Gutswein – Ortswein – Erste Lage – Große Lage. Hier hört in der Regel der Klassifizierungsansatz des VDPs auf. Das Große Gewächs steht als trockene Idealvorvorstellung der Lagen und Rebsorten Interpretation an oberster Stelle. Doch was passiert, wenn eine kleine Parzelle einer Großen Lage irgendwie quer schießt, und dem eigentlichen GG nochmal einen darauf setzt? Es wird ein Versteigerungswein. Und was für einer!
A star was born(e)
Mit dem Jahrgang 2009 vinifizierte Philipp Wittmann eine einzelne Parzelle des Westhofener Morsteins erstmalig separat. Das Resultat begeisterte den Winzer sofort und der »La Borne« war geboren. Da aber die Menge [bedingt durch die Größe] dieser am obersten Rand des Morsteins gelegenen Parzelle so gering, die Qualität aber so gut war, wurde kurzum die Entscheidung gefällt, diesen Wein als Versteigerungswein an der Bad Kreuznacher Weinversteigerung des VDP anzustellen. Eine neuer und rarer Ausnahmeriesling war wie aus dem Nichts geboren. Denn die Qualität überzeugte von Tag eins ab.
Nicht immer, aber immer besser
Doch schon 2010 gab es einen Knick in der Karriere des La Borne Rieslings. Da Philipp das Morstein Großes Gewächs in diesem schwierigen Jahr ohne die La Borne Parzelle nicht überzeugte, floss das komplette Fass des Parzellen-Weines in das normale GG mit ein. Somit wurde auf Kosten des Prestige-Weines die Qualität des Morstein GGs in 2010 gewahrt. Bodenständig oder neudeutsch »down to earth« würde ich so etwas nennen. Das gleiche Schicksal suchte übrigens auch den La Borne Riesling in 2013 heim. Auch in diesem schwierigen Jahr half der La Borne Anteil dem normalen Morstein GG auf die Beine. In einem kurzen Interview auf der ProWein dieses Jahr, verriet mir Philipp Wittmann übrigens, das die 2017er Version des La Borne Rieslings wohl die beste sei, die er bis dato vinifiziert hat. Man darf also auf die VDP Versteigerung in Bad Kreuznach dieses Jahres gespannt sein.
La Borne?
Doch woher kommt der Name dieses Weines eigentlich? Ähnlich wie seine Compagnons im Club der »nicht klassifizierten Ausnahme Rieslinge« (wie z. B. G-Max von Keller, A. de. L. von Emrich-Schönleber oder CO von Battenfeld-Spanier) bedarf es hier etwas Erklärung. »Laborn« nannten die alten Westhofener diese Gewann im Morstein. Dazu bedeute »la born« auf Französisch »der Grenzstein«. Somit ist der Name in zweierlei Hinsicht zutreffend. Der Zusatz »Alte Reben« erklärt sich mit dem Rebalter von über 60 Jahren dann von selbst.
2016 Wittmann La Borne Riesling Alte Reben
Wenden wir uns endlich dem Wein zu. Vorneweg, der Wein ist natürlich noch viel zu jung. Dazu kommt die Tatsache, dass gerade die 2016er in der Jugend deutlich verschlossener sind, wie im direkten Vergleich die Weine aus 2015 oder 2017. Alle folgenden Eindrücke sind also über 2–3 Stunden entstanden, da der Wein aus der Karaffe diese Zeit einfach braucht, um sich ordentlich zu zeigen. Die Nase ist extrem faszinierend. Die Frucht ist als Einzelteil nicht greifbar. Es duftet nach reifen gelben und orangen Früchte, welche eher als Summe Sinn machen, und nicht in der Auflistung ihrer Einzelteile. Dazu schimmert etwas Würziges vom dunklen Honig durch, getragen von einer dunklen und mineralische Würze, welche wie ein tiefer Bass als Grund »Groove« die ganze Vorstellung von Vorne bis Hinten unterlegt. Eine absolut spannende und kaum »klar« beschreibbare Nase.
Am Gaumen hinterlässt der 2016er La Borne einen regelrechten Kalkfilm auf der Zunge. Dieser Kalk ist wirklich eine haptisch schmeck- und spürbare Angelegenheit. Wer noch nie einen Wein gekaut hat, solltet spätestens bei diesem damit anfangen. Wenn man ihn dann im Mund für längere Zeit von Links nach Rechts wirbelt, ihn förmlich auseinander beißt, dann lässt er einen Geschmacklich kaum noch los. Selbst nach dem Herunterschlucken findet eine Minute später immer noch ein kalkig fokusiertes Schauspiel der Extraklasse statt. Dabei hält die kalkige Mineralik alles in Schach, was sich da sonst noch so tummelt: Säure, Frucht und Alkohol. Anfänglich dominiert der Kalk förmlich den 2016er La Borne, doch mit etwa 30–45 Minuten Luft zeigt langsam aber sicher auch die Frucht ihre brilliante Schönheit. Wer den Wein unbedingt dieses Jahr noch trinken möchte, sollte mindestens zwei Stunden Zeit mitbringen. Ansonsten gehört er für fünf Jahre in den Keller. Mindestens.
Fazit? Kalzit!
Ich kann mir kaum vorstellen, wie dieser extreme Riesling Stil noch besser gemacht werden kann. Fokus, Präzision und diese irre Mineralik, das ist das Gegenteil der bombiastischen Riesling Wuchtbrumme und zeigt traumhaft, wie sich die Rebsorte Riesling an das Gestein binden kann, auf dem sie wächst. Unglaublich beeindruckend und nirgends auf der Welt repliezierbar. Ein Unikat. 95–96 Punkte.