immer nur das Beste! Dazu der Barolo Castiglione, alle Crus, deren separater Ausbau nicht lohnt, also eine Ansammlung unterschiedlicher Toplagen. Hier ist die Vinifikation eine jahrgangsabhängige Mischung aus Ganztraubenvergärung und Entrappung, Ausbau in großen Fässern als auch im Barrique und Tonneau. Eine Einteilung als Traditionalist (was sie hier ganz klar auch sind) und Modernist ist Vietti egal.

Heiner Lobenberg bei Vietti
Der Mann hinter dem Wein: Luca Currado

Vietti ist darüber hinaus auch das erste Weingut, dass den aus Roero stammenden Arneis Weißwein abfüllte. Und immer noch werden die Weine von der Familie verantwortet. Luca Currado, der Sohn von Signora Vietti und Alfredo Currado, ist für Weinberge und Keller und Weinbereitung verantwortlich. Er ist auch der Geschäftsführer des vor einigen Jahren aus finanziellen Gründen an einen privaten amerikanischen Investor (der langjährige Generalimporteur) verkauften Weinguts, ihm zur Seite steht der Verkaufsleiter Urs Vetter, der erst jüngst vom Weingut Lageder zu Vietti gestoßen ist. Sicher ist, dass Vietti weiter in der allerersten Reihe der Qualität steht.

Alle Vietti Weine

Urs Vetter
Urs Vetter

Verkostungsnotizen Vietti

Leider gecancelt

Donnerstag 22. Oktober. Unfreiwillig unser letzter Tag. Wir wollten Freitag und Samstag noch Tibaldi, Valfaccenda, Montagnola und Walter Massa besuchen. Die spannendsten Weißweine des Piemont, Timorasso vom Großmeister und Arneis mal ganz anders. Leider gecancelt, Deutschland verkündet eine Pflichtquarantäne für alle Heimkehrer ab Samstag, wir mussten Freitag zurück.

Elio Grasso

Also Donnerstagsmorgens nach Monforte, zu Elio Grasso. Hier unterhalb Richtung Santo Stefano gelegen spielt sich alles um den Ginestra- und Mosconi-Weinberg ab. Zusammen mit Bussia sind das die drei besten Lagen Monfortes. Weißer Lehm, Kalkstein, etwas Sand. Hohe Eleganz und rotfruchtig elegante Weine. Eher Ravera aus Novello ähnelnd als den maskulineren Weinen aus Serralunga, der Nachbargemeinde. Aber strukturierter und fester als die Charmeure aus Barolo und La Morra. Ginestra und Mosconi liegen auf zwei benachbarten Hügelketten, die Stilistik ist sehr eigenwillig und mit einer auch von Bussia deutlich unterscheidbaren Ausprägung. Mehr schwarze Frucht, maskuliner, ein Maul voll Wein. Es gibt einige Topwinzer mit Mosconi und Ginestra, aber Elio Grasso, der direkt im Weinberg mit seinem in den Berg getriebenen Keller liegt, ist für mich hier klar der Primus inter Pares, auch wenn Conterno-Fantino mit seiner modernen Ausprägung ihm sehr auf den Versen ist.

Neben zwei traditionellen Barolo Ginestra Casa Mate und Ginestra Gavarini Chiniera (entrappt, nur große Fässer mit langer, traditioneller Nachmazeration auf den Schalen) gibt es auch noch den zwei Jahre später und im Barrique ausgebauten Rüncot, immer Kult und oft mit 100 Punkten bewertet. Gianluca Grasso, der begleitet von seiner Frau Francesca und Assistent Roberto schon viele Jahre seinen als älterer Herr und guter Geist herumwandelnden Vater Elio und Ehefrau Marina an der Spitze abgelöst hat, macht auch einen famosen Chardonnay und einen ultrafeinen Nebbiolo, der mit Cognos und Conterno-Fantinos Nebbiolo auf den Spuren allerfeinster Hochlagen Pinot Noirs wandelt. Die aromatische Verwandtschaft der Nebbiolo mit der Pinot Noir liegt auf der Hand, in der Nase und im Mund, aber nur die feinen Nebbiolo, nicht die Barolo, kitzeln die wahre Finesse von cool climate Pinot Noir hervor.

Alle Grasso Weine

Blick in einen beeindruckenden Weinkeller
Im Keller – beeindruckende Tiefe

Verkostungsnotizen Elio Grasso

Conterno Fantino

Auf dem höchsten Punkt Monfortes gelegen, direkt auf der Bergspitze mit atemberaubenden Panorama und perfektem Blick auf des berühmte Weindorf und alle Weinberge, das Weingut Conterno-Fantino. Aus dem Zusammenschluss zweier Familien vor Generationen entstanden. Fabio Conterno ist der Winemaker und Weinbergsmanager der aktuellen Generation, Geschwister und Cousinen arbeiten in anderen Bereichen des Weinguts. Schon Fabios Vater stellte als Freund von Elio Altare und in dessen Gefolge um auf die Moderne. Zusammen mit Altare, Corino, Clerico und Scavino sind die Conterno-Fantinos DIE Modernisten der Langhe, womit sowohl der Einsatz von Roto-Fermentern und kurze Vergärung (kenne Nachmazeration auf den Schalen) gemeint ist, aber auch der anschließende langjährige Ausbau in kleinen französischen Barriques, dabei ein erheblicher Neuholzanteil. Die Modernista, die auch und gerade als Exporthilfe in die USA entstanden (die Familie de Grazia initiierte und steuerte in der Zeit diesen Urknall des Exports und dazu die Art der Weine), konnten zweifelsohne nachweisen, dass der Nebbiolo wesentlich eher zugänglich und trinkbar wird, wenn er wie große Burgunder behandelt wird. In den USA wollte man nicht 10 und 15 Jahre auf den Genuss von Barolo warten müssen.

Fabio Conterno
Fabio Conterno

Dieser Vorteil der Moderne wird in sehr warmen Jahren dann aber manchmal konterkariert durch einen allzu weichen Auftritt, denn Neuholz braucht zur balancierten Kompensation hohe Säure. Dann muss man wegen niedriger Säure doch lange warten, bis die Power und dichte Wucht sich nach zehn Jahren wieder einstellt, denn diese »weichgespülten« Weine kommen doch wieder. Die berühmtesten Lagen des Weinguts sind Sori Ginestra und Mosconi, beider Lagen gehören mit Bussia sicherlich in die allererste Reihe der besten Lagen aller Barolo. Monforte spielt mit Novello in diesem Reigen die herausragende Rolle als Bindeglied zwischen den maskulinen Klassikern aus Serralunga und Castiglione Falletto, also von den ältesten Terroirs der Lange, und den weitaus feminineren Weinen der jüngeren Terroirs aus Barolo und Monforte.

Alle Fantino Weine

Verkostungsnotizen Conterno Fantino

Giuseppe Mascarello

Das vorletzte Weingut Giuseppe Mascarello in Monchiero, direkt am Tanaro-Fluss. Nur mit einer historischen Ausnamegenehmigung und Bestandsschutz darf das Weingut außerhalb der Langhe liegen. Die Weinberge liegen sämtlich in Monforte, Serralunga und Castiglione Falletto. Hier ist Tradition in jedem Atemzug. Und nur Familie, Mama, Papa auf dem Weg in die Rente, der Bruder macht traditionell die Weine, die hochsympathische Leiterin ist Elena, eine energiegeladene junge Frau mit dem Hobby Opernsängerin. Mit jedem Schluck der Probe kommt Historie. Aber grandiose Historie. Die Stilistik des Monprivato (ein Monopolweinberg in Castiglione) kann meiner Meinung nach nur mit den Riservas von Giacosa oder mit Roagna verglichen werden. Finesse pur, immer erst nach vier Jahren auf den Markt kommend. Ein kleiner und genau definierter Teil dieses Weinbergs ist der Ca d’Morissio, uralte Reben, nur in Ausnahmejahren separat vinifiziert. Einer der rarsten und teuersten Barolo der Langhe, in seiner überragenden Finesse aber jeden Cent wert.

Auch der Santo Stefano Barolo aus Monforte, von dem es nur wenig gibt, hat einen eindeutigen Chrakter, fester, etwas maskuliner, historisch in seiner Anmutung. Und nur hier gibt es Nebbiolo, Barbera und auch Dolcetto in einer längst vergessenen Art, erdig, fest, eigenwillig, langlebig. Beide Weingüter Mascarello (nicht verwandt) bilden mit Giacosa und Cavalotto die Speerspitze der Traditionalisten. Ich bin sehr froh mit Elena und dem Weingut Giuseppe Mascarello zu arbeiten, eine Bereicherung.

Alle G.Mascarello Weine

Verkostungsnotizen G. Mascarello

Aldo Conterno

DAS Finale bei Aldo Conterno. Meine Lieblingsfamilie in der Langhe. Eigentlich Traditionalisten mit großen Holzfässern und Nachmazeration auf den Schalen. Aber die großen Fässer dürfen gern auch mal neu sein, die Oxidation wird befördert, stilistisch weicher und mit einer Prise Vanille vom neuen Holz. Barbera und Chardonnay liegen sogar im Barrique, der Chardonnay Bussiador wird sogar im neuen Barrique vergoren. Also auch hier wie bei Vietti und Grasso keine klare Einteilung in Tradition oder Moderne. Alles kommt aber von der Großlage Bussia rund ums Haus. Der vielleicht beste Chardonnay der Langhe von der kühlen Bergspitze, der den Jahrgang so perfekt ausdrückt und auch in warmen und trockenen Jahren Frische ausströmt, immer sehr burgundisch. Dazu ein schwarzfruchtig charmanter und ausdrucksstarker Barbera Conca Tre Pille, jeden Jahrgang perfekt abbildend. Dann die rotfruchtigen, femininen und zugleich maskulinen Barolo aus dem Kern von Bussia.

Der Ort Monforte und auch Novello sind genau der Kompromiss zwischen den Millionen von Jahren älteren Böden aus Serralunga und Castiglione, und den später entstandenen Bergketten von Barolo und La Morra. Mehr rote Frucht als Serralunga und Castiglione, duftiger, aromatischer, mehr Pinot Noir aus Beaune. Aber klar mehr Struktur als die Charmeure aus Cannubi, Rocche Annunziata, Brunate, Cerequio und La Serra, die eher Corton und Pommard, mit La Serra und Cerequio eher Volnay wiederspiegeln. Wer sich im Burgund auskennt weiß jedoch, dass die Volnays von Angerville nicht selten in der absoluten Spitze des roten Burgund stehen, so geschieht es eben auch mit Voerzios La Serra und Cerequio.

Heiner bei Aldo Conterno

Hier bei Aldo Conterno sind wir im ausdrucksstärkeren und fruchtigeren Finesse-Teil der Cote de Nuits unterwegs. Chambolle Musigny und manchmal sogar das maskulinere Vosne Romanée stehen Pate. Der Bussia Barolo ist qualitativ das Gegenstück des maskulinen Castiglione von Vietti, zwei überragende Basis Barolo der Extraklasse. Der verspielte Colonnello aus einer kühleren Hochlage von Bussia ist eine Art Chambolle, der maskulinere Cicala eher Vosne Romanée, die Granbussia aus 2012, der immer erst nach acht Jahren rauskommende Topwein und eine lebende, rare Legende, ähnelt einen reifen Chambertin. Der Romirasco hat dagegen Ähnlichkeit mit dem Barolo Monfortino des Cousins Roberto Conterno vom Weingut Giacomo Conterno. Das mit diesen zwei Weingütern ist arg verwirrend.

2014 Barolo Monfortino (Giacomo Conterno)

Galloni: When it comes to comparisons of any kind, all bets are off with the 2014 Monfortino, a Barolo that enters the stratosphere of profound and utterly moving beauty. Seamless and elegant in the glass, with stunning aromatics and perfectly ripe tannins, the 2014 is simply breathtaking in its beauty. In 2014, Roberto Conterno waited to harvest this fruit very late. The result is a Barolo that offers the textural opulence of fruit picked at the end of the season with the aromatic depth and structure of a wine from a cool year. Most incredibly of all, the 2014 is a very tannic wine analytically, and yet the sensation is of a Barolo of softness and opulence. A rush of dark red/purplish berry fruit, blood orange, spice, tobacco and mint builds into the rapturous finish. Readers who can find the 2014 when it is released next year should not hesitate, as it will unquestionably go down as one of the greatest Monfortinos ever made. 100/100

Giacomo Conterno von Aldo Conterno
Giacomo Conterno (von Aldo Conterno)

Zu Großvaters Zeiten war es nur EIN Weingut in Monforte mit zwei Brüdern. Alles Lage Bussia rund ums riesige Anwesen. Das Flaggschiff war der da wachsende beste Barolo der Langhe, der Monfortino. Die Brüder verkrachten und trennten sich und teilten auf. Bei Aldo Conterno blieben alle historischen Lagen in Bussia und das Anwesen, zu Giacomo gingen die Namensrechte des Monfortino (immer schon ein Phantasiename) und genug Geld, um damit echt grandiose Weinberge (Cascina Francia) in Serralunga zu kaufen. Ein zweites Weingut direkt hinter der Kirche von Monforte wurde angelegt. Der heutige Stil des Monfortino ist deutlich maskuliner als früher, extrem langlebig, zu Recht immer noch DIE Ikone der Langhe. Verwirrend bleicht die Namensgebung der jetzt führenden Kindergeneration. Das Weingut Giacomo Conterno wird von Roberto Conterno geführt, ein Wein-Nerd der Extraklasse, er könnte Burgunder sein. Das Weingut Aldo Conterno wird gemeinsam von den drei Brüdern Giacomo (kaufmännische Geschäftsführung), Franco (Vertrieb) und Stefano (Weinberg und Keller) geleitet.

Alle Aldo Conterno Weine

Verkostungsnotizen Aldo Conterno

Heiner Lobenberg

Heiner Lobenberg

Heiner ist der Gründer und Chef von Lobenbergs Gute Weine. Als Jäger und Sammler und Wein-Trüffelschwein ist sein Ziel, den Kunden die beste und interessanteste Weinauswahl in Deutschland zu bieten. In seinem Blog erzählt er interessante und schöne Geschichten von großartigen Weinen und Winzern.

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