Jedes Jahr im September fahre ich an die Mosel, um an der Prädikatsweinversteigerung des VDP Mosel teilzunehmen. So auch 2017. Ein Großteil der Top-Weingüter des Anbaugebietes präsentieren dort ihre besten Abfüllungen den Händlern sowie privaten Weinliebhabern, die in einem Bieterwettstreit um die raren Schätze fighten. Rund um die Versteigerung finden allerdings noch allerhand andere Veranstaltungen statt, die Weinfanatiker von nah und fern anziehen. So präsentieren unter anderem einige Weingüter ihre Kollektionen des aktuellen Jahrganges.
Die Anfänge des jungen Markus Molitors
Einer von ihnen gehört zu Deutschlands bekanntesten Winzern, der allerdings kein Mitglied des VDPs ist. Die Rede ist von Markus Molitor, welcher schon jetzt als eine lebende Legende der Mosel bezeichnet werden darf. Was er in den letzten 30 Jahren geleistet hat, ist schlichtweg spektakulär. Im zarten Alter von 20 Jahren übernimmt Molitor 1984 das väterliche Weingut mit gerade mal 2 Hektar an gepachteter Rebfläche. Mittlerweile steht er bei fast 100 Hektar. Davon sind viele Parzellen im eigenen Besitz des Weingutes. Als Molitor anfing, hatte er das Glück, dass der Weinbau an der Mosel in einer Krise steckte; viele Weinberge lagen brach, niemand hatte Interesse an der zum Teil sehr aufwendigen (Hand-)Arbeit. Denn die Lagen an der Mosel sind aufgrund ihrer Steilheit häufig nicht maschinell zu beackern. So konnte der junge Winzer aus dem Vollen schöpfen.
Das unglaubliche Lagenportfolio
Peu à peu wurden Parzellen in den besten Lagen der Mittelmosel mit zum Teil uraltem, wurzelechtem Rebmaterial akquiriert; beispielsweise sind Teile des sogenannten »Schießwingert« (Parzellen innerhalb der Lage) in der Zeltinger Sonnenuhr über 100 Jahre alt. Neben der Zeltinger Sonnenuhr, die vom blauen, verwitterten Devonschiefer geprägt ist und als DIE Toplage im Hause Molitor auf Grund ihrer Feinheit und Eleganz gilt, geht das Lagenportfolio lückenlos in die Wehlener Sonnenuhr über. Ebenfalls ein absoluter Grand Cru und eine der bekanntesten Lagen in Deutschland überhaupt.
Daneben gibt es noch Besitz im Erdener Treppchen (gehaltvollerer Stil), Ürziger Würzgarten (einzige Lage an der Mittelmosel bei der die Reben auf rotem Schiefer wurzeln; entsprechend dem Namen einzigartige, würzige Weine), sowie im Wehlener Klosterberg (Hauslage, liegt direkt am Weingut, rein südlich ausgerichtet). Dann geht es auf die andere Moselseite. Den Anfang bilden die schon angesprochenen Highlights Zeltinger Sonnenuhr und Wehlener Sonnenuhr, gefolgt von den Graacher Lagen Himmelreich und Domprobst (sehr gute Wasserversorgung, härter vom Boden her, brauchen vielleicht einen Tick länger als die anderen Lagen, sehr klassisch in der Anmutung) und endet schließlich in Bernkastel mit der Badstube, der Lay und dem weltbekannten Bernkasteler Doctor (hier konnte Molitor Ende 2015 eine 0,1 Hektar große Parzelle kaufen, aus der er zwei Auslesen für die nächstjährige Auktion keltert).
Mit Weitblick frühzeitig investiert
Das ist aber noch nicht alles. Molitor hat bereits frühzeitig in Lagen an der Saar investiert. So kann er Parzellen im Saarburger Rausch sowie im Ockfener Bockstein sein eigen nennen. Die Weine besitzen nochmals eine ganz andere Typizität wie ihre Pendants von der Mittelmosel. Sie wirken kühler und besitzen häufig eine prägnantere Säure. Auch aufgrund des Klimawandels sicherlich eine lohnende Erweiterung. Hinzu kommt die Rekultivierung des Ockfener Geisberges, ein Projekt, das er zusammen mit Roman Niewodniczanski vom Weingut Van Volxem betreibt, sowie sein letzter großer Coup: Die Übernahme der ehemaligen Staatsdomäne Serrig mit über 20 Hektar an Fläche. Eine Möglichkeit, die laut Molitor »zu gut war, um sie verstreichen zu lassen«. Man sieht, langweilig wird es Markus Molitor in den nächsten Jahren nicht werden. Allerdings hört man, dass er sich zukünftig mehr und mehr auf die Arbeit im Keller fokussieren möchte, um seinen Weinen noch mehr Feintuning zu geben.
Philosophie im Weinberg und Keller
Das Ausgangsmaterial, welches später seinen Weg in den Keller findet, wird nahezu 100 % mit der Hand gelesen. Nur so kann eine Selektion im Weinberg auch während der Lese gewährleistet sein. In den meisten Lagen ist der Einsatz von Maschinen sowieso ausgeschlossen, da die Steilheit deren Einsatz bereits im Keim erstickt. Penibel geachtet wird auf die physiologische Reife der Trauben. Erst wenn diese perfekt ausgereift sind, wird geerntet. Das führt zu Weinen, die immer einen recht hohen Extrakt aufweisen.
Im Keller wird ausschließlich spontan vergoren. Die Philosophie besagt, dass nur so der individuelle Charakter der jeweiligen Lage herausgestellt werden kann. Schönungsmittel sind wie der Einsatz von Enzymen tabu. Die Vergärung sowie der Ausbau findet je nach Qualitätsstufe der Weine im Stahl und großen Holzfass statt. Dabei wird auf einen kühlen und langsamen Prozess geachtet. Dies, plus das nach der Vergärung stattfindende Lagern auf der Feinhefe, ergibt sehr schmelzige, füllige Rieslinge mit einem ungeheuren Lagerpotential. Molitor Weine haben einen ganz eigenen Stil. Diesen Stil muss man mögen. Nicht jedermann sagt er zu.
Was jedoch unbestritten ist, ist das Qualitätslevel, auf dem die Weine spielen. Und zwar ausnahmslos alle. Wer jedes Jahr über 60 unterschiedliche Weine auf diesem Niveau in die Flasche bekommt, dem gebührt der größte Respekt. Unabhängig vom bevorzugten Stil.
Jahrgang 2016 – Ein hartes Stück Arbeit
Auch 2016 war es möglich die komplette Bandbreite an Weinen zu produzieren, wie ich auf der Jahrgangspräsentation erfuhr. Der Jahrgang gilt im Hause Molitor als ein guter Jahrgang, der allerdings allen Beteiligten ein ganzes Stück harte Arbeit abverlangt hat. Starker Regen im Mai und Juni führte zu einem gewissen Befall durch Peronospora (Pilzerkrankung der Rebe), die einigermaßen gut durch präventives Spritzen im Zaum gehalten werden konnte. Schlimmer war der Hagel, der die Weinberge dreimal heimsuchte. Allerdings drehte sich das Wetter nach dem Juni zum Guten. Es wurde relativ lange zugewartet, da die Trauben nicht die gewünschte Säure- und physiologische Reifewerte besaßen. So begann die Lese Anfang Oktober und endete um den 8. / 9. November herum (mit Ausnahme der Eisweine, welche am 5. Dezember geerntet wurden).
Das Ergebnis ist ein Jahrgang, der meiner Meinung nach Molitor in die Karten spielt. Die Weine sind trotz der hohen Extraktwerte mit Eleganz und Finesse gezeichnet. Gerade im trockenen Bereich ist die Kollektion extrem stark ausgefallen. Der »Sweet spot« liegt meiner Meinung nach im Spätlese- und unterem Ausleselevel, wobei die Spitzenqualitäten sicherlich über die Zeit ihre Stärken ausspielen werden. Dabei gilt es immer zu erwähnen, dass wir uns an einem extrem frühen Zeitpunkt in der Entwicklungsphase der Weine befinden. Einige Exemplare trinken sich zwar jetzt schon sehr schön, wobei ich mir sicher bin, dass ihnen Zeit unglaublich gut tun wird. Speziell im Auslese Bereich halte ich es sogar für dringend erforderlich. Auf der Jahrgangspräsentation gab es u. a. auch einige 2007er aus der Château Reserve des Weingutes zu probieren. Hier zeigte sich in frappierender Weise, wie sich ein bisschen Geduld auszahlen kann. Deshalb mein Tipp: Lagern sie den 2016er Jahrgang ein und trinken sie jetzt die Jahrgänge des letzten Jahrzehntes. Glücklicherweise konnte Heiner Lobenberg ab Weingut einige gereifte Schätze für Sie ergattern.
Anbei finden sie meine Notizen zu den von mir verkosteten Weinen der Jahrgangspräsentation. Ich habe aufgrund der Vielzahl der Weine nicht alles probiert, sondern mich auf die allgemeinen Highlights sowie meine Lieblingslagen konzentriert. Kurz zur Erläuterung: Markus Molitor benutzt seine eigene Klassifikation der von ihm hergestellten Weine. Beim Riesling gilt: Weiße Kapsel = trocken, Grüne Kapsel = feinherb, Goldene Kapsel = fruchtsüß. Ebenso gibt es teilweise eine Abstufung nach *. Diese reicht von * bis zur höchsten Qualität ***.
Riesling – weiße Kapsel (trocken)
Für mich die beste trockene Spätlese der gesamten Kollektion. Super elegante, komplexe Nase mit reifen Fruchtaromen, etwas Zitronenabrieb, weißem Weinbergpfirsich, hellen Blüten und einer vegetabilen Note. Am Gaumen nicht zu fett, eher auf Zug ausgelegt. Die Säure trägt den Wein sehr schön in ein langes Finale. Frischer und klarer Abgang. Ganz große Klasse.
Noch einen Tick eleganter, vielleicht nicht ganz mit der Tiefe des Domprobstes. Eher auf der weißen Frucht stehend, hinzu kommt Grapefruit, Abrieb einer Zitrone aber auch etwas Exotik. Spannung am Gaumen, tolle Struktur, klar und präzise gezeichnet. Alles unterlegt mit einer schönen Frucht. Wird noch zulegen.
Sofort bemerkbar ist die sehr konzentrierte, intensive Nase. Verliert aber nicht seine Eleganz, obwohl die Frucht in diesem Wein deutlich die erste Geige spielt. Exotische Noten von Mango, Ananas und Papaya dominieren. Im Mund verliert sich die Eleganz ein wenig. Hat deutlich Druck im Finale. Auch hier viel Frucht und eine gewisse Würze. Sehr moderate Säure.
Komplexe, tiefe aber klar gezeichnete Nase mit Noten von weißem Weinbergpfirsich, einem Strauß weißer Blüten, kaltem Rauch und etwas Abrieb einer Orangen. Hohe Konzentration und Spannung am Gaumen, mineralische Noten mischen sich unter die hohe Phenolik. Wiederum sehr weißfruchtig. Langer Abgang mit dem berühmten Zuckerschwänzchen. Wirkt zu diesem frühen Zeitpunkt einen Tick klarer auf mich wie sein großer Bruder mit drei Sternen. Braucht aber locker fünf Jahre um richtig zu singen. Extrem hohes Potential.
In der Nase nahezu das gleiche Bild wie bei seinem kleinen Bruder der zwei Sterne Auslese, nur wirkt alles einen Tick intensiver. Allerdings ist diese Intensität nicht auf den ersten Blick zu erhaschen, denn der Wein präsentiert sich doch relativ zurückgezogen. Am Gaumen Unmengen von Extrakt und Phenole für den extra langen Marathon. Das ist eine andere Art von Riesling. Mit viel, viel Schmelz und einem so ganz anderen Mundgefühl. Braucht locker 10 Jahre, wenn nicht mehr.
Riesling – grüne Kapsel (feinherb)
Ein wahrliches Monster an Extrakt, Phenolik und Mineralität. SEHR intensive, komplexe, reichhaltige Nase mit ultrakonzentrierten Fruchtaromen, kandierte Zitrone und etwas Kräutern. Am Gaumen setzt sich diese Frucht fort, flankiert von Orangenzesten und feinem Karamell. Extreme Länge. Mit Abstand der expressivste Wein zu diesem Zeitpunkt. Bei dieser Konzentration kann das 50–100 Jahre altern. Bitte, bitte, 10–15 Jahren warten oder mehrere Flaschen kaufen. Eine aufmachen, mit viel Luft genießen und den Rest in die Schatzkammer sperren. Ein Wahnsinn.
So ganz anders als das Graacher Himmelreich. Deutlich gesetzter, feiner, geschliffener. Und trotzdem noch so unfertig. Hier dominiert nicht die Frucht sondern die Mineralik. Schöner reifer Pfirsich am Gaumen, Salz, Feuerstein. Das Einzige, was mir persönlich ein wenig fehlt, ist die Säure. Braucht ebenfalls viel Zeit.
Riesling – goldene Kapsel (fruchtsüß)
Sehr zurückgezogene, reduktive Nase in diesem frühen Stadium. Braucht Zeit und Luft, dann kommt etwas weiße Frucht, Limette, weiße Blüten, ein Hauch an Minze und Cassis heraus. Am Gaumen kommt die Typizität der Saar ganz klar zum tragen. Die hohe, lebendige Säure setzt einen schönen Kontrast zur hohen Viskosität. Braucht Zeit, wird aber viele seiner Kollegen in den Schatten stellen. Einer meiner Favoriten.
Pinot Noir (alle Weine aus dem Jahre 2014)
Was mir sehr gut gefällt, ist, dass der drei Sterne Klostergarten im Gegensatz zu seinem kleineren Bruder mit zwei Sternen nicht durch ein Plus an Power oder Holzeinsatz glänzt, sondern durch eine größere Feinheit. Sehr elegant im Antrunk, feine Frucht, die Tannine für eine lange Reife sind spürbar. Braucht noch etwas, damit sich die einzelnen Komponenten besser ineinander vermählen können.