Von Heiner Lobenberg

Piemont-Reise 2019 –
Barolo gebaut für die Ewigkeit

Landschaftspanorama Piemont
Landschaftspanorama Piemont

Verkostung Italien Piemont Barolo 2016

Barolo 2016 ist das Thema meiner Reise. 2016 heißt überall kleine Mengen und große bis sensationelle Ergebnisse. Weine mit großer anfänglicher Offenheit, überragender Finesse, viel Frucht, aber dennoch gebaut für die Ewigkeit. Fast überall, in Bordeaux, Burgund, Deutschland und Italien, auch und gerade im Piemont, der komplexeste Jahrgang der bisherigen Geschichte.

Im Piemont, genauer in der Langhe, Barolo und Barbaresco, gibt es mindestens 20 % weniger Menge, manchmal ist es noch schlimmer. Frost, Hagel, Trockenheit, alles dabei um die Mengen zu reduzieren. Aber nicht die Qualität. 2016 ist der legitime Nachfolger von 2010, aber noch mehr Frucht, extreme Eleganz, seidige, polierte und feine Tanninmassen, satte, aber nicht vordergründige Frucht, eine lange Verschlussphase ist absehbar. Dereinst in 20 Jahren wie 1989 und 1971. Oder gar besser, ein qualitativer Riese.

Heiner Lobenberg auf Piemont-Reise
Heiner Lobenberg auf Piemont-Reise

Also trotz Flugstreik durchgekämpft nach Turin, Audi A1, ab nach La Morra, Hotel Corte Condina, das beste klassische, wenngleich kleine Hotel der Langhe.

Roagna

Zum Start der Reise zum Finessemeister, zu Luca Roagna, der Rockstar von Barolo und Barbaresco. Der Mann liest immer Wochen nach den anderen, volles Risiko für volle Reife. Als ich am 29. Oktober abreiste fing er gerade erst mit der Lese in Barbaresco an. Ich lehne mich mal aus dem Fenster: Für mich zur Zeit einer der beste Winzer in beiden Regionen, in der gleichen Liga der Finesse wie Giacosa Riserva Red-Label. Roagna hat gerade erst 2014 auf die Flasche gebracht, der gerade gefüllte Ultra Riserva Crichet Paje ist sogar erst 2011. Diese superfeinen Jahre 2014 und 2011 kommt diesem Finesse-Rockstar total entgegen. Ich weiß, alle wollten 2010 und 2013, tanninreich, groß. Aber 2014, und demnächst der weiche, vollmundig fruchtig feine Jahrgang 2015, kommen Lucas Stil mehr entgegen als die maskulinen Jahrgänge. 2014 Roagna ist der Marques de Heredia Tondonia Gran Reserva Stil Italiens. Wer verträumte Finesse mag (Ich!) liegt hier perfekt, viel feiner als der massivere Jahrgang 2013. Asili in Barbaresco und Pira in Barolo sind echte Highlights. Der gerade releaste 2011 Riserva Crichet Paje ist ein Meilenstein in Barbaresco noch vor den Red-Label Giacosa. Besseren Barbaresco habe ich trotz Giacosa und Gaja nie erlebt, teuer zwar, aber besser geht nicht, etwas extraterrestrisch.

Zu allen Weinen

Luca Roagna
Luca Roagna

Verkostungsnotizen Roagna

Cavallotto

Am ersten Tag geht es weiter bei Cavallotto, unübertroffen klassisch. Handarbeit, nur 30 Hektoliter je Hektar, nur Spontanvergärung, bio im Weinberg, nur große Holzfässer aus slawonischer Eiche. Eine Lage, Bricco Boschis, noch vor der Ortschaft, der ganze 12 Hektar Südwest-Hang auf weißem Lehm mit Sandeinsprengseln, 30 Tausend Flaschen eines großen Barolo, that’s it! Wie immer zeigt der Wein von der langen Spontanvergärung und dem Holzausbau eine leichte Volatilität, der Stil des Hauses. Ein sehr spezieller Kick! Dazu in 2016 viel schwarze Frucht, Holunder, Cassis, sogar Blaubeere und Brombeeren, Kirsche nur hintergründig. Graphit, extrem reichliche aber feinste Tannine, 2010 Revival. Alfio Cavallotto sagt es ist die Wiedergeburt von 1971. Ein Wein für die Ewigkeit, groß aber sicher 20 Jahre warten trotz seiner Finesse und Seidigkeit. Der gleiche Irrtum wie 2010 kann einem hier passieren, man denkt ob des Schliffs an frühe Zugänglichkeit. Bitte nicht, lange weglegen. Zu schade, die wahre Größe dieses Babys zu früh entdecken zu wollen.

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Alfio Cavallotta
Alfio Cavallotta

Verkostungsnotiz Cavallotto

Vietti

Am Nachmittag des ersten Tages zurück an die absolute Spitze der erdgebundenen Barolista. Vietti. Castglione Falletto. Die Gemeinde mit den maskulinsten Barolo überhaupt, die gleiche Liga wie Serralunga. Fast nur weißer, blauer und roter Lehm. Viel Metall eben. DAS nenne ich mal Terroir! Dazu mit 2016 das wohl komplexeste Jahr meiner Verkostungsgeschichte. Da ist einfach alles da! Und da wundert es auch nicht, dass der Rocche aus Castiglione und der Lazzarito aus Serralunga klar die 100 Punkte abräumen, und dass sich die aus Novello und La Morra stammenden Ravera und Brunate geschlagen geben müssen.

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Urs Vetter von Vietti
Urs Vetter von Vietti

Verkostungsnotizen Vietti

Die drei großen Gemeinden

Castiglione, Serralunga und Monforte haben die ältesten Böden und Gesteinsformationen der Langhe überhaupt, da liegen schon mal Millionen von Jahren zwischen diesem Terroir der drei allerbesten Barolo-Gemeinden und den feineren aber auch leichteren Formationen aus Barolo, Novello und La Morra. Das unterstreicht und erklärt auch die qualitative Vormachtstellung der Winzer aus diesen drei Gemeinden. Mit so extrem komplexen Jahrgängen wie 2016 wird das noch deutlicher. Da kann mal ein extremistischer Roberto Voerzio aus La Morra in die Phalanx der 100 Punkte Weine einbrechen, aber ansonsten bleiben die drei Top-Gemeinden 2016 qualitativ unter sich.

Landschaftspanorama Langhe
Landschaftspanorama Langhe

Vietti, Brovia, Giuseppe Mascarello, Cavallotto und Roagna aus Castiglione, Giacomo Conterno, Giacosa, Pira, Gaja aus Serralunga, und dazu Aldo Conterno, Elio Grasso und Conterno Fantino aus Monforte. Das ist die absolute Spitze im Bereich Barolo. Aus eben diesen drei Top-Gemeinden mit dem besten und ältesten Terroir. Wie zuvor gesagt schafft ein Roberto Voerzio mit einem Ertrag von nur 20 Hektoliter pro Hektar, 250 Gramm je Stock und 10.000 Stöcken pro Hektar, den 100 Punkte Sprung dazwischen, aber dieses Weingut ist nicht mit normalen Maßstäben zu messen. Alle anderen Toperzeuger aus La Morra und Barolo, von Altare zu Bartolo Mascarello, von Sandrone zu Corino und Trediberri, sind verdammt gut, und sie haben in ihrer Finesse und Stilistik auch jeweils Alleinstellungsmerkmale, aber sie sind eben nicht ganz in der Liga der Weingüter der großen drei Gemeinden mit den alten Terroirs. Lage, Lage, Lage, das bestätigt sich doch irgendwie immer.

Landschaftspanorama Langhe im Herbst
Landschaftspanorama Langhe im Herbst

Voerzio

Der dienstägliche Besuch beim Meister der winzigen Erträge je Stock (250 Gramm) zeigt, dass man mit dieser brutalen Handarbeit und biologischen Bodenbearbeitung auch in La Morra 100 Punkte schaffen kann. Cerequio und La Serra mit 100 knapp vor Fossati und Brunate. Alle vom gleichen Hang. Roberto kann aber kein Vorbild sein, denn unter 100 Euro je Flasche Händlereinkauf kann dieser wahnsinnige, Lohnkostenintensive Aufwand nicht geleistet werden. Jede Flasche ist ihren Preis wert, viel mehr Aufwand und Input als jeder teure Kalifornier, Burgunder oder Bordeaux, aber in dem Preisbereich wird die Barolo-Kundschaft leider doch trotz weltbester Qualität knapp. Nebbiolo kann so gut sein wie die allerbesten Grand Cru aus Burgund, aber Image zahlt leider auch mit.

Zu allen Weinen

Heiner Lobenberg mit Cesare Voerzio
Heiner Lobenberg mit Cesare Voerzio

Verkostungsnotizen Voerzio

Altare, Corino und Trediberri

Altare, Corino und Trediberri aus La Morra sind mit dem Jahrgang 2016 auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft. Trediberris 2016er ist mit Pira und Corino in den Olymp des besten Preis-Leistungs-Verhältnis aufgestiegen, phänomenal. Ohne jeden Zweifel, best ever! Multikomplexe Weine, unendlich fein in der Frucht. Hätte ich nicht dieses Jahr in den Big3 Gemeinden und bei Roberto Voerzio angefangen, Altare wäre mit dem Unoperuno und dem Cannubi sogar ein glatter 100 Punkte Kandidat gewesen. Selbst der Arborina war noch nie so gut. So ist jetzt aber das Bessere der Feind des Guten. Dennoch waren diese drei Weingüter besser als je zuvor. Die 100 Punkte Skala beschränkt mich leider darin, das auch in Zahlen zum Ausdruck zu bringen. Einige Weine aus den Big3 Gemeinden hätten 2016 relativ zu 2015, 2013 und 2010 einfach höhere Werte erhalten müssen.

Altare-Weine   Corino-Weine   Trediberri-Weine

Verkostungsnotizen Elio Altare

Weinverkostung mit Silvia Altare und Stefania und Guido Corino
Zusammen mit Silvia Altare und Stefania und Guido Corino

Verkostungsnotizen Corino

Trediberri mit Nicola und Steffania Oberto
Trediberri mit Nicola und Steffania Oberto

Verkostungsnotiz Trediberri

Bartolo Mascarello und Sandrone

Noch relativ schlimmer erwischte es in meiner Bewertung dann am Mittwoch Bartolo Mascarello und Sandrone. Waren die drei Barolo 2016 dieser Ausnahmewinzer je besser? Bessere 2016er als 2015 und 13 und 2010, das scheint mir sicher. Aber glatt 100 geht 2016 nicht wegen der Big3. Auch wenn Sandrones Le Vigne, der ja viel Serralunga und Castiglione enthält, bis an 100 bekommt. Der Fluch der guten Tat, der Fluch der noch Besseren. Macht aber nichts, diese zwei Erzeuger haben zu Recht ihre Fans, und 97 bis 100 Punkte ist schon auch heftig viel. Sie sind aber auch so gut.

Bartolo Mascarello-Weine   Sandrone-Weine

Schatzkammer bei Bartolo Mascarello
Schatzkammer bei Bartolo Mascarello

Verkostungsnotiz Bartolo Mascarello

Luca Sandrone
Luca Sandrone

Verkostungsnotizen Sandrone

Giacomo Conterno

Wegen Terminnöten musste ich dann einen Exkurs beim Superstar Giacomo Conterno dazwischen schieben. Ich lernte dabei auch seinen so sympathischen Sohn Gabriele (25) kennen, die Nachfolge ist gesichert. Das Weingut liegt in Monforte aber alle Weine kommen aus Serralunga. Der Monfortino 2013 hat fast überall die 100, zu Recht, ganz groß, bitte 20 Jahre nicht anrühren. Barolo Cascina Francia 2015 rührt in seiner finessereichen und verträumten Feinheit fast zu Tränen. Barbera 2017 ist riesig, best ever. Auch der 2015er und 2016er Gattinara aus dem nördlichen Piemont sind in ihrer Frucht und Finesse eine neue Dimension in Gattinara. Endlich ein bezahlbarer Nebbiolo von Giacomo Conterno, qualitativ für mich ein Muss!

Zu allen Weinen

Gabriele Conterno (von Giacomo Conterno)
Gabriele Conterno (von Giacomo Conterno)

Verkostungsnotizen Giacomo Conterno

Aldo Conterno

Am Folgetag der Cousin, Aldo Conterno in Monforte. Alle Weine aus der Lage Bussia. Mit das älteste Terroir der Langhe. Kalkstein, weißer und roter Lehm. Die Granbussia kommt nur in besten Jahren und zählt ohne jede Frage zur obersten Elite, nicht selten der beste Wein der Langhe. Eine lange ausgebaute Superselektion der drei besten Lagen des Bussia-Weinbergs, hauptsächlich Romirasco, etwas Cicala und Colonnello. Drei Lagen des gleichen Hangs mit durchaus unterschiedlichen Charakteren. 2016 multikomplex, unendlich fein, fruchtstark, satte ultrafeine Tannine, wahnsinnige Frühform, aber gebaut für die Ewigkeit, bitte 15 Jahre nicht anrühren. Colonnello ist mein glatter 100 Punkte Favorit, feminin, unendlich lang und seidig. Der fast brutal mineralische Cicala ist Giacomos Favorit (verwirrend den kaufmännisch leitenden der drei Besitzerbrüder Franco und Stefano zu nennen wie das Weingut des Cousins, früher war das alles mal nur ein einziges Weingut). Beim Romirasco, der beide Eigenschaften von Colonnello und Cicala vereint, einigen wir uns dann leicht auf 100. Bitte 20 Jahre warten.

Zu allen Weinen

Giacomo Conterno (von Aldo Conterno)
Giacomo Conterno (von Aldo Conterno)

Verkostungsnotizen Aldo Conterno

Conterno Fantino

Nun in direkter Folge die zwei Superstars vom Ginestra-Weinberg. Erst Conterno Fantino. Fabio, der Sohn des Hauses und allein verantwortliche Weinmacher, baut immer zwischen 30 und 70 Prozent der Barolo im neuen und zweijährigen Barrique aus, der Rest im 2500 Liter Fass. Die zwei besten Weinberge sind Ginestra und Mosconi. Der Sori Ginestra 2016 muss sich 2016 dem zu 70 % im großen Holzfass ausgebauten Mosconi knapp beugen, beide bis 100 best ever hier. Ich bin hin und weg, 2015 war schon so gut hier, aber 16 ist nochmal komplexer. Und die hohe Säure und das satte Tannin fressen das neue Holz einfach weg.

Zu allen Weinen

Fabio Conterno
Fabio Conterno

Verkostungsnotizen Conterno Fantino

Elio Grasso

Dann weiter zu Elio Grasso. zwei Weine vom Ginestra. Uralte Terroirformationen, verwandt in der Art mit Serralunga, nur ein Tal trennt diese Gemeinden. Elio Grasso baut bis auf den Rüncot alles im großen Holz aus. Ich bin sicher, das ist die Spitze des Ginestra-Weinbergs. Zu sagen, dass diese zwei Barolo für Ihre Qualität einfach Schnäppchen sind, klingt bei über 70 Euro leicht abgehoben. Das weiß ich. Dennoch stimmt das. 2016 ist qualitativ komplex in einer neuen Dimension! Nicht wirklich viel besser als 15, 13 und 2010, jede Stellschraube nur einen Hauch weiter nach rechts gedreht. 100 zu Recht. Noch besser als 2015? Ja, denkbar und wahrscheinlich. Sooo komplex und komplett. Das wahre Schnäppchen hier aber war der 2014er, alle drei Crus zusammen in einen mengenmäßig dramatisch reduzierten Barolo für 20 Euro weniger. Ein Musskauf für Genießer der nächsten 15 Jahre, wer erst in 20 Jahren anfangen will kauft dann eben 2016.

Zu allen Weinen

Roberto Grasso
Roberto Grasso

Verkostungsnotizen Elio Grasso

Brovia

Dann zurück nach Barolo. Brovia, Weingut in Barolo. An der Grenze zu Castiglione. Alle Weinberge liegen in Castiglione und Serralunga. Alex Sanchez, ein Supersympath, ist Mitbesitzer und Weinmacher. Spanier bzw Katalane aus Barcelona. Bis zum 30. Lebensjahr McKinsey in Spanien. Dann hat er Elena Brovia im Urlaub in Brasilien kennengelernt. Aus der Brieffreundschaft wurde eine Ehe, aus dem Wirtschaftsberater wurde ein Winzer. Und was für einer. Alex genießt zu Recht allerhöchsten Respekt bei allen Kollegen. Was für Weine. So immens komplexe 2016er. Rocche aus Castglione und Brea CaMia aus Serralunga sind glatt 100. Die eigentliche Kult-Lage Villero muss sich dahinter einsortieren. Villero liegt tiefer und in Südexposition, in einem perfekten Jahr wie 2016 setzen sich die extremeren und höher gelegenen Lagen eben durch, irgendwie vielschichtiger, komplexer. Aber die 16er brauchen 15 Jahre Ruhe im Keller. Brovia ist wohl das meistunterschätzte Weingut der Spitzengruppe, für mich unter den allerbesten in der ersten Reihe. Die Klasse von Vietti zum halben Preis. Und für Genießer und wirkliche Schnäppchenjäger gibt es noch den nur aus diesen drei Crus gewonnenen 2014er. All in! Der leichtere und elegantere Jahrgang ist jetzt und die nächsten 15–20 Jahre ein Hochgenuss.

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Alex Sanchez von Brovia
Alex Sanchez von Brovia

Verkostungsnotizen Brovia

Giuseppe Mascarello

Ein weiteres Weingut mit der Toplage, dem Monopol Monprivato, oben neben Cavallotto in Castiglione, ist Giuseppe Mascarello. Das Gut bzw. der Keller liegt in Monchiero, unten am Fluss. Sehr traditionell. Nur große Fässer, Spontanvergärung und lange Nachmazeration. Blitzsauberer Barolo mit köstlicher Eleganz und Finesse im Giacosa-Stil. Das ist sooo lecker. Immer ein Jahr danach, zeitversetzt zu allen anderen. Wie Giacosa mit der Riserva, noch früher aber als Roagna. Alle drei sind Winzer der verträumten Finesse. Der Stil dieser drei ist soooo gut!

Zu allen Weinen

Keller von Giuseppe Mascarello
Im Keller bei Giuseppe Mascarello

Verkostungsnotizen G. Mascarello

Luigi Pira

Gianpaolo Pira vom Weingut Luigi Pira ist mein letzter Besuch vor meinem nachfolgenden Barbaresco-Tag. Mit die allerbesten Terroirs der ganzen Langhe. Mitten in Serralunga. Es gibt einfach trotz des charmanteren Corino und gleichhoch bewertetem Trediberri eben nichts wirklich Besseres im Preis-Qualitäts-Verhältnis als seinen Barolo Serralunga. Und das war so mit den so unglaublich leckeren 2015ern. Und jetzt wieder mit den multikomplexen, langlebigen 2016ern. Um 30 Euro. Das ist und bleibt DIE Benchmark des traditionellen Barolo. Klar, es geht insgesamt schon noch besser, aber dann sind wir 20–30 Euro höher. Aber davor können wir erst mal bei Mitte 40 Euro auch weiter bei Pira bleiben. Sein Serralunga mit Finesse-Turbolader heißt Margheria. Auch der ist in dem Preisbereich wieder ziemlich Konkurrenzlos. Zehn weitere Euro drauf folgt der Powerwein Marenca. Weiter konkurrenzlos. Um Pira wirklich zu schlagen muss man 70 Euro und mehr ausgeben. Brovia, Grasso, über diese Hürde kommt Pira nicht, aber wir reden dann ja auch vom fast doppelten Preis.

Zu allen Weinen

Gianpaolo Pira
Gianpaolo Pira

Verkostungsnotizen Pira

Sottimano

Der letzte Tag, Freitag, gehört Neive und Barbaresco. Drei ganz unterschiedliche Winzer und Konzepte.

Herzlicher Empfang bei Sottimano
Herzlicher Empfang bei Sottimano

Sottimano. Biodynamiker. Extremist in Bio und Nachhaltigkeit. Kein Dogmatiker sondern Weltverbesserer aus reiner Erkenntnis. Besseres Leben im gesunden Weinberg = bessere Weine. Einfach komplexer und frischer. Total gesundes Lesegut wird spontan über vier Wochen vergoren und dann weitere vier bis fünf Wochen mit runtergedrücktem Schalenhut (per Holzscheibe) weiter auf den Schalen gelassen. Alle traditionellen Großmeister von Giacosa über Vietti zu den Mascarellos verfahren so in dieser ultralangen Mazeration. Das 2016er Ergebnis bei Sottimano ist extrem frisch und natürlich, sehr mineralisch mit ausgeprägter Frucht. Ein maskuliner Wein Pajore vom Lehm und purem Kalkstein und der feine Finessewein Fausoni vom Sandboden, gegensätzlicher geht es kaum, aus ganz verschiedenen Zonen im Barbaresco Gebiet. Eine wirkliche Entdeckung, im fruchtigen Stil und in der Qualität durchaus an Bruno Rocca erinnernd, nur etwas weniger im Keller »gemacht«, einfach mehr Natur hier.

Zu allen Weinen

Verkostungsnotizen Sottimano

Keller von Sottimano
Im Keller bei Sottimano

Produttori del Barbaresco

Dann fahre ich mitten in den Ort Barbaresco, direkt in den Kern, zur Kirche. Die 1958 vom Priester der Kirche aus sozialen Erwägungen (der teuerste Wein der Region, der Barbaresco, war wegen des aus Kostengründen notwendig hohen Preises schwer verkäuflich, die Winzer brauchten Hilfe) gegründete Genossenschaft »Produttori del Barbaresco« bildet das Herz von Barbaresco. Nur diese Genossenschaft und La Chablisienne in Burgund erzeugen beständig Weltklasse. Der ebenfalls 1958 geborene und ewig schon amtierende Direktor Aldo Vacca zeigt mir den modernen »state of the art« Betrieb und erklärt mir die Regularien, die Grundlage der unglaublich hohen Qualität sind. 54 Genossen, je eine Stimme. Demokratische Urwahl zum neun-köpfigen Vorstand. Nur ein Boss, eben Aldo Vacca. Ausschüttung des Gewinns an alle, Vergütung der zur Ernte gelieferten Nebbiolotrauben nur nach Qualität, Zucker, pH-Wert, Gesundheit.

Zu allen Weinen

Landschaft von Barbaresco
Landschaft von Barbaresco

Ertragsbeschränkung im Weinberg, dramatische Preisabschläge bei Anlieferung nicht perfekten Leseguts. So geht Qualität eben auch bei vielen Inhabern! Der Preis je Kilo Top-Qualität ist bei Barbaresco-Lagen gleich, egal ob Village oder Cru. Es geht hier ausschließlich um Qualität. 300 Tausend Flaschen allerbesten Barbaresco entstehen hier jährlich, das ist 2015 und mehr noch im komplexeren 2016er die unfassbar gleiche Preis-Leistungs-Liga wie Pira und Trediberri in Barolo. Die immer mit großem Zeitversatz veröffentlichten Riserva-Crus kommen erst 18 Monate später auf den Markt, 2015 eben erst im März 2020. Das gehört zum Allerbesten aus Barbaresco, in der Liga von Bruno Rocca und Sottimano, aber auch diese Weine sind wahre Schnäppchen. Dafür werden sie streng zugeteilt, der Shop der Cooperative verkauft keine Flasche, Zuteilung nur über eine historische Mailingliste. Ich brauchte alle Netzwerk-Beziehungen um mich hier in eine Zuteilung zu katapultieren.

Keller von Cantina
Im Keller der Cantina

Verkostungsnotizen Produtori del Barbaresco

Bruno Giacosa

Finale der Reise wie der Anfang: Der nach Roagna zweite Großmeister der Finesse. Bruno Giacosa in Neive. Mir geht es nur um die eigenen Weinberge in Barbaresco (Asili und Rabaja) und Barolo (Falletto und davon auch die Einzellagen Rocche in Serralunga). Je nach Jahrgang und Qualität mal als weißes Etikett der Lage, mal Jahre später als rotes Etikett Riserva angeboten. Der Unterschied besteht nur im längeren Flaschenlager. Und in der während der Ernte festgestellten Qualität und Alterungspotenzial. Und natürlich im Kult, der mit kleinerer Riserva-Menge, zwei bis drei Jahre späteren Erscheinen und mit doppeltem Preis ziemlich massiv gefördert wird. Giacosa und Roagna, die Zange, die mit extraterrestrischer Finesse und atemberaubender Qualität meine Reise einrahmt. Schöner konnte ich nicht anfangen und enden.

Zu allen Weinen

Hauptgebäude von Giacosa
Giacosa

Verkostungsnotizen Giacosa

Fazit

Barolo und Barbaresco. Die besten Weine sind nicht mehr billig. Aber Sie können sicher sein, dass die Nebbiolo in der Oberliga mit den wenigen weltbesten Burgundern, Bordeaux, Kaliforniern und Spaniern auf der gleichen Stufe steht, unverwechselbar, unendlich vielschichtig und fein.

Zu allen Weinen des Piemonts

Piemont mit Aussicht
Piemont mit Aussicht
Heiner Lobenberg

Heiner Lobenberg

Heiner ist der Gründer und Chef von Lobenbergs Gute Weine. Als Jäger und Sammler und Wein-Trüffelschwein ist sein Ziel, den Kunden die beste und interessanteste Weinauswahl in Deutschland zu bieten. In seinem Blog erzählt er interessante und schöne Geschichten von großartigen Weinen und Winzern.

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